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Unerwartet klarer Ruf vom Gipfel

Beim EU-Gipfel schauten alle auf das Wiederaufbauprogramm. Dabei ging fast unter, dass in Brüssel auch das EU-Budget für die nächsten sieben Jahre verhandelt wurde, inklusive des Haushaltes für die nächste Phase der Gemeinsamen Agrarpolitik. Für die Landwirtschaft im Ostdeutschland sind vor allem zwei Dinge wichtig.

Es kommentiert Ralf Stephan

Der zweitlängste EU-Gipfel aller Zeiten brachte eine Einigung mit sich, die nicht unbedingt zu erwarten war. Zwar ruhten seit Längerem alle Hoffnungen auf der deutschen Ratspräsidentschaft und somit auf dem Einfluss und dem Geschick der Bundeskanzlerin. Doch Angela Merkel selbst hängte vor dem Gipfel die Erwartungen tief. Es war längst nicht klar, dass sich die Staats- und Regierungschefinnen und -chefs der EU-27 schon jetzt auf den nächsten Finanzrahmen verständigen.

Von Brexit bis Corona

Immerhin fehlte erstmals der wichtige Nettozahler Großbritannien. Die EU-Kommission hatte bei ihrem Amtsantritt mit dem Green Deal zudem eine neue Strategie verkündet, die frisches Geld, zumindest aber spürbare Umschichtungen im gemeinsamen Haushalt erfordert. Und dann kam auch noch Corona – das Virus, das die gesamte Wirtschaft ins Krankenbett schickte.

Die meisten Medien konzentrierten sich in ihren Berichten vom Gipfel auf die Frage, wie das angekündigte Wiederaufbauprogramm im Detail aussehen wird. Dabei ging fast unter, dass man hauptsächlich zusammengekommen war, um das ausstehende EU-Budget für die nächsten sieben Jahre zu beschließen. Und den wenigsten war bewusst, dass daran auch der Haushalt für die kommende Phase der Gemeinsamen Agrarpolitik hängt.

Weniger Direktzahlungen für Landwirte

In der Höhe des Agrarbudgets folgte der Europäische Rat im Wesentlichen dem, was die EU-Kommission zuletzt vorgelegt hatte. Angesichts der angestrebten Umschichtungen und Einsparungen werden Landwirte in Deutschland weniger Direktzahlungen erhalten. Zu erwarten ist ein Minus von etwas über zwei Prozent.

Neu, weil von der Kommission so nicht vorgeschlagen, ist das Entgegenkommen an die ost- und südosteuropäischen Landwirte. Ab 2022 sollen die Direktzahlungen nämlich in allen EU-Staaten mindestens 200 Euro je Hektar betragen, ab 2027 mindestens 215. Umverteilt werden soll von den Mitgliedstaaten mit höheren Zahlungen.

Deutlich vergrößert hat der Gipfel die Möglichkeiten, Mittel aus der Ersten in die Zweite Säule umzuverteilen. Zugunsten umwelt- und klimapolitischer Ziele sollen bis zu 40 % umgewidmet werden dürfen. Was die Beschlüsse mit ihren Kürzungen hier und Aufstockungen da im Detail bedeuten, ist noch nicht endgültig einzuschätzen.

Zwei Dinge aber sind für den Osten wichtig: Erstens wird es keine verpflichtende Kappung der Direktzahlungen geben. Die Mitgliedstaaten können dies ab 100.000 Euro pro Empfänger tun, müssen jedoch Arbeitskosten gegenrechnen. Zweitens hat sich die Bundesrepublik aus dem Extratopf für besondere strukturpolitische Herausforderungen 650 Millionen Euro gesichert, wovon das meiste zur Stärkung des ländlichen Raumes in die ostdeutschen Länder fließen wird.

Neuer Markt für Umwelt- und Klimaschutzleistungen?

Ein erstes Fazit des Deutschen Bauernverbandes lautet: Gut, dass es jetzt eine Planungsgrundlage gibt – nicht gut, dass sich noch mehr Freiräume für nationale Sonderwege öffnen, was zu weiteren Wettbewerbsverzerrungen führen kann. Darüber hinaus verstärkt sich ein bekannter Trend: Es gibt immer weniger Geld. Für das Billionen-Hilfspaket wird die EU erstmals Kredite aufnehmen, die sie später bedienen muss. Was aus Brüssel noch kommt, fließt tendenziell immer seltener in die landwirtschaftliche Urproduktion.

Das Signal an die Betriebsleiter bedeutet also zweierlei: Einerseits gilt es, Nahrungsmittel und Rohstoffe so effizient wie möglich zu erzeugen, um unabhängiger von Direktzahlungen zu werden; andererseits scheint ein neuer Markt für Umwelt- und Klimaschutzleistungen zu entstehen. Ob er Einkommen abwirft, wird auch davon abhängen, wie die nationale Politik diesen Ruf versteht.