© Sabine Rübensaat

Skispringen Bad Freienwalde: Aufsteigen und fliegen

Das Skispringen in Bad Freienwalde hat eine fast 100-jährige Tradition. Vor 20 Jahren wurde sie aus dem Dornröschenschlaf geweckt und seither wetteifern junge Brandenburger Adler um Podiumsplätze.

Von Bärbel Arlt

Fotos: Sabine Rübensaat und Andreas Arlt (2)

Bergstadt nannte Heimatdichter Theodor Fontane Bad Freienwalde und wurde nicht müde, immer wieder die märchenhafte Fernsicht von den Bergen zu loben. Und diese Berge sind es auch, die den ältesten Kurort Brandenburgs zum nördlichsten Wintersportzentrum Deutschlands machen. Klingt unglaublich? Blicken wir mal rein.

Skisprungschanze in Bad Freienwalde
Die Skischanze in Bad Freienwalde © Andreas Arlt

Skibegeisterte in Bad Freienwalde

Nicht tief, aber verschneit präsentiert sich an diesem Samstagmorgen die Wintersportarena mit ihren fünf Skischanzen am Papengrund direkt an der Bundesstraße 158. Und die seltene weiße Pracht verleitet die Mädchen und Jungen, die zum Training gekommen sind, natürlich erstmal zu einer Schneeballschlacht. Doch Trainer Stefan Wiedmann ruft seine Schäfchen schnell zusammen. Denn vor dem Vergnügen kommt der Ernst, besser gesagt die Trainingsstunde. Und die beginnt mit dem Aufwärmen. Dann werden Skianzüge und Skistiefel angezogen, Helm, Brille und Handschuhe aufgesetzt, und mit den Ski über die Schultern geht’s auf zu den Schanzen. Wobei das für die Fünf- bis Zwölfjährigen nicht wirklich purer Ernst, sondern eher ein ernstes Vergnügen ist. Denn Skispringen macht allen Spaß. Das versichern sie uns jedenfalls, bevor sie zum Absprung ansetzen.

rainer Stefan Wiedmann wertet mit seinen Schützlingen die Sprünge aus. Diese vier Schanzen (l.) stehen den jungen Adlern zur Verfügung
Skispringen in Bad Freienwalde: Trainer Stefan Wiedmann wertet mit seinen Schützlingen die Sprünge aus. Diese vier Schanzen (l.) stehen den jungen Adlern zur Verfügung. © Sabine Rübensaat

Doch der Reihe nach. Skispringen und Nordische Kombination in Brandenburg – das mutet zugegebenermaßen schon etwas seltsam an, denkt man da doch eher an die traditionellen Wintersporthochburgen in Thüringen und Bayern. Aber Brandenburg? Dieter Bosse, Vorsitzender des „Wintersportvereins 1923“ muss lachen: „Ja, vor 20 Jahren wurden wir tatsächlich belächelt. Doch das ist vorbei, wir sind an der Spitze angekommen.“ Denn die jungen märkischen Adler mischen deutschlandweit bei Wettkämpfen erfolgreich mit. So gehören mit Spezialspringer Max Unglaube und Nordisch Kombinierer Moritz Terei zwei Bad Freienwalder zur deutschen Jugendnationalmannschaft. Und Alvine Holz landete vor zwei Monaten bei den Deutschen Meisterschaften auf Platz 7. Was nicht zuletzt ein Verdienst von Landestrainer Stefan Wiedmann ist, der in Bad Freienwalde rund 32 Skifreudige unter seinen Fittichen hat. Und der 31-Jährige weiß genau, wie die sich fühlen und worauf es beim Training ankommt. „Er war immerhin der erste, der vor 20 Jahren unsere Zehn-Meter-Schanze eingeweiht hat“, erzählt Dieter Bosse voller Stolz. zwölf Jahre alt war Stefan Wiedmann damals, wurde als erster märkischer Adler nach Oberhof zum Sportgymnasium delegiert und stand viele Jahre als Leistungssportler auf den Brettern. Dann studierte er in Potsdam Sportmanagement, kam 2013 zurück nach Bad Freienwalde, wurde hauptberuflicher Landestrainer und 2019 sogar als bester Nachwuchstrainer Deutschlands in den Bereichen Spezialsprunglauf und Nordische Kombination ausgezeichnet. Mit seinen 31-Jahren ist er sozusagen ein „alter Skihase“ im 20-jährigen Bad Freienwalder Wintersportverein, dessen Wurzeln aber weitaus älter sind.

Im Wintersportverein 1923 trainieren Mädchen und Jungen im Skispringen und in der Nordischen Kombination. Trainiert werden sie von Stefan Wiedmann (l.)
Im Wintersportverein 1923 trainieren Mädchen und Jungen im Skispringen und in der Nordischen Kombination. Trainiert werden sie von Stefan Wiedmann (l.) © Sabine Rübensaat
Mädchenpower auf der Schanze: Minna, Mila, Karla und Anja (v. l.)
Mädchenpower auf der Schanze: Minna, Mila, Karla und Anja (v. l.). © Sabine Rübensaat

Skispringen in Bad Freienwalde: Tradition seit 2001 wiederbelebt

Dieter Bosse, Vorsitzender des Wintersportvereins 1923, hoch oben auf der Kurstadtschanze.
Dieter Bosse, Vorsitzender des Wintersportvereins 1923, hoch oben auf der Kurstadtschanze Bad Freienwalde. © Sabine Rübensaat

„Bereits 1923 war Brandenburgs älteste Kurstadt eine Hochburg des Wintersports“, erzählt Dieter Bosse, während wir den jungen Athleten bei ihren Sprungübungen zuschauen. Damals, so sagt er, sollen an so manchen Tagen bis zu 15.000 Besucher und Sonderzüge aus Berlin und Stettin in die Kurstadt gekommen sein, um zu rodeln und Schlittschuh zu laufen. Auch Langlauf und vor allem das Skispringen waren sehr populär. 1924 wurde am Papengrund auf einer aus Schnee gebauten Sprungschanze erstmals ein Skispringen ausgetragen, und Weiten von sechs bis neun Meter imponierten, heißt es in der Vereinschronik. Die Zeitungen berichteten sogar von einem „Märkischen St. Moritz.“ Und Stefan Wiedmann ergänzt, dass sich der Norweger Birger Ruud, Olympiasieger von 1932 und 1936, während seines Berliner Studiums in Bad Freienwalde in Form brachte. Und mit 40,5 Meter hält er den ewigen Rekord auf der damaligen 30-Meter-Schanze, die es wie auch andere Sportanlagen längst nicht mehr gibt. Denn Mitte der 1970er-Jahre kam der Skisport in Bad Freienwalde zum Erliegen – angeblich mangels Schnees. Die Anlagen wurden zurückgebaut, das Gelände wuchs zu. Doch das Feuer für den Skisport ist in der Kurstadt nie erloschen. Wie bei Dieter Bosse, der selbst auf der Pionierschanze in den 1960er-Jahren so manche Urkunde ersprang. So wagte er gemeinsam mit anderen verrückten Skihasen 2001 einen Neustart. Der alte Aufsprungshang wurde freigeschnitten und in nur wenigen Monaten wurden überwiegend in Eigenleistung zwei Naturschanzen aus dem Boden gestampft – mit thüringischer Unterstützung, wie Bosse immer wieder betont. Der Schmiedefelder Wintersportverein stellte Keramikspuren und Matten zur Verfügung und natürlich auch sein Fachwissen. Und schon am 4. November 2001 gab es die ersten Landesmeisterschaften im Skispringen und in der nordischen Kombination. „Das war nicht nur ein anspruchsvoller Wettbewerb, sondern auch ein wunderschönes Wintersportfest“, schwärmt der Vereinschef noch heute und alle Skeptiker werden seitdem eines Besseren belehrt.

Denn im Laufe der Jahre entwickelte sich Bad Freienwalde vor allem mit viel persönlichem Einsatz, aber auch mithilfe von Sponsoren und Fördermitteln Stück für Stück deutschlandweit und auch international zu einem anerkannten Skiort. Beispiel dafür ist nicht zuletzt die Tagung des Weltskiverbandes FIS 2005 in der Kurstadt. Und natürlich waren auch Skilegenden wie Jens Weisflog, Martin Schmidt und Helmut Recknagel, nach dem die 2008 erbaute 60-Meter-Schanze benannt ist, vor Ort. Insgesamt trumpft das Skispringen in Bad Freienwalde heute mit fünf Schanzen auf: einer 3er-, 10er-, 21er-, 42-er und der 60er-Schanze, sodass Mädchen und Jungen aller Altersgruppen trainieren können. Denn die Nachwuchsförderung ist der Anspruch des Wintersportvereins. Mit diesem Ziel wurden er 2001 und die Tradition des Wintersports wiederbelebt. Das passiert sogar länderübergreifend. Denn auch junge polnische Adler trainieren in Bad Freienwalde.

weitere zukunftsinvestitionen geplant

Und die tollkühnen märkischen Skihasen haben weitere „Höhenflüge“ vor Augen. So soll der Treppenturm der 60-Meter-Schanze einen Lift bekommen, ist doch der Aufstieg bis in 100 Meter Höhe für die Athleten sehr mühsam, aber durchaus auch unterhaltsam. Denn eine Ausstellung erzählt über die 20-jährige junge Wintersportgeschichte. Oben angekommen liegt uns eine traumhaft verschneite Berglandschaft zu Füßen, und Dieter Bosse schwärmt von den Plänen für eine große Eventarena, die aber nicht nur mit Ski-Wettkämpfen, sondern auch mit Konzerten, Theater und Ähnlichem Zuschauer anziehen soll. Als Modell gibt es diese Arena schon. „Mit interessierten politischen Partnern an der Seite und einem Sponsor mit dem nötigen Kleingeld könnte die Arena Wirklichkeit werden“, blickt Vereinschef Bosse optimistisch in die Zukunft und hofft zugleich, dass das 100-jährige Wintersportjubiläum 2023 mit den Jugendweltmeisterschaften gefeiert werden kann.

Mit viel Ehrgeiz dabei: die Nachwuchstalente Florian Fechner (l.).und Hotte Mahnke.
Mit viel Ehrgeiz beim Skispringen Bad Freienwalde dabei: die Nachwuchstalente Florian Fechner (l.).und Hotte Mahnke. © Sabine Rübensaat
Junger Skipringer in Brandenburg
Die neue Aufstiegshilfe („Der Zauberteppich“) ging rechtzeitig zu den diesjährigen Landesmeisterschaften im November in Betrieb. © Sabine Rübensaat

Doch zurück in die Gegenwart. Die Trainingsstunde ist schnell vorüber. Und dank des „Zauberteppichs“, der die Kinder nach dem Sprung mühelos wieder nach oben befördert, hat sich die Anzahl ihrer Sprünge erhöht, was wiederum beflügelt. Denn ehrgeizig sind sie alle und gespannt auf die Einschätzung des Trainers, der die Sprünge seiner Schützlinge mit dem Tablet festhält und sie dann gemeinsam mit ihnen auswertet. Nicht ganz zufrieden an diesem Tag ist Florian Fechner. Was nicht an seiner Leistung liegt, sondern daran, dass die 40er- und 60er-Jugendschanzen aufgrund des Schneefalls nicht genutzt werden können. Immerhin möchte der 12-Jährige, der schon mit fünf Jahren die ersten Sprünge wagte, weit hinaus wie seine Vorbilder Pius Paschke und Anze Lanisek. 68,5 Meter sei er schon gesprungen, erzählt er stolz. Aktuell führt er den Nord Cup des Deutschen Skiverbandes an und zählt zu den hoffnungsvollsten märkischen Adlern. Und wer weiß, vielleicht fliegt er mal ganz oben mit.

Dieses ganz große Ziel haben vielleicht nicht alle Mädchen und Jungen des Wintersportvereins 1923. Doch alle haben sie Spaß am Skispringen und am Zusammensein. Und nachdem die Skiausrüstung, die übrigens vom Verein gestellt wird, wieder ordentlich im Vereinshaus verstaut ist, lässt eine fröhliche Schneeballschlacht nicht lange auf sich warten.

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