Ob Wochenmärkte ein Zukunfts- oder Auslaufmodell sind, hängt auch von engagierten Direkterzeugern aus der Region ab. Fest steht: Die Nachfrage der Kundschaft, die für hochwertige Produkte gutes Geld bezahlt, ist groß. (c) Helge von Giese

Wochenmarkt: Bei Wind und Wetter

Ob Wochenmärkte ein Zukunfts- oder Auslaufmodell sind, hängt auch von engagierten Direkterzeugern aus der Region ab. Fest steht: Die Nachfrage der Kundschaft, die für hochwertige Produkte gutes Geld bezahlt, ist groß.

Von Helge von Giese

Das Lebensgefühl eines Markthändlers gleicht dem eines Unternehmers in der Gastronomie: Wenn die anderen sich aufs Wochenende freuen, geht es für ihn erst so richtig los. Was ihn unterscheidet: Unter der Woche ist sein Arbeitspensum auch nicht geringer. Auch Durchhaltevermögen ist gefragt: Es geht um Präsenz auf dem Wochenmarkt, Woche für Woche, jahrelang, bei Wind und Wetter.

Biohof Zielke: „Immer am Abgrund entlang, aber bergauf“

„Wegen Geld gehen wir nicht arbeiten. Der Stundensatz ist böse“, sagt Biolandwirt Karl-Georg Zielke vom gleichnamigen Biohof aus Görlsdorf, Märkisch-Oderland. Und dennoch: Sohn und Schwiegertochter sind mit viel Fachwissen in den Betrieb eingestiegen. „Es motiviert mich, dass wir gemeinsam etwas bewegen“, sagt Zielke. „Immer am Abgrund entlang, aber bergauf.“

Unterwegs auf 5 Berliner Wochenmärkten

Seit 30 Jahren bewirtschaften Zielkes einen Biohof für Gemüse, Kräuter und Kartoffeln. Nach der Wende fing die Familie mit 2,5 ha Pachtland an. Heute bearbeitet sie im Familienbetrieb mit rund 20 Angestellten 25 ha, auf denen 40 Kulturen gedeihen.

Einen Großteil der Waren verkauft Familie Zielke am Samstag auf fünf Berliner Wochenmärkten und belädt dafür einen 18-Tonner randvoll. Manchmal muss noch ein 4,5-Tonner begleiten. Bis zu 30 Prozent ihres Sortiments kaufen sie zu. „Wenn man zu extrem ist, hängt dem Kunden das Angebot eines Tages zum Hals heraus. Das geht nicht. Aber wenn der Feldsalat durch ist, dann gibt es bei uns keinen Salat mehr. Auch Tomaten und Gurken verkaufen wir nur unsere eigenen.“

Bernd Schulz verkauft an drei  Tagen die Woche Backschwein.
Bernd Schulz verkauft an drei Tagen die Woche Backschwein. (c) Helge von Giese

Protokoll eines Wochenmarkttages

Gepackt wird am Freitag. Wenn es gut läuft, sind sie um 19 Uhr fertig. Dann macht Zielke die Preislisten fertig. Um 20 Uhr lenkt er seinen Lkw vom Hof. Rückt in Berlin den Verkaufsanhänger. Ist um Mitternacht mit seiner Arbeit durch und legt sich in seiner Schlafkabine zur Ruhe. Um 5.30 Uhr am Samstag schmeißt er den Lkw an und entlädt Schlag auf Schlag bis 10 Uhr die Waren auf fünf Wochenmärkten. Schaut im Anschluss beim Großhandel vorbei. Ab 14 Uhr baut er alles wieder ab. Um 20.30 Uhr ist Zielke zu Hause. Das Wochenende ist gelaufen. Und wenn er eines nicht ausstehen kann, dann ist es in Berlin eingeparkt zu werden.


BERLINS WOCHENMÄRKTE

Über 100 Wochenmärkte gibt es in der Hauptstadt. Da ist der beliebte Karl-August-Platz in Charlottenburg, wo sich der Händler, will er auf dem gut besuchten Samstagsmarkt stehen, sich zunächst auf der Mittwochsausgabe andienen muss.

Es gibt stark auf Gastronomie ausgerichtete wie der auf dem Arkonaplatz in Mitte und solche mit über 100 Ständen oder kleine mit nur einem Dutzend Ständen wie der Markt an der S-Bahn-Station Hermsdorf. Seit 2020 wird dieser Standort von der Deutschen Marktgilde wiederbelebt und ist auf gutem Kurs. Acht Jahre ruhte hier der Marktbetrieb.


Bernd Schulz: Backschwein aus dem Kofferraum

Bernd Schulz mit seiner mobilen Backschwein-Tenne – Kofferraum-klappe hoch, zwei Quadratmeter mit Equipment davorgebastelt – bezahlt dort 20 Euro Standgebühr und ist mit seinem Absatz sehr zufrieden. Bis zu 70 Portionen Backschwein à 8 Euro setzt er auf dem Hermsdorfer Markt ab. Dazu reicht er Sauerkraut und Hanfbrot.

Schulz ist ein Pionier der Schweine-Freilandhaltung im Bio-Bereich. Während seiner aktiven Zeit hat er geholfen, an 20 Standorten im In- und Ausland die Freilandhaltung mit aufzubauen. Diese Betriebe, zu denen er heute noch einen guten Kontakt pflegt, liefern ihm zu. Hauptsächlich bezieht er das Schweinefleisch von Anja Koch aus Gömnigk, an die er seinen eigenen Betrieb 2018 abgegeben hat.

Bernd Schulz ist der geborene Verkäufer. „Ich will zu den Kunden hin“, sagt er. „Aus jedem Verkauf resultieren neue Bestellungen. Ich bereite mich auf den Sommer vor. Die Leute wollen feiern.“ Vor sieben Jahren hat Schulz in der Markthalle 9 in Kreuzberg angefangen. Heute hat er in der Woche drei Verkaufstage.

Vanessa Giese vermarktet bis zu 1.400 Eier täglich
Vanessa Giese vermarktet bis zu 1.400 Eier täglich. (c) Helge von Giese

Familie Giese: Vom Spargel zu Legehennen

Oft sind es Direkterzeuger aus dem Bio-Bereich, die im Wochenmarkt Potenzial sehen, doch auch Betriebe aus konventioneller Landwirtschaft sind vertreten. Über 20 Jahre war der Spargelhof Giese aus Tempelfelde mit Spargel und Erdbeeren auf den Wochenmärkten in Eberswalde und Bernau präsent.

Mobile Hühnerhaltung mit bald 2.000 Hühnern

Von 500 ha bewirtschafteten Jürgen und Tanja Giese 15 ha mit Sonderkulturen. Spargel wurde zum Aushängeschild. Doch der Betrieb ist im Wandel. Jürgen Giese war die 24-Stunden-Betreuung seiner Saisonarbeitskräfte leid. Die Coronamaßnahmen zum Schutz der Verkäuferin im Hofladen wurden von den Kunden nicht akzeptiert. Familie Giese stellte auf mobile Hühnerhaltung mit 1.450 Hühnern um. Nächstes Jahr werden es über 2.000 sein, denn Familie Giese hat jetzt schon zu wenig Eier. Der Ab-Hof- und Marktverkauf laufen gut.

Eier, Honig, Kartoffeln und Wildfleisch vom Wochenmarkt

Tochter Vanessa, 24 Jahre alt, ist wie Bruder Louis in den elterlichen Betrieb eingestiegen und für den Verkauf zuständig. Sie lenkt den Marktwagen auf vier Wochenmärkte und verkauft an einem starken Tag in Eberswalde bis zu 1.400 Eier. Bis zu 200 Kunden kommen vorbei. Sie nehmen gern auch ein Glas Honig aus Jürgen Gieses Imkerei mit oder ein küchenfertig zugeschnittenes Stück Wildfleisch. An die 160 Stücken kommen im Jahr über Eigenjagd und Pachtflächen zusammen, vornehmlich Schwarz- und Rehwild, erlegt von Begehungsscheininhabern, denen Familie Giese die Infrastruktur mit Wildkammer und Zerlegungsstrecke zur Verfügung stellt.
Bereichert wird das Sortiment des Wochenmarktes von Kartoffeln eines befreundeten Betriebes und Obst und Gemüse vom Großmarkt so-wie Sauerkraut aus dem Spreewald.

Schon immer war der Betrieb von Gieses breit aufgestellt, ihr Maschinenpark ausgefeilt. Sie bieten Lohnarbeit an und beschicken den Winterdienst für die Stiftung Lobetal. Der Kontakt mit den Kunden im Direktverkauf ist ihnen dennoch wichtig. Er ist vor allem auch ein Betriebsbereich, mit dem sich Tochter Vanessa identifizieren kann.

Tipps vom Experten zum Verkauf auf dem Wochenmarkt

Zum Verkauf auf dem Wochenmarkt gehört das richtige Gefährt. Wolf-Dietrich Hildebrandt von Vosch Verkaufsfahrzeuge aus Hohen Neuendorf findet seit 30 Jahren pragmatische Lösungen für seine Kundschaft. Das sind seine Tipps:

■ Mit einem tage- oder monatsweise geliehenen Verkaufsfahrzeug ist man flexibler in der Entwicklung seines Verkaufs- und Logistikkonzepts.
■ Das perfekte Anfängermodell: Ein Verkaufsanhänger ist pflegeleichter in der Wartung als ein Marktwagen/-mobil.
■ Bei Preisen unter 5.000 Euro für gebrauchte Verkaufsanhänger auf dem freien Markt ist Vorsicht geboten. Ab 8.000 Euro aufwärts wird es
reell.
■ Bei Marktwagen/-mobilen bis 3,5 t zulässiges Gesamtgewicht (Führerschein B) beachten. Je größer der Verkaufsaufbau, desto weniger
Zuladung ist erlaubt, insbesondere bei Kühlthekenverkaufsmobilen.
■ Verkaufsanhänger und Versicherungen, vor allem im Vollkaskobereich, sind ein Thema für sich. Die Beitragsspanne geht von 1.000 bis 3.000
€/Jahr.
■ Gute Verkäufer sind rar. Gute Verkäufer, die gut fahren können, erst recht. Rangieren im Stadtverkehr. Fahren mit hoher Traglast.
■ Wer im Wagen Nahrungsmittel zubereiten will (Imbiss), braucht eine Innenhöhe von 2,3 m.
■ Ein Verkaufsfahrzeug ist ein Verkaufsuniversum, das nicht nur funktional, sondern auch optisch zum Verkaufskonzept passen sollte.
■ Maximal 2,5 m Breite eines Verkaufsfahrzeugs sind möglich, wenn in schmalen Straßen rangiert werden muss.