Rissgutachter Uwe Müller, hier 2018 beim Einsatz im Jonastal bei Ohrdruf, warf 2019 das Handtuch und kündigte beim Thüringer Landesumweltamt. Die nachfolgenden Gutachter müssen sich ein Vertrauen, wie es Müller einst genoss, zum Teil noch erarbeiten. (c) Imago: IMAGO/Steve Bauerschmid

Rissgutachter: fehlerfrei und qualifiziert

Das Umweltministerium in Erfurt weist erneut Vorwürfe zur mangelnden Professionalität der Rissbegutachtung zurück. Weidetierhalter aus der Rhön üben seit Sommer Kritik an der Thüringer Praxis.

Von Frank Hartmann

Nahezu zeitgleich mit der Meldung über ein neues standorttreues Wolfspaar in Nordthüringen, hat das Umweltministerium in Erfurt Vorwürfen von Weidetierhaltern widersprochen. Seit dem Sommer äußerten Landwirte in der Rhön Zweifel an der Professionalität der Rissbegutachtung durch das Kompetenzzentrum Wolf/Biber/Luchs.

Ministerium: „Einwandfreie“ Rissgutachten

In der Antwort auf eine Kleine Anfrage des CDU-Abgeordneten Marcus Malsch stellt das Umweltministerium jetzt heraus, dass etwa der Vorwurf, DNA-Proben seien durch amtliche Rissgutachter unsteril entnommen worden, nicht den Tatsachen entspräche. Zudem könne auf die Sicherstellung von Probenmaterial verzichtet werden, „wenn ein Riss durch einen Wolf mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann oder wenn eine Probennahme aufgrund des Kadaverzustands nicht mehr sinnvoll erscheint“.

Das „einwandfreie“ Vorgehen der freistaatlichen Rissgutachter kann offenbar nicht zur Verunsicherung von Weidetierhaltern beitragen. „Ob durch die Berichterstattung Weidetierhalter verunsichert worden sind“, sei der Landesregierung nicht bekannt, heißt es in der Antwort.

Neues Wolfspaar
In Nordthüringen gibt es nunmehr ein standorttreues Wolfspaar. Dessen Revier im Südharz wird im Wolfsmonitoring künftig mit „Ilfeld“ bezeichnet. Somit zählt Thüringen jetzt sieben Wölfe:

Neben den beiden Einzeltieren in der Rhön sind das laut Umweltministerium noch drei Tiere in Ohrdruf. Dabei handelt es sich um einen erwachsenen Rüden, der mit der bekannten Ohrdrufer Wölfin ein Rudel gründete. Derzeit geht man davon aus, dass aus dem 2020er-Wurf noch eine Jährlingsfähe und ein -rüde im Ohrdrufer Territorium leben. Die Wölfin habe 2021 nicht mehr nachgewiesen werden können.

Unklar, ob Rissmeldungen unterbleiben

Ob der Verdruss dazu geführt habe, dass Weidetierhalter Schäden nicht mehr melden, darüber lägen dem Ministerium „keine konkreten Kenntnisse“ vor. Da ein Verzicht auf Meldung und Untersuchung des Tieres ein Verzicht auf eine mögliche Entschädigung bedeute, sei „eine solche Vorgehensweise unerklärlich“. Den Angaben zufolge sind im Umweltministerium derzeit vier Schadensgutachter tätig. Drei Angestellte des Ministeriums befänden sich in der Ausbildung.

Schulung zum Umgang bei Konflikten

Ein Schulungsprogramm, das in den relevanten Thüringer Fachbehörden und dem Wolfkompetenzzentrum Sachsen-Anhalt absolviert wird, stelle die fortlaufende Vermittlung neuer Fachkenntnisse in den Vordergrund. In diesem Jahr sollte noch eine Fortbildung zu Deeskalationstechniken stattfinden, um in Konfliktsituationen reagieren zu können. Bei der Rissbegutachtung würden die Mitarbeiter nach den Ausbildungs- und Schulungsinhalten verfahren. Für die Begutachtung, die in der Regel am Tag der Schadensmeldung erfolge, gibt es danach keinen speziellen ministeriellen Leitfaden.


Ein Wolf im Profil
© Margit Völtz /Pixelio

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Großprojekt zum Herdenschutz

Im laufenden Jahr gibt es in Thüringen keinen amtlich festgestellten Wolfsriss. Neben den Schutzmaßnahmen der Weidetierhalter habe insbesondere das Pilotprojekt „Fachstelle Herdenschutzhunde Thüringen“ dazu beigetragen. Etabliert wurde es im Wolfsgebiet um Ohrdruf. Hier hatte die Wölfin nachweislich gelernt, Schutzzäune zu überwinden. Eine Abschussgenehmigung kassierten die Verwaltungsgerichte.
Im Rahmen des Modellprojektes wurden professionelle Schäfer der Region mit Herdenschutzhunden und Festpferchen ausgestattet. Knapp 860.000 Euro stehen bis Ende 2022 zur Verfügung. Derzeit, so heißt es in der Antwort auf die Kleine Anfrage, seien „sechs Personen in unterschiedlichen Teilzeitanteilen im Projekt beschäftigt“.

Umweltminister beschließen Praxisleitfaden zu Problemwölfen und Rissgutachten

Einen Praxisleitfaden für die Entnahme von „Problemwölfen“ nach Nutztierrissen haben die Umweltminister von Bund und Ländern auf ihrer jüngsten Konferenz (UMK) beschlossen. Der von einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe erarbeitete Leitfaden sei noch vor Beginn der digital abgehaltenen Konferenz einstimmig angenommen worden, teilte das ausrichtende Umweltministerium Mecklenburg-Vorpommerns mit. Er gebe klar und rechtssicher vor, unter welchen Voraussetzungen ein Wolf getötet werden dürfe. Damit sei der Praxisleitfaden vor allem für die zuständigen Behörden eine wichtige Hilfestellung beim Umgang mit dieser durch Europarecht streng geschützten Art.

Auch betroffene Tierhalter können sich nun auf ein Papier berufen, das unter anderem das Vorgehen im Falle eines Nutztierrisses transparent und bundesweit einheitlich regelt, hieß es dazu aus Schwerin.

Betroffenen Tierhaltern geht dies nicht weit genug. Sie sehe mit Sorge, dass sich die Länder nun auf den Praxisleitfaden verständigt hätten, ohne ihn noch einmal wesentlich zu überarbeiten, kommentierte die Vorsitzende des Landesschaf- und Ziegenzuchtverbandes MV, Susanne Petersen, den UMK-Beschluss. „Dieses sehr umfangreiche Schriftstück macht es so kompliziert, im Fall von Übergriffen Abhilfe zu schaffen, dass auch weiterhin bekanntermaßen übergriffige Wölfe Weidetiere reißen werden und ihren Nachkommen beibringen, wie das geht“, kritisiert die Schafhalterin. Im Sinne der angestrebten Koexistenz von Wolf und Weidetierhaltung sei das „unerträglich und völlig unverständlich“. red


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