Zur Einweihung des neuen Lagers am 1. Oktober kamen Gäste aus verschiedenen Bereichen des Ökolandbaus. (c) FÖL

Familienbetrieb setzt auf Biokartoffeln

Der ökologische Familienbetrieb von Familie Klass im Landkreis Teltow-Fläming hat vor kurzem eine Scheune zum Lager für Biokartoffeln umgebaut. Dort glaubt man an die Zukunft der Knollen. Doch liegen sie damit im Trend?

Von Heike Mildner

Dreißig Jahre mussten vergehen, um die Einsicht reifen zu lassen, dass Lebensmittel nicht besser werden, wenn man sie quer durch Deutschland transportiert. Mittlerweile sind in Berlin Obst und Gemüse aus Brandenburg wieder gefragt, doch muss nach der Einsicht erst einmal die Infrastruktur nachwachsen – und Produzenten, die jung und/oder stark genug sind, von der Nachwendeablehnung keine bleibenden seelischen Schäden davongetragen zu haben.

Sebastian Klass (24) ist einer von ihnen. Im Trebbiner Ortsteil Wiesenhagen (Landkreis Teltow-Fläming) wohnt er mit Frau, zwei Kindern, Schwester und Eltern auf dem Hof seinen Großvaters, bewirtschaftet mit seinem Vater Heinz-Günther 120 ha Acker- und 40 ha Grünland nach Bioland-Richtlinien, hält 90 Legehennen und verkauft die Produkte im Hofladen. Vor Kurzem wurde die Scheune hinter dem Wohnhaus zum Kühllager für Kartoffeln umgebaut. Eine Investition, die deutlich die Richtung anzeigt, in die sich der Familienbetrieb entwickeln soll.

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Sebastians Großvater war Bauer in Teltow und hatte sich angesichts der Verstädterung des expandierenden Berliner Speckgürtels nach einem neuen Hof in ländlicherer Gegend umgesehen. In Wiesenhagen war er fündig geworden. Die Bestimmungen nach dem Zweiten Weltkrieg hätten aber die Inbetriebnahme des Hofes nicht mehr zugelassen, erzählt Sebastian Klass.

Kurz vorm Mauerbau ging der Großvater in den Westen und kontrollierte fortan in Esslingen am Neckar für Hengstenberg die Qualität der Kohllieferungen. Den Wiesenhagener Hof überschrieb er seinem Sohn Heinz-Günther. Der tourte durch die halbe Welt, lebte acht Jahre in Australien und kam von dort mit seiner Frau zurück, um sich 1992 in Wiesenhagen auf seinem Erbe einzurichten.

Heinz-Günther Klass setzte auf Freilandschweinhaltung mit rund 300, zu Spitzenzeiten 500 Sauen auf über 20 Hektar. Ein Konzept, das aus verschiedenen Gründen letztlich aufgegeben wurde. Den extensiven Biogetreideanbau, der zuletzt auf dem Markt auch nicht mehr die gewünschten und existenzerhaltenden Erlöse brachte, ergänzt Sohn Sebastian seit 2016/17 durch den Einstieg in den Kartoffelanbau: eine direkte Folge seiner Ausbildung.

Sebastian Klass begann nach dem Abi eine verkürzte Ausbildung auf dem Biohof Eilte im niedersächsischen Ahlden und lernte dort auch den Kartoffel- und Zwiebelanbau kennen. Nach einem Jahr Agrarwissenschaftsstudium bei Weihenstephan in München zog es ihn zurück zur Praxis: 2016 beendete er seine Lehre, ging zurück auf den elterlichen Hof und ist seit 2018 Landwirtschaftsmeister.

Bauernfamilie Klass (v. l.): Matilda, Heinz-Günther, Sebastian, Friedrich, Kristin, Mutter Rosslyn und Schwester Luise Grace. (c) Heike Mildner

Einstieg in den Kartoffelanbau

2016/17 habe er die Fruchtfolge partiell auf die Knollen ausgerichtet und 2018 erstmals Kartoffeln angebaut, erzählt Sebastian Klass. Ausgerechnet im Dürrejahr bei durchschnittlich 23 Bodenpunkten! Beregnung musste her, wenn auch zunächst nur provisorisch. Der Ertrag lag bei 150 dt/ha und konnte nicht zufriedenstellen.

In diesem Jahr bauten Klass’ auf 2,7 ha neun Sorten Kartoffeln an: eine hofeigene Sortenprüfung von Linda und Belana, Solist, Annabelle, Glorietta, Adretta und Lunarossa. Und sie investierten in eine Tröpfchenbewässerung. Rund 18 km Schläuche mussten erst verlegt und nach der Ernte wieder entfernt werden. Ein immenser Arbeitssaufwand, aber der vorhandene Brunnen lässt mit zehn Kubikmeter Wasser pro Stunde keine andere sinnvolle Bewässerung zu.

„Für die Kartoffeln war die Tröpfchenbewässerung allerdings Luxus“, sagt Sebastian Klass. Von den Belana hat er 350 dt/ha geerntet, von der Linda 400 dt/ha. Für 2020 hat Klass vier Hektar für den Kartoffelanbau vorbereitet. Wenn die Direktvermarktung im Winter gut läuft, wird er sie voll nutzen – jetzt, wo das Lager fertig ist.
Die Kosten gering zu halten und den Betrieb dennoch zu entwickeln, ist eine Kunst, die Klass mit dem Kartoffellager offenbar gelungen ist.

Als Praxispartner des Projekts der Europäischen Innovationspartnerschaft (EIP) „Regionales Bio-Gemüse aus Brandenburg“, das die Fördergemeinschaft Ökologischer Landbau Berlin-Brandenburg (FÖL) angeschoben hatte, bekam er mit Reinhard Bade einen guten Berater an die Seite. Der Fachmann aus Niedersachsen wusste, woher man Technik bekommt und wie die alte Scheune effizient gedämmt werden kann. Die gebrauchte Kühlanlage arbeitet effizient mit technisch gekühlter Luft mittels Kältekompressor und Verdampfer oder mit Außenluft und regelt automatisch Temperatur und Luftfeuchtigkeit.

Kartoffeln Kostengünstig lagern

Klass’ entschieden sich zudem für eine Sprühdämmung aus Polyurethan (PU), die in den Niederlanden sehr verbreitet ist. Die notwendige Zwischendecke besteht aus einem Netz, das von unten mit PU-Schaum beschichtet wurde. Auf den Balken liegen Bohlen, von denen man später das Dachgeschoss ausbauen kann. „Die holländische Firma hat alles mitgebracht: die Fässer mit den zwei Komponenten, Kompressor, Gerüst… In zehn Stunden war alles ausgesprüht und gehärtet“, berichtet Klass. Inklusive neuem Rolltor, der gebrauchten Kühlanlage, und einer neuen Notausgangstür beläuft sich die Investition in das Kartoffellager für 100 t auf insgesamt rund 30.000 Euro.

Im vergangenen Jahr hat Sebastian Klass gebraucht und günstig eine kleine, gebrauchte Kartoffelsortierstrecke bekommen, im nächsten Jahr soll ein Roder angeschafft werden. Dass es Fördermittel nur  für fabrikneue Technik gibt, findet  er schade. Er müsse flexibel sein und wolle keine Schulden anhäufen, so Klass. Schließlich hat man als Landwirt nicht alles in der Hand. Klass denkt ans Klima: „Dass wir hier bewässern müssen, ist klar. Wir haben momentan nur einen kleinen Brunnen, müssen aber sukzessive alle Flächen bewässern“, sagt der 24-Jährige. „Entscheidend wird sein, wie das Land die Wasserrechte vergibt. Wenn die Wasserentnahme blockiert wird, funktioniert der Anbau hier nicht mehr.“