Aus dem Lager in den Auflauf. Mancherorts, wie hier in Thüringen, mussten wetterbedingt große Teilflächen aufgegeben werden. Vor allem Triticale war zeitig von Auswuchs betroffen. (c) Constance Fuchs

Saatgutversorgung 2023: Einzelne Qualitätsengpässe bei Saatgut

Vorige Woche stand im Osten noch die Hälfte des Weizens auf dem Feld. Auch Roggen- oder Triticalebestände warteten auf den Drusch. Die VO-Firmen sehen die Versorgung mit Saatgut trotzdem nicht gefährdet.

Von Erik Pilgermann und Frank Hartmann

An eine zügige Ernte war in vielen Teilen Ostdeutschlands bis Ende voriger Woche nicht zu denken. Wie schon seit Mitte Juli unterbrachen Niederschläge, die teilweise heftig ausfielen, immer wieder den Drusch. Dabei stand Mitte voriger Woche Schätzungen zufolge in Ostdeutschland noch gut die Hälfte des Weizens auf dem Halm – knapp 590.000 ha.

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Saatgutversorgung 2023: Wechselnde Witterung

Die Verzögerungen bei der Ernte führen zum Teil zu herben Qualitätseinbußen. Landwirte sorgen sich um ausreichendes Saatgut für die Herbstbestellung. Wir haben uns in Sachen Saatgutversorgung bei Fachleuten der Branche umgehört.

Das Regenradar zeigt deutlich, welche Wassermengen allein am 17. August fast überall in Ostdeutschland niedergingen. (c) Falk Böttcher

Ulrike Amoruso-Eickhorn, Bund Deutscher Pflanzenzüchter (BDP): Die Züchter sehen die Saatgutversorgung mit Getreide für die Herbstaussaat in Deutschland derzeit im Grundsatz nicht gefährdet. Unterversorgungen sind nach Stand heute eher regionaler Art, die von anderen Regionen aufgefangen werden können. Ein Landwirt kann eine für ihn als Saatgut geeignete geschützte Sorte ernten und erneut im eigenen Betrieb aussäen, sofern der Nachbau dieser Sorte gesetzlich zugelassen ist.

Saatgut: Den Nachbau melden

Der Landwirt hat dann im Rahmen der Abgabe seiner Nachbauerklärung bis zum 30. Juni 2024 über diesen Nachbau Auskunft gegenüber der Saatgut-Treuhandverwaltung (STV) zu erteilen und die Sorte sowie die nachgebaute Menge anzugeben. Für diese im eigenen Betrieb nachgebaute Sorte und Menge erhält der Landwirt dann von der STV eine Rechnung über die von ihm zu entrichtenden Nachbaugebühren.

Die Abgabe von Erntegut an andere Landwirte zu Saatzwecken (umgangssprachlich: Schwarzhandel) ist sortenschutzrechtlich als auch saatgutverkehrsrechtlich nicht erlaubt und wird entsprechend rechtlich geahndet. Zudem erfolgt eine Anzeige bei der zuständigen Saatgutverkehrskontrolle des jeweiligen Bundeslandes.

Z-Saatgut ausreichend

Franz Beutl, stellvertretender Vorsitzender des Getreidefonds Z-Saatgut (GFZS): Aufgrund des langanhaltenden Regens kann es vereinzelt zu regionalen Qualitätsengpässen bei der Getreidesaatguternte kommen. Diese können aber überregional aufgefangen werden, sodass in Deutschland nach heutigem Kenntnisstand ausreichend Z-Saatgut in bestmöglicher Qualität zur Verfügung steht. Die Vermehrungsflächen wurden vorrangig beerntet, und die Aufbereitungsanlagen laufen auf Hochtouren.

Bei der Wintergerste, deren Ernte bereits vor den extremen Witterungsbedingungen abgeschlossen werden konnte, ist für den Herbst ausreichend Z1-Saatgut vorhanden. Auch bei Hybridroggen dürfte die Gesamtversorgung mit Saatgut nach Aussagen der marktführenden Züchter weitgehend gesichert sein. Dank modernster Aufbereitungstechnik können die vitalsten Saatgutpartien identifiziert und produziert werden.

Lagerndes Getreide neigt schnell zu Auswuchs. In dem Fall ist das Getreide unbrauchbar. (c) Constance Fuchs

Ähnlich gestaltet sich die Situation bei Triticale. In Ausnahmefällen kann durch den Züchter ein Antrag auf Z2-Saatgut gestellt werden, ein genereller Engpass von Z1-Saatgut wird aber nicht erwartet. Bei Z2- Saatgut wird die Mindestkeimfähigkeit vom üblichen deutschen Grenzwert > 85 % auf den europäischen Grenzwert > 80 % herabgestuft (gilt für Triticale; Weizen und Gerste > 85 %).

Eine weitere Absenkung ist in Ausnahmefällen und nur nach Antrag auf EU-Ebene möglich. Aufgrund der hohen bürokratischen Hürden und der bis dato gesicherten Versorgung nutzen die Züchter dies aber nur als letzten Ausweg. Grundsätzlich ist eine hohe Saatgutqualität stets das oberste Ziel. Bei Weizen zeigt sich die Lage heterogen. Aus vielen Regionen gibt es schon sehr positive Ergebnisse, auch mit hohen Saatguterträgen, während in anderen Regionen die Qualitäten nur schwer erreicht werden.

Saatgutmarkt durch Ernteverlauf nervös

Erfahrungen aus früheren Jahren zeigen aber, dass am Ende zur Aussaat im Herbst auf genug nationales Saatgut (ggf. Z2) zurückgegriffen werden kann. Die EU schreibt für Z1- und Z2- Saatgut eine Mindestkeimfähigkeit von 85 % bzw. 80 % vor. Mit dem hochgesetzten Wert von 92 % für Z1-Saatgut bei Weizen und Gerste und 85 % bei Triticale setzt sich Deutschland von dem europäischen Standard noch einmal deutlich ab.

Die sicherste Strategie ist der Anbau von Z-Saatgut. Denn so werden die Qualitäten abgesichert und überprüft. Bei Nachbau kann es zu Auswuchs kommen und so zum Beispiel die Keimfähigkeit deutlich reduziert sein. Durch die amtliche Zertifizierung werde das Saatgut vorab auf seine Eignung als solches geprüft. Saatgutproduzenten und Händler bemühten sich im Hintergrund bereits um einen schnellen und reibungslosen Ablauf. Damit die vorhandenen Z-Saatgutmengen termingerecht bei den Landwirten sind, sollten diese zeitnah bestellt werden.

Arnd-Kristian Lauenstein, stellvertretender Vorsitzender des Bundesverbandes Deutscher Saatguterzeuger (BDS), bestätigt dies: Der Saatgutmarkt ist aufgrund des Ernteverlaufs extrem nervös. Trotzdem sollten die Landwirte nicht zu Kurzschlusshandlungen übergehen. In schwierigen Jahren zahlen sich verlässliche Geschäftsbeziehungen auf Augenhöhe aus. Es gilt jetzt, schleunigst Z-Saatgut verbindlich zu bestellen, sortenflexibel zu sein und gegebenenfalls die Z2-Verfügbarkeit zu prüfen.

Saatgutverfügbarkeit ausreichend nach ersten Einschätzungen

Gero Heumann, Spartenleiter für Lizenzkulturen bei der Saaten-Union: Die Situation ist über das Bundesgebiet verteilt sehr unterschiedlich. Stark von Qualitätsproblemen betroffen sind Westfalen, Niedersachsen Nord-West und Niedersachsen Nord-Ost (Lüneburger Heide). Vergleichsweise gute Qualitäten sind aus Süddeutschland und dem Rheinland zu erwarten.

Für die Region Ost ist es noch unsicher, da die Ernte vielerorts noch nicht abgeschlossen sei. Die Bestände in der Region Ost waren zum Erntezeitpunkt größtenteils optisch gut und zeigten vergleichsweise hohe Fallzahlen und somit eine eher positive Einschätzung hinsichtlich Keimfähigkeit. Eine erste Einschätzung bei Weizen lässt insgesamt keine Katastrophe in der Saatgutverfügbarkeit erwarten. Die Situation ist aber regional sehr unterschiedlich.

Aktuell verfügen wir noch über sehr wenige konkrete Werte zu Keimfähigkeiten aufgrund des zeitlichen Versatzes von später Ernte und Keimfähigkeitsuntersuchung. Die Situation ist somit insgesamt noch unsicher. Hybridweizensaatgut aus Frankreich mit guten Qualitäten ist in Kürze verfügbar. Bei Hybridroggen ist die Gesamtsituation noch ähnlich unsicher wie im Weizen. Der Großteil der Vermehrungen stand im nördlichen Niedersachsen und wurde bis Anfang letzter Woche geerntet. Die Einschätzung Stand Redaktionsschluss: Die Gesamtverfügbarkeit von Hybridroggen ist ausreichend, aber Teilausfälle bei einzelnen Sorten sind sicher.

Saatgutversorgung – Ein Fazit

Mit Ausnahme der Gerste bleibt aktuell eine große Portion Unsicherheit in der Einschätzung der Gesamtsituation. Landwirte sollten auf gewissenhaft untersuchtes Z-Saatgut zurückgreifen. Eigener Nachbau birgt ein deutlich höheres Qualitätsrisiko als in den vergangenen Jahren.

Aufgrund der späten Ernte ist das Zeitfenster zwischen Ernte/Aufbereitung/ Aussaat deutlich kleiner. Dies stellt eine große Herausforderung für die Logistik dar. Landwirte sollten deshalb so früh wie möglich bestellen, um dieses Szenario bestmöglich zu entzerren und rechtzeitig Ware zu erhalten.


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