Gemeinsam stellten Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (l.) und Dr. Burkhard Schmied (r.), Leiter der Abteilung Landwirtschaftliche Erzeugung, Gartenbau, Agrarpolitik des BMEL, das Zukunftsprogramm Pflanzenschutz vor. (c) Jeremy Deane

Zukunftsprogramm Pflanzenschutz: Özdemir will starke Reduktion

Eine drastische Mengenreduzierung beim Einsatz von Pflanzenschutzmitteln, Förderung der biologischen Bekämpfung und Reformen des Pflanzenschutzgesetztes plant Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir mit dem jetzt vorgestellten „Zukunftsprogramm Pflanzenschutz“.

Von Jeremy Deane

Deutliche Reduktionen beim Einsatz von Pflanzenschutzmitteln strebt Özdemir mit dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) an. Das Programm solle stärker auf ein Miteinander statt auf ein Gegeneinander setzen, so der Minister. Das zeige sich daran, dass das Strategiepapier kaum ordnungsrechtliche Ansätze enthalte. Stattdessen sollen Anreize die Landwirte dazu bringen, freiwillig den Mitteleinsatz zu reduzieren. Auch der Einsatz alternativer Methoden anstelle konventioneller Wirkstoffe soll erleichtert werden. Bezugszeitraum für das Reduktionsziel sind die Jahre 2011 bis 2013. Damit würden die bisherigen Anstrengungen bereits in die Bilanz einfließen.

Die Ziele zusammengefasst

Die wichtigsten Ziele der Strategie sind die Förderung von Innovation, Kooperation und Alternativen.

  1. Im Bereich der Innovation bedeutet dies die Stärkung von Forschung, Beratung und Erprobung neuer pflanzenschutzmittelarmer Anbausysteme und modernster Technik.
  2. Unter Kooperation möchte das BMEL Landwirtschaft und Naturschutz näher zusammenbringen. Indem bspw. gezielt Maßnahmen aus der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) genutzt werden, um Schutzgebiete und Rückzugflächen zu schaffen und zu schützen.
  3. In Punkto Alternativen möchte das Ministerium die Verfügbarkeit von risikoarmen Produkten erhöhen und Indikationslücken schließen. Des Weiteren soll die Pflanzenschutzmittelzulassung überarbeitet werden. Außerdem soll die Forschung zum biologischen Pflanzenschutz verstärkt werden.

„Kooperation statt Gebote“

Cem Özdemir betonte, dass es nicht um ein generelles Verbot des Pflanzenschutz gehe: „Selbstverständlich sollen unsere Landwirtinnen und Landwirte auch künftig ihre Pflanzen schützen und behandeln können, wenn das nötig ist. Erfolgreich sind wir nur, wenn wir Nachhaltigkeit und Erträge sowie Einkommenssicherung zusammendenken“. Und fügte an, dass die „menschengemachte Klimakrise uns vor Aufgaben stelle, die ohne Pflanzenschutzmittel nicht mehr zu bewältigen sind“.

Trotzdem gebe es Konflikte zwischen Anwendungen und dem Schutz der Biodiversität. Das Artensterben zeige, dass es ein Spannungsfeld gebe, dem man nicht mit einem „Weiter so“ begegnen könne. Deshalb sei das Ziel, dass auf den Anbauflächen im Durchschnitt 50 % weniger Pflanzenschutzmittel eingesetzt werden.

Bei der Erarbeitung des Programms setzt das BMEL auf Kooperation. Es gehe nicht darum, starre Regeln aufzustellen, sondern einen Kompromiss für alle Beteiligten zu erarbeiten. Nach Angaben des Ministers und seines Hauses haben sich über 100 Interessengruppen und Landesämter an dem Prozess beteiligt.

Eine EU und Deutschlandflagge auf dem Gebäude des BMEL in Berlin.
Bei der Erarbeitung des Programms sei das BMEL den Empfehlungen der Zukunftskommission Landwirtschaft und dem Ziel der Farm-to-Fork Strategie der EU gefolgt. (c) Jeremy Deane

Zukunftsprogramm Pflanzenschutz: So soll das Ziel erreicht werden

Auf insgesamt zwölf Seiten stellt das Zukunftsprogramm Pflanzenschutz elf Maßnahmen vor, die zum Ziel des BMEL führen sollen. Die für den Anwender wichtigsten sind:

Der integrierte Pflanzenschutz soll durch Anreize und die Anpassung der guten fachlichen Praxis an den aktuellen Wissensstand gestärkt werden. Eine Ausweitung des Ökolandbaus bis 2030 auf 30 Prozent will das Ministerium durch die Unterstützung von umstellenden Betrieben. Außerdem soll der Austausch zwischen ökologisch und konventionell wirtschaftenden Betrieben gestärkt werden.

Die Verfügbarkeit biologischer Pflanzenschutzverfahren soll verbessert werden. Dazu soll noch in dieser Legislaturperiode eine Verordnung Klarheit und Rechtssicherheit für die Anwender schaffen. Darüber hinaus will das BMEL die Übernahme von Mehrkosten im Vergleich zum konventionellen Pflanzenschutz weiter vorantreiben.

Das Ministerium will die Zulassungsverfahren für Pflanzenschutzmittel verbessern. Durch die Ausgliederung von Risikominderungsmaßnahmen aus der Zulassung sollen Pflanzenschutzmittel mit geringerem Risiko einfacher zugelassen werden können. Gegen Schädlinge, die nur regional oder selten auftreten, sollen auch in Zukunft ausreichend Mittel zur Verfügung stehen.

Darüber hinaus will das BMEL moderne, ressourcenschonende Techniken und die Digitalisierung stärker fördern. Dies soll z.B. durch Investitionsförderung geschehen.

Zukunftsprogramm Pflanzenschutz erntet Kritik von der Branche

Das Papier blieb bei verschiedenen Branchenvertretern nicht unkommentiert. Der Deutsche Bauernverband (DBV), der Verband der Familienbetriebe Land und Forst und der Industrieverband Agrar (IVA) sprachen sich allesamt gegen das Programm aus. Laut Joachim Rukwied, Präsident des Deutschen Bauernverbandes, lasse das Zukunftsprogramm „wesentliche Zukunftsfragen wie die Verbesserung der Versorgungssicherheit mit Lebensmitteln unbeantwortet“.

Auch wenn sich das Papier nach Ansicht der Verbände inhaltlich gegenüber dem Entwurf vom Frühjahr verbessert habe, gebe es noch Nachholbedarf. Die zentrale Frage, wie das Zulassungssystem für alle Pflanzenschutzmittel, nicht nur die biologischen, schneller, effizienter und vor allem innovationsfreundlicher gestaltet werden kann, um den fortschreitenden Wirkstoffverlust zu stoppen“, bleibe jedoch unbeantwortet, so der IVA.

Das Zukunftsprogramm Pflanzenschutz folgt nach Angaben des BMEL den Empfehlungen der Zukunftskommission Landwirtschaft und dem Ziel der Farm-to-Fork-Strategie der EU. Das gesamte Programm und die Maßnahmen finden Sie unter „Zukunftsprogramm Landwirtschaft„.

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