Axel Böttcher am Holmer Graben: Das Gewässer fließt in den Dassower See.

Ostseelandwirt 2021: Höchstertrag und Honigbrache

Nach dem Gewinn des WWF-Umweltpreises „Ostseelandwirt 2021“erhält das Gut Groß Voigtshagen im Klützer Winkel viel Zuspruch. Der Betrieb investiert in eine nachhaltige Landwirtschaft mit Gewässerschutz.

Von Elke Ehlers
Fotos: Sabine Rübensaat (3), Elke Ehlers (4)

Ostseelandwirt Axel Böttcher steht noch ganz unter dem Eindruck der vielen Anrufe, die ihn in diesem Sommer erreichen. „Ich erhalte viel Zuspruch für unsere Arbeit“, freut sich der Betriebsleiter vom Gut Groß Voigtshagen im Landkreis Nordwestmecklenburg. Der Ackerbaubetrieb im Klützer Winkel war im August als nationaler Sieger im Wettbewerb um den „Ostseelandwirt des Jahres“ mit dem Baltic Sea Farmer Award 2021 ausgezeichnet worden. Die Naturschutz-Organisation WWF würdigt damit besonderes Engagement bei der Reduzierung des Nährstoffeintrags in die Ostsee.

(c) Matthias Lech

Bemerkenswertes Signal

Bienenweide: Mit einem Imker zusammengestellte Blühmischungen mit zwölf Komponenten bieten Insekten reichlich Nahrung.
Bienenweide: Mit einem Imker zusammengestellte Blühmischungen mit zwölf Komponenten bieten Insekten reichlich Nahrung. (c) Elke Ehlers

Viele Berufskollegen hätten sich gemeldet, berichtet Böttcher. „Sie finden es gut, dass durch den Preis Landwirtschaft positiv wahrgenommen wird. Und endlich einmal auch von Umweltschützern, die uns Bauern oft nur kritisch sehen.“ Dass der WWF – zum zweiten Mal in Folge – einen konventionell wirtschaftenden Betrieb aus Mecklenburg-Vorpommern auszeichnet, sei als „bemerkenswertes Signal“ aufgefasst worden. Es nährt in der Branche die Hoffnung, dass die Anstrengungen, die inzwischen viele Höfe zur Verringerung der Nitratbelastung, für Insektenfreundlichkeit und Biodiversität unternehmen, von der Gesellschaft anerkannt werden. Auch von seinen Verpächtern erhielt Gut Groß Voigtshagen positive Resonanz. „Schön, dass unser Land bei euch in guten Händen ist“, gaben sie dem Team um Axel Böttcher zu verstehen.

Als Böttcher vor knapp 20 Jahren an die Küste kam, ging er vor der ersten Herbstbestellung in die Luft – mit einem Rundflug über die Flächen des Gutes. „Aus der Vogelperspektive erkennt man viel mehr als aus der Fahrerkabine des Traktors“, weiß der Landwirt.

landwirtschaft und meeresschutz im einklang

Unterschiede in der Bodenbeschaffenheit werden sichtbar, Strukturprobleme im Acker, Mängel in der Drainage. Genaue Bodenkenntnis ist ihm wichtig, um passgenau düngen zu können – und damit Stickstoffeinträge in die Ostsee zu verhindern. „Wer ein Gewässer wie die Ostsee vor der Haustür hat, interessiert sich automatisch für den Meeresschutz“, meint der gebürtige Niedersachse. Schon lange arbeitet der Betrieb deshalb mit teilflächenspezifischer Düngung, zuvor wurde die Düngermenge je nach Bodenart und Bestandesdichte manuell variiert.

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Einst Landesdomäne

Gut Groß Voigtshagen gehört zur Stadt Dassow in Nordwestmecklenburg. Ab 1919 war das Gut Landesdomäne, zu DDR-Zeiten dann Volkseigenes Gut (VEG). Seit 2001 ist der Betrieb, der drei feste Stellen bietet, bis zu acht Teilzeit- und Saisonkräfte beschäftigt und konventionell 800 ha Acker und 287 ha Wald bewirtschaftet, im Besitz der Familie Graf Nesselrode. Die Eigner aus Nordrhein-Westfalen betreiben bei Bonn vor allem Forstwirtschaft und ein kleines Wasserkraftwerk. In Groß Siemz bei Schönberg erwarb die Familie 2018 einen weiteren Agrarbetrieb im Norden.

Erntehelfer Wilhelm Harder ist stolz, dass er den neuen Raupenschlepper fahren darf.
Erntehelfer Wilhelm Harder ist stolz, dass er den neuen Raupenschlepper fahren darf. (c) Elke Ehlers

Seit 2018 nutzt der Ackerbaubetrieb die Internetplattform Skyfld und satellitenbasierte Biomassekarten, die der Agrardienstleister ATR zur Verfügung stellt und wöchentlich aktualisiert. „Anfangs hat die technische Umsetzung nicht sicher genug funktioniert“, erinnert sich der 55-Jährige. „Es ist ja nicht so, dass man einen Stecker reinsteckt und alles passiert von alleine.“ Seit 2021 kann das Verfahren nun ganzflächig eingesetzt werden.

Der entscheidende Vorteil liegt darin, dass Teilflächen genauer lokalisiert werden können. Mithilfe der Karten kann der Fahrer auch nachts gut erkennen, wie er den Dünger ausbringen muss.

Ertragskraft ausschöpfen

Für Ostseelandwirt Böttcher bedeuten die neuen Verfahren: Er muss oft und lange am Computer sitzen. Und aus den Bildern, auf denen die Schläge verschiedenfarbig in Zonen eingeteilt sind, die richtigen Schlüsse ziehen. Denn Dünger, der durch Pflanzen in Ertrag umgesetzt wird, ist vor Auswaschung sicher.

Der Ackerbauer macht kein Geheimnis daraus, dass er auf jeder Fläche den höchstmöglichen Ertrag anstrebt. Seine Auffassung von verantwortlichem Wirtschaften: „Über maximale Nährstoffausnutzung die Ertragskraft des jeweiligen Standortes optimal ausschöpfen.“ Als Gegenleistung würden der Natur großzügig Flächen zur Verfügung gestellt – mit Honigbrachen, Blühstreifen und 20 m breiten Pufferstreifen an Fließgewässern und Söllen.

Derzeit baut der Betrieb Weizen, Raps, Gerste, Ackerbohnen, Silomais und Zwischenfrüchte an, künftig auch Hafer und Körnermais. „Zur Humusbildung lassen wir viel organische Substanz auf dem Acker“, sagt Böttcher. Groß Voigtshagen ist Pilotbetrieb für das CarboAgrar-Projekt, das auf Kohlendioxid-Speicherung im Boden zielt. Dass auf 135 ha versucht wird, über zehn Jahre den Humusgehalt des Ackers deutlich zu erhöhen, hat die Entscheidung der Jury positiv beeinflusst.


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Ostseelandwirt 2021: Spaten und Messsonde

Böttcher nennt weitere Kriterien, die für den verantwortungsvollen Umgang mit den Flächen sprechen. So wird mit Spaten und Messsonde vor dem Befahren die Bodenfeuchtigkeit ermittelt. Der Bodenschonung dienen Raupenketten am Mähdrescher und einem Schlepper, außerdem die „ewigen“ Fahrspuren, die der Betrieb seit zehn Jahren nutzt. „Der technische Fortschritt hilft uns enorm“, sagt der Landwirt. So testet er auch eine Mikroklima-Station im Getreide, die ihm die Daten aufs Handy sendet. In Zusammenarbeit mit Pflanzenschutzspezialisten soll so der Fungizideinsatz besser gesteuert werden.

WWF fördert „Landwirtschaft für Artenvielfalt“
Den Wettbewerb „Ostsee-Landwirt des Jahres“ rief der World Wide Fund For Nature (WWF) 2009 zusammen mit Bauernverbänden und dem schwedischen Kreditinstitut Swedbank ins Leben. 2021 wurde der Preis in den Ostsee-Anrainerstaaten ausgelobt, in Deutschland dürfen sich Betriebe aus Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern bewerben. In der nationalen Jury sitzen Umweltschützer, Vertreter aus Wissenschaft und Ökobranche sowie des Deutschen Bauernverbandes. Der nationale Sieger erhält 1.000 €, auf internationaler Ebene winken 10.000 €. Agrarwirtschaftlich engagiert ist der WWF seit 2012 auch im Projekt „Landwirtschaft für Artenvielfalt“, an dem sich in zehn Bundesländern über 150 Ökohöfe beteiligen.

Team sucht verstärkung

„Ohne unser technikbegeistertes Team wären solche innovativen Ansätze nicht umsetzbar“, weiß der Betriebsleiter. Erst kürzlich hat ein junger Mitarbeiter zusätzlich einen „Drohnenschein“ gemacht. Vielleicht könnten spezielle Aufnahmen künftig bei der Unkrautbekämpfung helfen.

Für sein Team der Festangestellten sucht Axel Böttcher Verstärkung. Wer sich eine berufliche Zukunft in diesem preisgekrönten Ackerbaubetrieb vorstellen könnte – gern melden.

Gutseigentümer Maximilian Graf von Nesselrode, dessen Familie das Gut seit 2001 gehört, ist stolz auf die Anerkennung der Umweltschutzorganisation. „Ich bin dankbar, dass es uns gelungen ist, das Wirtschaften in Groß Voigtshagen auf Nachhaltigkeit auszurichten“, betont der 41-Jährige, der am Stammsitz seiner Vorfahren in Herrnstein bei Bonn in 20. Generation vor allem Forstwirtschaft betreibt. Sein Credo lautet: „Wir müssen einander zuhören und gemeinsam nach den besten Lösungen suchen.“

„Da tut sich was“

Dieses Ziel verfolgt auch der WWF. „Wir wissen, dass viele Bauern Vorbehalte gegenüber Naturschützern haben“, sagt WWF-Agrarreferent Michael Berger. Am „Ostseelandwirt“-Wettbewerb hätten sich anfangs nur Biohöfe beteiligt, darunter das Ökogut Brook, ebenfalls in Nordwestmecklenburg, das 2013 den WWF-Preis erstmals nach Mecklenburg-Vorpommern holte. Mit der Agrargenossenschaft Bartelshagen I im Landkreis Vorpommern-Rügen gab es 2019 den ersten konventionell wirtschaftenden Sieger im Osten.

2021 hätten die Bewerbungen wiederum gezeigt, „dass auch große und konventionelle Betriebe Umweltschutz können“, bestätigt WWF-Mann Berger. „Da tut sich was.“

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