Seit über 120 Jahren werden in Salzatal in Sachsen-Anhalt Merinofleischschafe gehalten und gezüchtet, die sich durch besondere Wolle und hochwertiges Fleisch auszeichnen. (c) Fritz Fleege

Merinozucht im Salzatal

Die Schafhaltung hat bei Familie Papendieck Tradition. Mit ihrer Merinozucht im Salzatal trägt sie wesentlich zum Erhalt der vom Aussterben bedrohten Rasse bei und sorgt zugleich für den Fortbestand der Kulturlandschaft.

Von Fritz Fleege

Die Schafhaltung in Deutschland ist in den letzten Jahrzehnten stark geschrumpft. Gab es vor über hundert Jahren noch etwa zehn Millionen Tiere, sind es derzeit nur noch 1,5 Millionen. Und auch die Zahl der Schäfer hat sich enorm reduziert. Heute gibt es kaum noch tausend hauptberufliche Halter. Hauptgrund ist der Ersatz der Schafwolle in der Textilindustrie durch Baumwolle und Chemiefasern. Außerdem wird in Deutschland nur wenig Schaffleisch verzehrt, pro Einwohner und Jahr sind es kaum 600 g. Und der Wolf tut natürlich auch sein Übriges …

Doch Schafe sind wichtig für die Erhaltung der Kulturlandschaft, die sich über Jahrhunderte entwickelt hat. Ohne die Beweidung käme es auf vielen Standorten schnell zur Verbuschung und später zur Bewaldung der heutigen Heiden und Halbtrockenrasen. Das betrifft auch das einzigartige Relief des Saaletales mit seinen Hügeln, Porphyrkuppen und steilen Felshängen.

Schäfer über mehrere Generationen

Die pflegliche Nutzung der Flächen mit Schafen gewährleistet, dass diese attraktive Landschaft erhalten bleibt. Einen erheblichen Anteil daran hat Schäfermeister Dirk Papendieck in Salzatal in Sachsen-Anhalt.

Dirk Papendieck

Dirk Papendieck entstammt einer alten Schäferfamilie aus dem Saalekreis entlang der Salza und der Schlucht Brehnau bei Halle.
Seit über 120 Jahren werden dort Merinofleischschafe gehalten und gezüchtet, die sich durch besondere Wolle und hochwertiges Fleisch auszeichnen.

Der Schäfermeister hält derzeit 350 Mutterschafe, sechs Böcke und 50 Zutreter dieser Rasse und trägt damit dazu bei, dass die vom Aussterben bedrohte Rasse und die Kulturlandschaft erhalten bleiben.

Die Großgemeinde liegt im nordwestlichen Teil des Saalekreises und grenzt an die Großstadt Halle. Die Schafhaltung hat in seiner Familie Tradition, vor allem die Zucht von Merinofleischschafen. Sowohl sein Großvater Gerhard Papendieck als auch seine Großmutter stammen aus Schäferfamilien und auch die drei Brüder des Großvaters sind Schäfer gewesen.

Großmutter Christa Papendieck war eine geborene Oswald, deren Vater schon Schäfermeister auf dem Rittergut in Beesenstedt war. Dort erlernte Gerhard Papendieck den Schäferberuf und baute im Laufe der Jahre eine Mutterschafherde mit etwa 2.000 Tieren auf. Er errang Erfolge beim Leistungshüten und war ein anerkannter Preisrichter bei solchen Wettbewerben. Außerdem bildete er viele Lehrlinge als Schäfer aus. So hatte er auch Einfluss auf die Berufswahl seines Enkels Dirk.

Selbstständig mit 200 schafen

Dieser lernte von 1985 bis 1987 in der LPG Höhnstedt, heute Agrargenossenschaft, und qualifizierte sich zum Schäfermeister. Nach der politischen Wende und der Einheit Deutschlands wurde so mancher Agrarbetrieb umgestaltet oder aufgelöst, aber es wurden auch neue gegründet.

Dirk Papendieck machte sich selbstständig und übernahm zunächst in Beesenstedt 500 Mutterschafe. Weil er dort aber die Stallanlage nicht übernehmen konnte, zog er 1992 mit 200 Schafen nach Zörnitz, wo er heute die Schäferei betreibt. Dort ging es zunächst auf und ab mit der nutzbaren Weidefläche und damit auch mit der Herdengröße. Auch die Betriebsform änderte sich mehrmals. 2015 gründete er dann die Brehnau Schäferei KG. Seitdem werden mit der Merinozucht im Salzatal etwa 53 Hektar Grünland bewirtschaftet. Darunter sind Streuobstwiesen, Trockenrasen in Hanglagen und Auenweiden in Tälern entlang der Saale sowie Brehnau, einer schönen Schlucht zur Saale hin, die für den Namen der Schäferei steht.

An der bewährten Rasse festgehalten

Dirk Papendieck hat an den Merinofleischschafen festgehalten, die seit mehr als 120 Jahren in der Region gezüchtet werden, und auch seine Familie hat daran über Generationen großen Anteil. Die Rasse verbreitete sich dann bald über Mittel- und Norddeutschland. In den letzten beiden Jahrzehnten ging aber der Bestand vor allem wegen der Wollkrise und des Aufbaus noch fleischbetonterer Rassen stark zurück. In Sachsen-Anhalt wird das inzwischen sogar im Bestand gefährdete Merinofleischschaf entsprechend der Richtlinie „Tiergenetische Ressourcen“ in der Zweiten Säule der Gemeinsamen Agrarpolitik gefördert.

Derzeit gibt es in Deutschland nur noch wenige Tausend Tiere dieser Schafrasse im Herdbuch. Zu verhindern, dass diese ausstirbt, ist auch Anliegen der Brehnau Schäferei. Denn das Merinofleischschaf hat besondere Vorzüge – eine feine Wolle und eine sehr gute Qualität des Lammfleisches. Zudem ist es ein ausgezeichneter Landschaftspfleger besonders in den trockenen Regionen des Vorharzes.

Früh übt sich der Umgang mit den  Hunden. Mareike Neist mit dem  Altdeutschen Hütehund Lotte, Matti  Papendieck mit Benno, einem  jungen Herdenschutzhund der Rasse  Maremmano-Abruzzese
Früh übt sich der Umgang mit den Hunden. Mareike Neist mit dem Altdeutschen Hütehund Lotte, Matti Papendieck mit Benno, einem jungen Herdenschutzhund der Rasse Maremmano-Abruzzese. (c) Fritz Fleege

In der Schäferei werden derzeit etwa 350 Merinomutterschafe, 50 Jungschafe, sechs Zuchtböcke und eine 50-köpfige Ziegenherde samt Ziegenbock gehalten. Hinzu kommen jedes Jahr etwa 450 Lämmer, die in den Wintermonaten geboren werden. Die Ziegen sind Tiere der Rasse Burenziege, die ursprünglich aus Südafrika stammen. Es sind in Richtung Fleisch gezüchtete Tiere, die besonders in der Landschaftspflege eingesetzt werden.

Wolfsschutz auf vier Pfoten

Außerdem gehören zur Merinozucht im Salzatal noch vier Altdeutsche Hütehunde. Sie sind unentbehrlich bei der Hütehaltung der Schafe auf kleinen zersplitterten Flächen, an Bachläufen und auf Streuobstwiesen, die maschinell nicht zu bewirtschaften sind und wo auch keine Koppeln eingerichtet werden können.

Seit nicht allzu langer Zeit leben in der Schäferei auch zwei Herdenschutzhunde der Rasse Maremanno-Abruzzese, darunter ein Welpe. Diese hat man angeschafft, um den Herdenschutz in Zukunft auch gegen Wolfsangriffe zu gewährleisten.

Zum Ablammen geht es in den Stall

Die größere Herde der Merinozucht im Salzatal weidet meistens auf Flächen von ein bis drei Hektar. Als Umzäunung dient dort ein Elektronetz, das alle drei Tage weiter gerückt wird. Dort haben die Schafe auch Zutritt zu einer Tränke. Überschüssiger Aufwuchs wird zu Heu verarbeitet. Weil es in den letzten beiden Jahren aber sehr trocken war und wenig Grünes aufwuchs, durften auch Stilllegungsflächen beweidet werden und als Winterfutter diente mehr Weizenstroh von benachbarten Agrarbetrieben.

Es gibt zwei Lammzeiten im Jahr. Die erste ist jetzt im November und die zweite Mitte Januar bis Februar. Nach der ersten Deckzeit im Juni wird per Ultraschall ermittelt, wie viele Tiere tragend sind. In die Gruppe der nichttragenden Schafe kommen im Juli und August wieder Böcke rein.

Alle Ablammungen erfolgen im Stall. Die Jungtiere werden mit einem Sensor am Ohr elektronisch gekennzeichnet. Dadurch ist eine regelmäßige Kontrolle jedes Einzeltieres möglich. So lässt sich ihr Gewicht ermitteln, wenn sie über den Klauenpflegestand gehen, in den auch eine Waage integriert ist.

Die Lämmer werden im Stall gemästet

Die Mutterschafe der Merinozucht im Salzatal bringen jährlich im Durchschnitt 1,5 Lämmer zur Welt. Gut 20 % der weiblichen Tiere dienen der Reproduktion des Bestandes oder werden an interessierte Schäfer verkauft. Bei den männlichen Tieren rücken jährlich nur zwei oder drei Böcke nach oder werden zur Zucht verkauft. In diesem Jahr brachte ein Bock 650 €. Alle anderen Lämmer werden im Stall intensiv gemästet. Sie erhalten neben Heu Kraftfutter zur beliebigen Aufnahme.

Die Zunahmen betragen je Tier und Tag zwischen 300 bis 400 g. Nach 120 bis 150 Masttagen wiegen sie im Durchschnitt 43 kg mit einem Ausschlachtgewicht von etwa 20 kg. In diesem Jahr gab es für die Mastlämmer 3,50 €/kg Lebendmasse, ein guter Preis. Aktuell geht der Preis schon wieder leicht zurück.

Einkommen: Wolle spielt keine Rolle mehr

Je nach Nachfrage aus der Region lässt Papendieck auch einen Teil der Lämmer bei einem in der Nähe wirtschaftenden Schäfer mit einem EU-zertifizierten Schlachthaus verarbeiten und holt von dort viertel oder halbe Schlachtkörper zurück. Das kommt den Verbraucherwünschen entgegen. Der Anteil an der Direktvermarktung beträgt aber nur zehn Prozent am Gesamtaufkommen.

Wolle spielt beim Einkommen keine Rolle mehr. Je Mutterschaf und Jahr werden 4 bis 5 kg Wolle geschoren. Das Scheren kostet mehr als die Wolle einbringt. Das schlägt sich auch in der Zucht und in der Fütterung nieder. So wird auf Menge und Qualität der Wolle weniger Wert gelegt.

Die Mutterschafe sind bei der Merinozucht im Salzatal mindestens sieben Monate draußen und nur von November bis Mitte April im Stall. Draußen werden die Tiere extensiv gehalten und müssen vom dortigen Aufwuchs satt werden. Im Winter erhalten sie neben Heu und Stroh bei Bedarf noch etwas Kraftfutter, Kleinkörner aus der Getreidereinigung und spezielle Pellets mit 16 % Eiweiß sowie Nassschnitzelsilage aus der Zuckerfabrik Könnern.

Familie bleibt den Schafen verbunden

Dirk Papendieck ist im Vorstand des Landesschafzuchtverbandes Sachsen-Anhalt und Vorsitzender im überregionalen Prüfungsausschuss der Bundesrepublik, in dem außer aus Baden-Württemberg und Bayern Vertreter aus allen Bundesländern mitwirken. Die zentrale Ausbildungsstätte für Schäfer ist in Halle. Jedes Jahr kommen dort zur Berufsbildenden Schule „Carl Wentzel“ zehn bis 20 Prüflinge der Fachrichtung Tierwirt/Schäferei. Die praktische Prüfung ist oft mit einem Hütewettbewerb verknüpft, bei dem der Schäfermeister als Prüfer fungiert.

Der Bock hält die zu befruchtenden  Zibben zusammen.
Der Bock hält die zu befruchtenden Zibben zusammen. (c) Fritz Fleege

Dirk Papendiecks Tochter Anne ist aber keine Schäferin geworden, sondern Hebamme – wobei die Schafhaltung bei ihrer Berufswahl durchaus eine Rolle gespielt haben dürfte. Denn sie war oft bei der Geburt der Lämmer mit dabei. Ihr Ehemann Marcus ist Garten- und Landschaftsbauer, möchte aber in die Schafhaltung einsteigen. Und auch die Töchter Ida und Alma sind sehr tierlieb und haben schon viel Freude an den Schafen gefunden.

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