Landwirtschaft in Alt-Bork: Hauseigene Schlachtung und Fleischerei
Auf dem Betrieb der Familie Kaplick in Brandenburg trifft Tradition auf moderne Landwirtschaft. Unter anderem mit hauseigener Schlachtung und Fleischerei setzt die Familie einen besonderen Fokus für ihre Betriebsstruktur. Das Konzept geht auf und ist durchaus beliebt.
Von Wolfgang Herklotz
Die Hoffleischerei von Ingo Kaplick in Alt Bork öffnet jeden Freitag punkt 9 Uhr ihre Tore. Bereits eine halbe Stunde vorher finden sich vor dem backsteinernen Gehöft in unmittelbarer Nachbarschaft zur imposanten Kirche mit dem Fachwerkturm die ersten Käufer ein. Sie wissen, dass ihnen gleich ein Kaffee serviert wird und ein Mettbrötchen obendrein. „Selbstverständlich kostenlos“, versichert Ingo Kaplick, „ein kleines Dankeschön an unsere Stammkunden.“
Hauseigenes Fleisch sehr beliebt
Denn es ist längst kein Geheimnis mehr, dass die hier angebotenen Fleisch- und Wurstwaren von besonderer Qualität sind. Kein Vergleich zu den sicherlich üppigeren und ständig verfügbaren Offerten aus dem Supermarkt der nächsten Stadt. Da lohnt es sich allemal, eine Woche lang auf den nächsten Verkaufstag der Hoffleischerei zu warten. Es sind viele Ältere unter den Kaufwilligen, die extra dafür in das nicht mal 150 Einwohner zählende Runddorf kommen und deshalb auch längere Wege gern auf sich nehmen.
Durchaus denkbar, dass beim Duft der Wurstpakete Erinnerungen an die traditionellen Hausschlachtungen geweckt werden. Doch es sind auch Jüngere darunter, die weniger Fleisch konsumieren, das dafür aber umso bewusster. Und wenn, dann sollte es schon von Tieren vor Ort stammen, artgerecht gehalten und versorgt. Die schnell erlöst und nicht Unmengen an Kilometern bis zum nächsten Schlachthof gekarrt wurden. Regionale Kreislaufwirtschaft, ein mittlerweile stark abgenutztes Schlagwort, doch im Familienbetrieb Kaplick seit Jahren gelebte Praxis.
Vom Melkschemel zum Melkroboter
Wer verstehen will, wie die funktioniert, kommt an Manfred Kaplick nicht vorbei. Der 63-Jährige ist energiegeladen, humorvoll und liebt es über alles, barfuß über den märkischen Boden zu stapfen. Zumindest bis der erste Schnee fällt. Der gelernte Schlosser und zu DDR-Zeiten in der Genossenschaft beschäftigt, hatte nach der Wende den Schritt in die Selbstständigkeit gewagt.
Das von seinem Vater eingebrachte Land und die eingezahlten Anteile erleichterten den Start, waren jedoch alles andere als ein Freifahrtschein. „Ich konnte 1991 mehrere Dutzend Färsen und einen Stall übernehmen. Aber als es dann ans Melken ging, hatte ich nur eine improvisierte Anlage plus klassischem Melkschemel zur Hand.“
Mit sichtlichem Stolz zeigt uns Kaplick senior den Rinderstall am Ausgang des Ortes, in dem seit wenigen Jahren zwei Melkroboter im Einsatz sind. Die haben eine Menge Geld gekostet, berichtet Manfred Kaplick, aber: „Es war die beste Entscheidung! Ehefrau Bärbel kann dem nur zustimmen, obwohl sie als die für Buchführung und vieles mehr noch Zuständige einen durchaus kritischen Blick auf Zahlen hat.
„Wir hätten so manches nichts stemmen können ohne unsere Bereitschaft, immer selbst mit Hand anzulegen.“ Umgebaut und modernisiert wurde auf dem weitläufigen Anwesen der Kaplicks, zu dem Ställe und Scheune mitsamt Biogasanlage gehören, seit den Neunzigern nahezu ohne Unterbrechung. Solarpaneele auf den Dächern und eine Biogasanlage künden davon, wie rigoros der bereits 1769 erstmals urkundlich erwähnte Hof umgestaltet wurde.
Mit Hoffleischerei Einen Wunsch erfüllt
Von Rückschlägen wie dem Feuer in der Bergescheune, vermutlich von Brandstiftern ausgelöst, ließen sich die Kaplicks nicht aufhalten. Und auch die Idee, auf dem Hof eine Direktvermarktung zu etablieren, nahm zügig Gestalt an. Waschküche und der ehemalige Hühnerstall wurden in kurzer Zeit zu einer mit modernster Technik ausgestatteten Hoffleischerei umgebaut. Im Frühjahr 2020, wenige Tage vor dem Corona-Lockdown, fand die Einweihungsfeier statt.
Mit der Hoffleischerei erfüllte sich vor allem Ingo Kaplick, gelernter Fleischer und seit 2010 mit Meisterabschluss, BWL-Studium inklusive, einen Wunsch. Er hatte schon in jungen Jahren gern seinen Großvater begleitet, der für Hausschlachtungen in der Region unterwegs war. „Opa Rudi hat mir so manchen Trick vermittelt. Es würde ihm garantiert gefallen, dass ich mit seinen traditionellen Rezepturen weiter arbeite.“ Dabei wollte Ingo ursprünglich Schlosser werden, so wie sein Vater Manfred. Heute kann der 37-Jährige nur darüber lächeln. „War wohl auch die beste Entscheidung!“ Mit der unabdingbaren EU-Zulassung ausgestattet, schlachtet und verarbeitet er monatlich 20 Schweine und zwei Rinder, die allesamt aus dem Familienbetrieb kommen.
Hofübernahme in wenigen Monaten
Vater Manfred hatte es nie übers Herz gebracht, sich vom Borstenvieh zu trennen. Das gehört einfach mit zum Hof, so sein Credo. Darüber hinaus kümmert sich Sohn Ingo noch um Lohnschlachtungen. Für die Vermarktung außer Haus sorgt Ehefrau Franziska, mit einem mobilen Verkaufswagen an festen Tagen in der Region unterwegs. Die Nachfrage lässt, wie schon eingangs geschildert, nichts zu wünschen übrig. Woraus die besondere Qualität der kaplickschen Würste resultiert, kann im Detail nicht hinterfragt werden. Die Rezeptur bleibt ein Familiengeheimnis.
Ingo Kaplick verrät nur so viel, dass für die Kochwurst sogenanntes warmgeschlachtetes Fleisch verarbeitet werden muss, also nicht abkühlen darf. „Dadurch kommen die für den Geschmack so wichtigen Enzyme am besten zur Geltung.“ Während wir das Angebot gern wahrnehmen, die mit Majoran fein gewürzte Bockwurst und weitere Spezialitäten zu verkosten, gesellt sich Bruder Marco hinzu. Der 40-jährige war tagsüber als Mitglied des Prüfungsausschusses gefordert, der das Wissen angehender Landwirte abfragt. „Das war bis auf eine einzige Ausnahme recht überzeugend“, urteilt der Landwirtschaftsmeister.
In wenigen Monaten wird er offiziell den väterlichen Betrieb übernehmen, obwohl er schon längst aktiv in das Geschehen eingreift. Die Tradition des Hofes fortzuführen, nunmehr in dritter Generation, sieht Marco als ebenso ehren- wie anspruchsvolle Aufgabe an. Der auf fast 500 Hektar, darunter 183 ha Dauergrünland, wirtschaftende Hof biete gute Voraussetzungen, um die rund 120 melkenden Kühe und rund 240 Schweine bedarfsgerecht zu versorgen und somit auch den kontinuierlichen Betrieb der Hoffleischerei abzusichern. „Aber die Bürokratie mit den immens angestiegenen Auflagen macht mir immer mehr Sorgen“, gesteht Marco.
„Alt-Bork ist meine Heimat …“
So werde jetzt ein neues Abwasserkonzept gefordert, das beträchtliche Neuinvestitionen in die seinerzeit genehmigte Lagerung von Substrat aus der Biogasanlage beziehungsweise Silage nach sich ziehe. Die vor 14 Jahren errichtete Anlage steht für nachhaltiges Wirtschaften, beliefert nicht nur die Ställe und die Fleischerei mit Strom und Abwärme, sondern auch ein Dutzend Häuser in der Nachbarschaft. „Statt sich die Situation vor Ort anzuschauen, erteilt man uns vom grünen Tisch Auflagen. Das ist mehr als ärgerlich“, meint Marco Kaplick.
Nichtsdestotrotz erwies sich der Familienbetrieb auch bei der jüngsten Brandenburger Landpartie, alljährlich im Juni, wieder als guter Gastgeber. Denn laut Manfred Kaplick gibt es keine bessere Gelegenheit, einer großen Öffentlichkeit zu zeigen, wie wichtig die Landwirtschaft für das Dorf ist. Seit vielen Jahren tun die Kaplicks das in Folge, unterstützt von der ganzen Familie und vielen Helfern aus dem Dorf. Vater Manfred lud zu Kremserfahrten ein, auf dem Hof wurde ausgiebig verkostet und gespeist, aber auch musiziert.
„An beiden Tagen gingen allein 3.000 Essensportionen über die Theke“, berichtet Ingo Kaplick. Mutter Bärbel, Herz des Familienbetriebes und zugleich Chefin des hiesigen Landfrauenvereins, schwärmt vom Auftritt der 30 Landfrauen und zwei Landmänner, bei dem die eigens komponierte Hymne auf Alt Bork gesungen wurde. „Alt Bork ist meine Heimat, hier lebe ich gern … Umgeben von Wäldern und Wiesen wohnen wir, am Rande des Flämings ist unser Revier.“ Das kam gut an.
Lächelnd erinnert sie sich an die gute Stimmung auch vor Jahren, wo trotz strömenden Regens auf dem Hof kräftig getanzt wurde. Ein Hoch auf das Miteinander und die engen familiären Bande, die über Generationen reichen. Denn Nachwuchs an Enkeln wie Clara, Lotte, Paul oder Fritz ist reichlich vorhanden und bei solchen Höhepunkten immer mittenmang. Wer so fest verwurzelt und verwoben ist, wird auch weiterhin so manchen Widrigkeiten trotzen. So unbeugsam wie die knorrigen Kiefern auf märkischem Sand.
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