Je urbaner der Markt, desto besser ist wahrscheinlich das Absatzpotenzial. (c) MAGO/MÜLLER-STAUFENBERG

Wochenmärkte: Gegenkultur mit Alltagswürze

Berlin hat über 100 Wochenmärkte. Rund ein Viertel verwalten die Bezirksämter. Und der Rest? Wird von einer Handvoll Unternehmern entwickelt. Nikolaus Fink ist einer von ihnen.

Die Fragen stellte Helge Von Giese

Herr Fink, wie entwickelt man einen erfolgreichen Wochenmarkt?
Das Profil eines Marktes ist wichtig und dass man mit dem Händlermix genau die Zielgruppe erreicht. Als Marktplaner wissen wir genau, welche Art Stände wir benötigen. Wenn ich mich für einen neuen Standort interessiere, schaue ich mir die Gegend genau an, denn manchmal ist die Affinität der Kunden nicht da oder es ist nicht genügend Kaufkraft vorhanden. Dann bekommt man Regionalität nicht platziert, weil solche Waren teurer sind als die billige Handelsware.

Regional muss also das Angebot sein? Nicht einmal Bio?
Das kommt ganz darauf an. Die Erfahrungswerte für unseren Wochenmarkt in Rudow zeigen: Qualität kauft der Rudower gerne, Regionalität erst recht. Die Bionachfrage entwickelt sich hier aber vergleichsweise langsamer. In der Innenstadtlage wird dann wieder mehr Bio nachgefragt. Mit Regionalität ist es so eine Sache. Da ist viel verwässert, weil der Begriff nicht geschützt ist. Mit der Zeit findet der Kunde das heraus, denn er ist kritisch. Er geht ins Gespräch, diskutiert, will auch mal ein Foto vom Herstellungsbetrieb sehen. Am Ende steht dann Vertrauen, das mit der Zeit immer weiter wächst.

 Nikolaus Fink
Nikolaus Fink ist Inhaber des Unternehmens diemarktplaner in Berlin. (c) Christian Kielmann

Sie haben zwölf Märkte, hauptsächlich in Neukölln, entwickelt. Neuerdings orientieren Sie sich mehr in Richtung Westen. Ist dort mehr Potenzial?
Es gibt einen Run auf die Innenstadt: Je urbaner, umso größer die Wahrscheinlichkeit, dass ein Markt funktioniert. In der Peripherie gibt es einzelne, interessante Standorte, aber in der Regel gibt es dort über das Jahr zu wenig Kundschaft. In Neukölln haben wir ein Nord-Süd-Gefälle. Im Norden könnten wir deutlich mehr Händler platzieren. Aber es gibt auch am Rand Berlins Top-Plätze und schlechte Märkte in der Innenstadt: Der John F. Kennedy-Platz ist in 20 Jahren von über 100 Ständen auf eine Handvoll Stände geschrumpft.

Einige der Top-Märkte in Stadtteilen wie Charlottenburg und Schöneberg, die von der Stadt verwaltet werden, sind sehr lukrativ, viele aber auch nicht. So können die Bezirke eine Mischkalkulation fahren. Die schlechten Standorte werden so besser erhalten.

Müssen Sie sich um die Händler bemühen oder bewerben sich die Händler bei Ihnen?
Es gibt immer weniger Händler und die Konkurrenz der Bestandsmärkte um die Händlerschaft wird immer größer. Sobald jemand Neues auf unserem Markt auftaucht, stehen andere Betreiber parat, um die Händler für sich zu gewinnen. Wir selbst haben neben Top-Standorten auch schwierige Märkte. Für dort suchen wir Händler proaktiv und gewähren auch mal einen Startrabatt. Andererseits ist die Auswahlmöglichkeit für Händler, auf wirklich gute Standorte zu kommen, schwer. Auf unserer Homepage haben wir ein PDF, mit dem man sich bewerben kann. Oft wählen wir nach mit gereichten Standfotos aus.

Was kostet ein Meter Standgebühr?
Das ist standortabhängig und richtet sich nach dem Umsatzpotenzial. Auf dem Südstern zum Beispiel ist die Nachfrage größer als der zur Verfügung stehende Platz. Dort sind wir jetzt bei 9 Euro für den Meter. Eine drei Meter lange Marktbude, die man ausleihen kann und oft für den Händler eine gute Lösung ist, kostet 12,50 Euro am Tag.

Übrigens: Saisonhändler, die nur für wenige Monate kommen wollen, nehmen wir nur in Ausnahmefällen auf. Da baue ich eine Schutzwirkung für meine treuen Ganzjahreshändler auf, die auch im Frühjahr mit ihren Saisonartikeln wie alle anderen gutes Geld verdienen sollen.

Sie kommen aus Köln, haben in Baden-Württemberg Landwirtschaft gelernt, in Berlin Landschaftsplanung studiert und entwickeln seit 2002 Märkte. Können Sie einen Vergleich ziehen?
Der Riehler Markt in Köln hat 60 bis 70 Prozent regionale Händler. Solche Größenordnungen an Regionalität bekommt man in Berlin nicht hin. Bis zur Wende war Berlin eingeschlossen. Die Brandenburger Landwirtschaft ist durch die DDR-Zeit geprägt von großen Feldern. In den letzten 30 Jahren haben sich auch kleinere Betriebe gebildet. Das ist ein zwar wachsender, aber verschwindend geringer Teil. Die Arbeit für regionale Direktvermarkter ist extrem hart – liegt sicher auch an den geringen Bodenqualitäten.

In anderen Regionen haben die Kunden einen traditionell viel größeren Bezug zum regionalen Händler. Deren natürlich gewachsene Stadt-Umland-Beziehung wird Berlin in dieser Ausprägung nicht mehr aufholen.

Das klingt ein bisschen desillusioniert. Was motiviert Sie?
Ich nenne es „das Berlinphänomen“. Vor gut 20 Jahren hatte Berlin ein echtes Qualitätsproblem. Ich empfand es damals vom Bodensee kommend als kulinarische Wüste. Mittlerweile sind Kulinarik, Regionalität und der Sinn für Qualitätsprodukte auf dem Vormarsch. Aber Berlin ist auch stressig, schnell, ungerecht. Der Wochenmarkt ist für mich eine Gegenkultur mit Alltagswürze. Wenn man frühmorgens aufbaut und Berlin noch schläft, hat man seine Freiheit – fast wie auf dem Land. Der Strom fällt aus, der Wind fegt über den Platz – dann hilft man sich. Das schweißt zusammen. Wenn der Kunde auf den Markt kommt, spürt er diesen Zusammenhalt, den besonderen Spirit. Das bekommt er nirgendwo sonst, schon gar nicht im Supermarkt. Meine Motivation ist: Gemeinsam mit den Händlern viele glückliche Kunden einkaufen zu sehen, dann verspürt man selbst ein tiefes Zufriedenheitsgefühl.