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Gericht stoppt Abschuss von Problemwölfin

Das Verwaltungsgericht Gera gibt einem Eilantrag statt: Weil die Problemwölfin in einem FFH-Gebiet lebt, genieße sie besonderen Schutz.  

Von Frank Hartmann

Thüringens Problemwölfin darf vorerst nicht geschossen werden. Damit gab das Verwaltungsgericht Gera einem Ende Januar gestellten Eilantrag des NABU-Landesverbandes statt, der die Rechtmäßigkeit einer entsprechenden Abschussgenehmigung anzweifelt. Für die vielen Schäfer in der Region um den Truppenübungsplatz Ohrdruf geht damit die Tortur weiter. Allein 2019 hatte das Raubtier über 180 Nutztiere gerissen.

Über 300 gerissene Nutztiere

Das zuständige Landesumweltamt (TLUBN) genehmigte im Dezember 2019 einen Antrag des Umweltministeriums auf Entnahme der Wölfin. Danach hätte das Raubtier, das in drei Jahren insgesamt mehr als 300 Schafe, Ziegen und Fohlen gerissen hatte, bis zum 30. April dieses Jahres bejagt werden können. Das Umweltministerium, das erst spät auf die Forderungen der Landwirte nach einem Abschuss reagiert hatte, argumentierte mit erheblichen wirtschaftlichen Schäden. Zudem würden weitere, über den anerkannten optimalen Schutz hinausgehende Herdenschutzmaßnahmen für die Tierhalter unverhältnismäßig hohen Kosten verursachen. Die Genehmigung des Landesumweltamtes fußte auf dem Bundesnaturschutzgesetz, das einen Abschuss des geschützten Tieres aus diesen Gründen im Einzelfall gestattet.

Besonderer Schutz

Laut der Kammer des Verwaltungsgerichtes Gera hätte das Landesumweltamt „vorrangig beachten müssen, dass die Wölfin zu einer Tierart  gehört,  die  wesentlicher  Bestandteil  des  europäischen  Schutzgebietes ‚TÜP Ohrdruf-Jonastal‘ ist und als solche durch die Vorschriften des Bundesnaturschutzgesetzes über den Gebietsschutz besonderen Schutz beanspruchen kann“. Dies heißt im Klartext: Weil das Areal als FFH-Gebiet ausgewiesen ist, genießt der Wolf (als Anhang-II-Tierart) besonderen Schutz.

Wolf vs. Biotop-Pflanzen

Das Landesumweltamt wollte die Abschussgenehmigung als Maßnahme des FFH-Gebietsmanagements verstanden wissen. Denn es sei zu befürchten, dass sich die Schäfer bei weiter anhaltenden Wolfsattacken aus der Region zurückziehen. Für den Erhalt des dort vorkommenden schützenswerten größten Kalk-Halbtrockenrasen-Vorkommens in Thüringen sei die Beweidung aber unerlässlich. Ob man dieser Argumentation rechtlich folgen kann, ließ das Verwaltungsgericht offen. Denn unabhängig davon hätte das Landesumweltamt auch hier die Verhältnismäßigkeit der Entnahme konkreter begründen müssen. „Möglicherweise  sind  weniger einschneidende Maßnahmen möglich, die zu einem Ausgleich zwischen der Nutztierhaltung und der Existenz der Wölfe führen“, heißt es in der Mitteilung des Gerichtes. Zu prüfen sei daher der staatlich geförderte Einsatz höherer Zäune, mehr Herdenschutzhunde oder die Etablierung ortsfester Pferche.



Zahnlose Erleichterungen für Abschuss

Wenn diese Rechtsauffassung Bestand haben sollte, könnten sich die vom Bund mit Zustimmung des Bundesrates in der vorigen Woche beschlossenen Erleichterungenbeim Abschuss von Wölfen als zahnlos erweisen. Zumindest dann, wenn es sich um Wölfe in Schutzgebieten nach Bundesnaturschutzgesetz handelt. Auf diese Problematik, insbesondere in FFH-Gebieten, hatte der Umweltausschuss des Bundesrates hingewiesen.

Der Thüringer Bauernverband (TBV) reagierte auf das Urteil des Verwaltungsgerichtes Gera mit großem Unverständnis: „Um ein Tier zu retten, opfern wir nun die Vielfalt an Pflanzen (Frauenschuh) und Tieren (Kammmolch) in dem Gebiet. Auf dem Truppenübungsplatz Ohrdruf-Jonastal existieren zahlreiche schützenswerte Arten, die es ohne die Beweidung durch Schafe nicht gäbe“. Mit dem Nicht-Abschuss der Wölfin stünde die Schafhaltung in dem Gebiet vor dem Aus.

Hybride Wölfe nicht betroffen

Offen ist, ob das Landesumweltamt gegen die Eilentscheidung Beschwerde einlegt. Praktikabler wäre es freilich, zügig eine neue Abschussgenehmigung zu erteilen, die die Hinweise des Verwaltungsgerichtes berücksichtigt. Ob die Problemwölfin noch in diesem Frühjahr entnommen werden darf und kann, ist somit ungewiss. Unberührt davon ist die Abschussgenehmigung für die hybriden Jungtiere der Wölfin.