Reportage

Forstbaumschule Güstrow: Kinderstube für den Wald

Traktorist Wolfgang Volkmann, umringt von seinem Verschulungsteam (v. l.): Karin Anneken, Dorina Tirlea, Elke Zander, Silvia Richter, Katrin Ripperger und Alexandrina Otinceala.
Hintergrund
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Eine Forstbaumschule und ein Dienstleistungsunternehmen in Güstrow (Mecklenburg-Vorpommern) bieten für Waldbesitzer alles von Jungpflanzen bis zur kompletten Übergabe etablierter Bestände an.

Von Jörg Möbius

Bei der Anfahrt zur Forstbaumschule Güstrow fallen neben der Straße und im Wald Parzellen mit Beeten voller kleiner Pflanzen auf. „Wir ziehen junge Bäume für den Forst auf. Sie wachsen auf ein bis vier Hektar großen Parzellen, die überwiegend im Wald liegen“, erklärt Geschäftsführerin Linda Leist.

Schon vor knapp 100 Jahren existierte im Forstamt Klueß ein Pflanzgarten. Vermutlich wurden damals gesammelte Samen auf dem Ofen getrocknet und dann ausgesät. In den 50ern bis in die 80er-Jahre wurden um den Standort Klueß/Devwinkel im Kiefernwald rund 120 ha solcher Parzellen angelegt. Damit war die Forstbaumschule des Staatsforstes Güstrow damals ein wichtiger Lieferant von Kiefern. In den 80er-Jahren verließen jährlich 70 Millionen Kiefernpflanzen die Baumschule.

Seit 1976 wurde der Betrieb von Jürgen Leist geleitet. Nach der Wende übernahmen er, zwei weitere Mitarbeiter und ein Baumschulinhaber aus Westdeutschland den Betrieb von der Treuhand. Die Produktion in der Baumschule, Dienstleistungen und Handel wurden in drei einzelne Firmen aufgeteilt.

Gerade verschult:  zweijährige Weißtanne.
Gerade verschult: zweijährige Weißtanne. (c) Sabine Rübensaat

Heute sind Linda Leist, Thomas Boretzky und André Möller geschäftsführende Gesellschafter aller drei Betriebsteile, ein Mitgründer aus der Zeit des Neubeginns hält jeweils eine stille Beteiligung. „Wir sind alle drei als Geschäftsführer der drei Firmen eingetragen“, so Leist, „haben uns aber die operative Leitung aufgeteilt.“

Linda Leist hat – zusammen mit Produktionsleiter Jörn Kruthoff – vor allem die Produktion in der Baumschule im Blick. Thomas Boretzky und André Möller organisieren mit viel Außendienst vor allem den Dienstleistungsbetrieb, die Güstrower Garten-, Landschafts- und Forstbaugesellschaft (GaLaFo). „Als Betriebswirtin kümmere ich mich außerdem um den Handel, die Buchführung und die umfangreiche Dokumentation, Stichwort Saatgutverkehrsgesetz.“ Nach Abitur und Studium hat Linda Leist außerhalb und in anderer Branche gearbeitet. Vor fünf Jahren hat sie die Anteile vom Vater übernommen und ist aktiv ins Unternehmen eingestiegen.

Forstbaumschule Güstrow: Saisonkräfteaus dem Ausland

Die in der Forstbaumschule und im Dienstleistungsunternehmen anfallenden Arbeiten sind recht arbeitsintensiv. In der Baumschule selbst sind rund 30 Mitarbeiter beschäftigt, bei der GaLaFo reichlich 40. Sie sind alle fest angestellt und überwiegend schon lange dabei. Gärtner und Forstwirte sind natürlich besonders gerne gesehen, aber das Spektrum ist viel breiter.

Dazu kommen in der Saison 50 bis 60 Aushilfen, überwiegend aus Rumänien und Polen. Saison ist in der Baumschule und beim Pflanzen im Wald in den Monaten März und April sowie November und Dezember. Denn die wurzelnackte Ware wird in der Zeit der Vegetationsruhe gepflanzt. Da wird auch sonnabends gearbeitet. „Saisonkräfte aus dem Ausland sind kein Problem, viele kommen immer wieder“, berichtet die Geschäftsführerin. „Schwierig dagegen ist es, Vorarbeiter zu finden, die organisieren und anleiten können.“

Linda Leist ist vor fünf Jahren in  die Baumschule eingestiegen
Linda Leist ist vor fünf Jahren in die Baumschule eingestiegen. (c) Sabine Rübensaat

Saatgutselbst gewinnen

Das Saatgut für die aufzuziehenden Bäume gewinnen die Güstrower überwiegend selbst. „Das geschieht in zertifizierten Beständen, das Saatgut wird vor Ort vom Förster gewogen und in verplombten Behältnissen zur Darre in Annaburg oder Jatznick gebracht“, so die Geschäftsführerin.

Entsprechend dem deutschen Saatgutverkehrsgesetz wird alles vom Samen bis zu den eingepflanzten Jungbäumen überwacht und dokumentiert. „Wir fragen bei Waldbesitzern an, ob wir ernten dürfen. Das ist ein Zuverdienst für sie.“ Eicheln werden per Hand im Herbst gelesen, Zapfen im Sommer gepflückt. Diese Pflückarbeit wird heutzutage – wenn möglich – von Hubbühnen aus erledigt. Das ist sicherer als das früher übliche Hochklettern. In der Darre wird das Saatgut getrocknet, entflügelt und gereinigt. Da Saatgut knapp ist, kommen der Güstrower Forstbaumschule langjährige Geschäftsbeziehungen und die Möglichkeit, selbst zu ernten, zugute.

Aus der Keimruhe wecken

Vor der Aussaat in der Baumschule wird das Saatgut – je nach Sorte verschieden – aus der Keimruhe geweckt (stratifiziert). Das kann durch Kälteeinwirkung geschehen. Dazu – und auch zur Lagerung von frischem Pflanzgut – gibt es in der Baumschule zwei nach der Wende eingerichtete Kältekammern. „Wir haben auch Saatgut von Rotbuchen eingefroren. Der Baum trägt nicht jedes Jahr. So können wir auch in den vier Zwischenjahren diese Buche aussäen und dann Pflanzen anbieten“, erläutert Linda Leist, wie organisiert wird, dass das Angebot möglichst wenig Lücken hat.

Eine andere Methode zum Abbau der Keimhemmung ist die Behandlung in einer gepufferten Umgebung. Als Puffer dienen Substratschichten, die den Wassergehalt, die Temperatur und den Lichtabschluss physikalisch stabilisieren und den bei freier feuchter Lagerung unvermeidlichen Befall mit Mikroorganismen reduzieren.

Die Aussaat erfolgt mit kleinen Sämaschinen in den vorher gelockerten Boden. In der Güstrower Forstbaumschule werden Beete mit je fünf Reihen im Abstand von 25 cm angelegt. Es gibt unterschiedliche Systeme, beispielsweise auch vier- oder siebenreihig. Oft kann man die Spurbreite der Anbaugeräte entsprechend einstellen.

Bürsten gegen unkraut

Sind die Pflanzen aufgelaufen, beginnt auch bald die Pflege. Unkraut wird sowohl mechanisch als auch mit Pflanzenschutzmitteln bekämpft. „Wir haben nur ein begrenztes Mittelsortiment zur Verfügung. Mit einer Ausnahmegenehmigung können beispielsweise Mittel für Kartoffeln oder Blumenkohl eingesetzt werden. Ein Mitarbeiter ist auf diese Tätigkeit spezialisiert“, so Linda Leist.

Ein Beispiel für die mechanische Pflege ist das Bürsten. Ein traktorgezogenes Gerät mit sechs rotierenden Bürsten lockert die Erde zwischen und neben den fünf Reihen oberflächlich und macht so Unkräutern das Leben schwer. Die Lenkung erfolgt manuell: Sowohl die Traktoren, die die Geräte ziehen, als auch die Pflegegeräte selbst werden von Menschenhand gesteuert. Deshalb hat der Traktorist beim Säen oder Pflanzen eine große Verantwortung, dass die Beete möglichst gerade angelegt werden. Dann haben es die Mitarbeiter auf dem Bock von Pflegegeräten wie der Bürste später leichter.

Einjährige Kiefern für elf Cent

Wie lange die aufgegangenen jungen Bäume in der Baumschule bleiben, ist sehr unterschiedlich und von der Baumart sowie der Verwendung abhängig. Bäume, die länger bleiben, werden oft nach zwei Jahren umgesetzt, verschult, wie man in der Baumschule sagt. Die mit einem kleinen Roder aus der Erde gehobenen und durch Rütteln von Erde befreiten Jungpflanzen werden in der Halle der Baumschule sortiert: nach Qualität und Größenklassen. Ebenso wird vor dem Verkauf sortiert.

Die Angabe 2+2 oder 2/2 bedeutet, dass die Pflanze vier Jahre alt ist und zwei Jahre im Saatbeet sowie zwei Jahre im Verschulbeet war. Es gibt keine speziellen Saat- und Verschulbeete. Sie bekommen ihren Namen jeweils nach der Funktion.

Die Größe der Pflanze richtet sich nach den Bedingungen auf der Pflanzfläche. Kleine Sortimente von 30 bis 50 cm und 50 bis 80 cm zeigen meist bessere Anwuchserfolge als größere Pflanzen. Auf Flächen mit stark entwickelter Konkurrenzvegetation sind größere Pflanzen zu empfehlen.

„Kiefern machen mit vier Millionen den größten Anteil unserer jährlich rund sieben Millionen verkauften Pflanzen aus“, erklärt Linda Leist. „Sie gehen auch schon einjährig weg und sind dann acht bis zehn Zentimeter groß. Bei elf Cent je Pflanze ein Massengeschäft.“ Bei einjährigen Pflanzen kann bei der Planung der Aussaat auf die Nachfrage reagiert werden. Anders dagegen bei Bäumen, die länger brauchen, bis sie in den Forst kommen. „Wir haben 2017 Fichten gesät. Jetzt nach den Trockenjahren will sie niemand haben, wir werden sie abschreiben müssen“, so Leist.

Obwohl alle Flächen eingezäunt sind, kommt es schon mal zu Wildschäden. Eine weitere Gefahr für neu aufgegangene Laubbäume ist Bodenfrost. Gegen etwas Frost hat sich das Abdecken mit Vlies bewährt. Bei stärkerem Frost hilft die Beregnung. Da alle Flächen beregnet werden können, verursacht Trockenheit zwar Arbeit und Kosten, aber die Pflanzen bleiben fit.

Forstbaumschule Güstrow: Traktorist mit Frauenteam

Bäume, die länger in der Baumschule bleiben und größer wachsen sollen, werden u. a. im Spätsommer verschult. Das ist Teamarbeit auf dem Verschulgerät. Wolfgang Volkmann zieht mit dem Traktor ein Gerät, das die fünf Reihen im vorbereiteten Boden öffnet. Fünf darauf sitzende Frauen legen in Räder mit Klemmmechanismus die zu verschulenden Jungpflanzen – mit der Wurzel nach oben – ein. Wenn die Pflanze im Boden ist, klinkt der Haltemechanismus aus. Eine sechste Frau versorgt die fünf auf der Maschine mit neuen Pflanzen.

Wolfgang Volkmann hat sein ganzes Berufsleben in der Baumschule gearbeitet, in Kürze geht er in den Ruhestand. Dann muss sich das Frauenteam an einen neuen Traktoristen gewöhnen.

Umfangreiches Dienstleistungsangebot

Das Dienstleistungsunternehmen GaLaFo wurde 1993 gegründet, um den Ansatz der Baumschule zu fördern. Heute arbeiten in diesem Betriebsteil die meisten Mitarbeiter.

„Uns ist regionales Wirtschaften in Mecklenburg-Vorpommern und den angrenzenden Bundesländern wichtig“, stellt Linda Leist klar. Dazu gehören auch Ausschreibungen, aber sie förderten nicht unbedingt das regionale Wirtschaften. „Ein gutes Verhältnis haben wir zu Privatwaldbesitzern und Forstbetriebsgemeinschaften der Region.“

Das Dienstleistungsangebot umfasst vor allem die Vorbereitung der Flächen, also Fräsen und Pflügen, das Pflanzen selbst, Pflegemaßnahmen und den Zaunbau. „Auf mit dem eigenen Dienstleister etablierte Baumkulturen geben wir eine Anwachsgarantie von 85 Prozent“, so Leist. Wenn im Frühjahr die Bäume gepflanzt wurden, zeigen sie Ende Mai/Anfang Juni mit frischen Trieben, dass sie angewachsen sind, und dann erfolgt die Abnahme.

In der Vegetationsruhe pflanzen

Zum Verschulen kommen die Pflanzen möglichst schnell wieder in den Boden. Das wird ebenfalls angestrebt, wenn sie dann in den Wald kommen. „Frisch ist besser, als die Pflanzen zwischendurch im Kühlhaus einzulagern oder im Wald einen Pflanzeneinschlag anzulegen“, so Leist. „Die Organisation so einer Kette ist in unserem Firmenverbund gut möglich, auch einen Lkw haben wir dafür.“

Forstfachleute wissen, wann es günstig ist zu pflanzen. Bei Einzelkunden, die das Angebot des Kleinverkaufs nutzen, ist das nicht immer so. Auf dem Gelände finden sie alles, was in den Hausgarten passt. Der Zukauf erfolgt als Topfpflanzen nach Bedarf oder auf Bestellung, überwiegend von festen Partnern in Schleswig-Holstein. „Den Kunden vom Kleinverkauf müssen wir schon manchmal sagen, dass sie lieber in der Vegetationsruhe pflanzen sollen. Und bei Naturvorgängen ist es besser zu sagen, kommen Sie wieder, wenn an dem Baum kein Blatt mehr ist, anstelle ein festes Datum anzugeben.“

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