Nebenerwerbshöfe vom Fortschritt abgekoppelt?

Am Bienenstock: Andreas (l.) und Sebastian Oehme mit den beiden Schäferhunden. (c) Silvia Kölbel

Mit viel Leidenschaft betreibt Familie Oehme in Großrückerswalde im Erzgebirge eine kleinteilige, breit aufgestellte Landwirtschaft. Nebenerwerbshöfe wie den ihren sehen sie vielfach benachteiligt.

Von Silvia Kölbel


Sebastian Oehme, Nebenerwerbslandwirt im sächsischen Erzgebirgskreis, bewirtschaftet zusammen mit Vater Andreas (53) einen Zehn-Hektar-Grünlandbetrieb. Der 30-Jährige aus Großrückerswalde würde das Familienunternehmen gern vergrößern. Das scheitert jedoch aus seiner Sicht an der einerseits explodierenden Entwicklung der Löhne und Kosten und auf der anderen Seite an den geringen Einkommensmöglichkeiten in der Nebenerwerbslandwirtschaft.

Eine, wie er findet, sehr ungerechte Entwicklung. Schließlich könne ein kleiner Betrieb all das leisten, was die Gesellschaft und teils auch die Politik, unterstützt von Umwelt- und Naturschutzverbänden, fordern: kleingliedrige Landbewirtschaftung sowie Initiativen zum Tierwohl und zur Nachhaltigkeit mit Verzicht auf große Tierbestände und Monokulturen. Honoriert bekämen kleine Höfe diese Dinge aber in keiner Weise.

Nebenerwerbslandwirtschaft Oehme: Vielfältiger Viehbestand

Oehmes sind breit aufgestellt. Sie halten Original Braunvieh und Fleckvieh, Erzgebirgsziegen, ein paar Mastschweine, Enten, Gänse und Hühner. Zudem betreiben sie Imkerei mit derzeit 13 Bienenvölkern. Eher Hobbycharakter haben die Tauben- und Kanarienvogelzucht sowie die Hundehaltung. Auf dem Dach der Maschinenhalle erzeugt eine Photovoltaik-Anlage Strom für den eigenen Bedarf und das öffentliche Netz.

Der Wunsch, Nebenerwerbslandwirtschaft zu betreiben, wuchs in der Familie allmählich. Sebastian Oehme studierte Agrarwissenschaften in Halle und hat schon die Tierproduktion in einem großen Betrieb geleitet. Aktuell ist der Junglandwirt in einer Landtechnikfirma beschäftigt.

Im Jahr 2003 zogen bei Oehmes zwei Schafe ein, um die Wiese geräuscharm kurz zu halten. Drei Jahre später begann die Familie mit der Haltung von Rindern statt der Schafe. Die Wahl fiel unter anderem auf das Original Braunvieh, weil diese Zweinutzungsrasse als ruhig und umgänglich gilt.

Die ersten Zuchttiere kauften Vater und Sohn in Bayern mit der Absicht, in Sachsen mit Unterstützung des Bauernverbandes eine Förderung für diese Rasse anzuschieben, um den Genpool auf breitere Beine zu stellen. „Das hat aber leider nicht geklappt, weil sich nicht genug Züchter fanden, die bereit waren, unser Vorhaben mitzutragen“, sagt Sebastian Oehme. Auch die eigene Zucht kam nicht so schnell voran wie erhofft.

„Es kamen nacheinander zwölf Bullenkälber auf die Welt. Da es für die Rasse kein gesextes Sperma gibt, müssen wir uns weiter in Geduld üben“, erklärt der junge Landwirt. Erklärtes Ziel bleibe es aber, die Rasse auf dem Hof zu etablieren.

Einziger Vermarktungsweg: die Direktvermarktung

Einem kleinen Betrieb bleibe als einziger Vermarktungsweg die Direktvermarktung, sagen die beiden Männer. „Ein Tier an den Viehhändler abzugeben, lohnt sich überhaupt nicht. Für eine Schlachtkuh bekommt man 500 Euro. Dafür kann ich mir zwei unbeheizte Außenspiegel für einen Traktor kaufen“, zieht Sebastian Oehme einen Vergleich.

Deshalb sei bei der Nebenerwerbslandwirtschaft Oehme geplant, das Schlachten von einem Fleischer vornehmen zu lassen und dann ab Hof Fleischpakete anzubieten. Im Herbst soll es losgehen. Drei Räume wollen Oehmes dafür herrichten. Vorerst seien ein bis zwei Schlachttermine pro Jahr geplant. Die Nachfrage sei da. Positiver Nebeneffekt für die Familie: „Wir wissen, wo unser Fleisch herkommt.“

Diesem positiven Effekt stehen aber jede Menge Probleme gegenüber: „Der Steuerberater bekommt 60 Euro pro Stunde. Ständig ändern sich die Förderrichtlinien. Und Antragstellungen jeglicher Art haben lange Bearbeitungszeiten“, nennt Sebastian Oehme weitere ungünstige Rahmenbedingungen für Nebenerwerbslandwirte.

Nebenerwerbler: Technik ist teuer

Auch das Anschaffen der erforderlichen Technik ringt Nebenerwerblern einiges ab. „Da wir unsere Arbeit zusätzlich zu unserer hauptberuflichen Tätigkeit erledigen, wären wir eigentlich darauf angewiesen, mit moderner, schlagkräftiger Technik zu arbeiten, um Zeit zu sparen. Das ist aber völlig unmöglich, weil wir uns die nicht leisten können.“

Vater Andreas Oehme fügt an: „Das bedeutet, dass kleine Betriebe am technischen Fortschritt nicht teilhaben können.“ Auch der Markt für gute gebrauchte Landtechnik sei so gut wie leer gefegt. „Die großen Betriebe behalten ihre Maschinen länger und die Händler sind auch kaum bereit, auf gebrauchte Technik eine Gewährleistung zu geben“, weiß Sebastian Oehme. Beim Einkauf von Pflanzenschutzmitteln oder Dünger seien kleine Betriebe ebenfalls benachteiligt. „Rabatte bekommen nur die großen Unternehmen“, sagt der junge Mann.

„Man muss ein bisschen verrückt sein“

Den eigenen Betrieb flächenmäßig zu vergrößern, scheitert bislang an langjährigen Pachtverträgen in den großen Agrargenossenschaften. Weil sich Oehmes erst spät für den Nebenerwerb entschieden, können sie selbst auf einen Teil ihrer eigenen Flächen, der durch Pachtverträge noch für die nächsten Jahre gebunden ist, vorerst nicht zurückgreifen. „Ein Einkommen zu erwirtschaften, ist für einen kleinen Betrieb sehr kompliziert“, so das Fazit von Sebastian Oehme.

Der Grund, warum er und sein Vater sich trotzdem auf diese Art von Landwirtschaft einlassen, ist Leidenschaft. Der Senior formuliert das so: „Man muss ein bisschen verrückt sein. Die Arbeit in der Nebenerwerbslandwirtschaft beginnt, sobald man nach Hause kommt.“ Und der Sohn ergänzt: „Nachhaltigkeit, Tierwohl und Regionalität sind uns wichtig.“

Nebenerwerbslandwirtschaft Oehme: Arbeitsteilung am Hof

Die beiden Männer der Nebenerwerbslandwirtschaft Oehme teilen sich die Arbeit. Der Vater kümmert sich um das Geflügel, die Bienen und die Hunde, der Sohn übernimmt die Großtiere. Im Bedarfsfall kann aber jeder die Arbeit des anderen übernehmen. Unterstützung erhalten die beiden Männer von ihren mithelfenden Ehefrauen.

Vor sechs Jahren begann Andreas Oehme mit der Imkerei. Ein Hobbyimker aus der Nachbarschaft hatte ihn auf den Geschmack gebracht. „Mit Bienen kann man sich rund um die Uhr beschäftigen. Bienen machen viel Arbeit. Tägliche Kontrollen sind notwendig“, weiß er heute. Die Honignachfrage sei groß, doch an großes Wachstum sei nicht zu denken. „Die Haupterwerbsimkerei beginnt bei etwa 200 bis 300 Völkern. Ich dagegen versuche, jedes Jahr acht Wirtschaftsvölker über den Winter zu bringen. Habe ich mehr, verkaufe ich die überzähligen Völker“, so Andreas Oehme.

Der Honig wird ab Hof und in drei Geschäften verkauft, darunter beim örtlichen Bäcker. Je nach Vegetationsverlauf füllt Oehme eine Frühtracht, ein Rapstracht und eventuell noch eine Sommertracht in die Gläser. Die Sommertracht gestalte sich am schwierigsten, weil es nach der Obstblüte rund um Großrückerswalde kaum noch blühende Pflanzen gibt. „Himbeeren, Brombeeren und ein bisschen Weißklee, mehr haben wir hier nicht“, sagt Oehme. Das Anlegen eines Blühstreifens auf den eigenen Flächen sei bisher am großen bürokratischen Aufwand mit den damit verbundenen Dokumentationspflichten gescheitert.

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