Die Äpfel weisen zum Teil frostbedingte Deformationen auf. Alexander Müller zeigt verbliebene Früchte. © Detlef Finger

Frost-Schäden in Querfurt: Obsthof Müller kämpft um Erhalt der Ernte

Die Frostnacht vom 22. auf den 23. April 2024 hat für den Obstbau in Deutschland verheerende Folgen. Besonders betroffen war Sachsen-Anhalt, wo der Familienbetrieb Müller in Querfurt mit Totalausfällen bei Aprikosen und deutlichen Ernteausfällen bei anderen Obstsorten zu kämpfen hat.

Von Detlef Finger

Die verheerende Frostnacht vom 22. auf den 23. April liegt gut vier Wochen zurück. Beim Besuch auf dem Obsthof in Querfurt (Mitte Mai) wagt Inhaber Alexander Müller eine erste Prognose zu den Schäden: „Bei den Aprikosen haben wir Totalausfall, die Fruchtansätze sind komplett durchgefroren und mittlerweile braun und vertrocknet.“

Pflaumen und Süßkirschen: Ernte ungewiss

Pflaumen habe er noch entdeckt, sagt Müller, auf manchem Baum mehr, auf anderen weniger. „Die Frage ist, ob es nur für eine Springform reicht oder doch für ein großes Kuchenblech“, so der Betriebsleiter. Soll heißen: Was letztlich von den 0,75 Hektar geerntet werden kann, ist derzeit noch unklar. Denkbar sei, dass die verbliebenen Früchte größer werden: „Das wäre dann etwas für den Hofladen und würde uns wenigstens einen Teilerlös bringen.“

Bei den Süßkirschen (6 Hektar) könnte es sogar noch eine kleinere, halbwegs passable Ernte geben, schätzt der 47-Jährige verhalten optimistisch ein, wohlwissend, dass sein Familienbetrieb hier eine von nur wenigen Ausnahmen im Land sein würde.

Aprikose-Frost
Bei den Aprikosen vernichtete der Frost die vorhandenen Fruchtanlagen. © Obsthof Müller
Süßkirsche Röteln
Die Süßkirschen röteln zum Teil. Die Früchte könnten noch abgeworfen werden. © Obsthof Müller

Frostschutz-Maßnahmen: Teilweise erfolgreich

Bei einigen zeitigen Kirschsorten finden sich tatsächlich noch intakte Früchte, vor allem im oberen Teil der Baumkronen. Möglicherweise haben die ergriffenen Frostschutzmaßnahmen hier etwas bewirkt. Müller hatte in dem mit Regenschutzplanen bestückten Teil der Anlage, der etwa 30 % der Süßkirschenfläche ausmacht, vor dem Frost die Überdachung zugezogen und über Nacht drei stationäre Gasheizgeräte in Betrieb genommen. Die bliesen warme Luft unter die Planen und bewahrten so womöglich die komplette Kirschblüte vor dem Frosttod. Auch in den Freilandanlagen, wo ein mobiles Gasheizgerät zum Einsatz kam, finden sich zum Teil Kirschen an den Bäumen.

Allerdings beginnen die Früchte teils zu röteln, wie der Obstbauer sagt. Die gut erbsengroßen Kirschen färben sich vorzeitig rot und könnten noch abgeworfen werden. Wie sich ein vorzeitiger Fruchtfall letztlich ertragsmäßig auswirken wird, ist momentan noch offen.

Apfelernte-Prognose und Verformte Früchte als Herausforderung

Die Apfelernte wird deutlich geringer ausfallen, eine genaue Vorhersage ist aber auch bei dieser Baumobstart derzeit kaum möglich. Fakt ist, dass der Behang sehr stark zwischen den einzelnen Sorten differiert. Die Ertragseinbußen schätzt Müller sortenabhängig auf 30–80 %. „Auf alle Fälle werden wir bedingt durch den Frost viele deformierte Früchte haben“, führt der Betriebsleiter fort.

Apfel-Frostschaden
Die Äpfel weisen zum Teil frostbedingte Deformationen auf. Alexander Müller zeigt verbliebene Früchte. © Detlef Finger

In der Direktvermarktung seien diese noch eher an die Kunden zu bringen, man müsse die Hintergründe nur erklären. Der Lebensmitteleinzelhandel würde den Erzeugern die nicht vollkommenen, aber sonst gesunden Äpfel nicht abnehmen, weiß Müller. Und als Verarbeitungsobst seien sie dem Direktvermarkter zu schade, ganz abgesehen vom Erlösausfall. „Durch die große Sortenvielfalt haben wir eine gewisse Risiko­streuung“, schiebt Müller noch nach. Doch keine Regel ohne Ausnahme: Die 8 Sorten Apri­kosen (1 Hektar) hat es komplett erwischt.

Ernte-Ausfall – Was nun?

Zu möglichen Konsequenzen der Ernteausfälle für den Betrieb befragt, führt der Obstbauer zwei Möglichkeiten an. Zum einen könnten die Preise moderat angehoben werden, auch weil die Ernte-Kosten bei gleichem Aufwand, aber weniger Menge an Früchten pro Baum ansteigen. Eine zweite Option wäre, Obst von Berufskollegen zuzukaufen: „Das wird aber nicht einfach, denn der Frost hat auch unsere benachbarten und weitere Bundesländer getroffen.“

Keine Versicherung: Investition in Schutzmaßnahmen

Eine Versicherung gegen Frostschäden hat der Obsthof nicht abgeschlossen. Die Beiträge sind wegen der hohen Hektarwerte für Obst sehr kostspielig. „Für unseren Betrieb kommen da schnell 50.000 Euro zusammen“, weiß Müller. Staatliche Zuschüsse gebe es in Sachsen-Anhalt hierfür nicht. Es gelte daher, die Politik von Notwendigkeit und finanzieller Unterstützung einer Mehrgefahrenversicherung oder anderer Maßnahmen zu überzeugen.

Der Obstbauer hält es derzeit für effektiver, Rücklagen zu bilden sowie in Regenschutzfo­lien für die Kirschen und Hagelschutznetze für die Äpfel zu investieren. „Richtig sicher ist ohnehin nur die Frostschutzberegnung. Bei 30 Kubikmeter Wasserverbrauch pro Hektar und Stunde kommen über mehrere Frostnächte hinweg aber einige Tausend Kubikmeter Wasser zusammen“, rechnet der Unternehmer vor.

Dazu müsste entweder Niederschlagswasser in einem großen Vorratsbecken gesammelt werden, was im Mitteldeutschen Trockengebiet kaum Sinn mache, oder aber Wasser aus den Brunnen gezogen werden. Damit würde jedoch im Ernstfall das Wasserrechtekontigent für die Tröpfchenbewässerung verbraucht.

Apfel-Schutz und Kirschdächer: Was rechnet sich?

Aktuell sind der Betriebsleiter und seine Mitarbeiter dabei, Tröpfchenbewässerung in den Obstanlagen neu zu verlegen oder diese zu erneuern, damit alle Bestände mit Zusatzwasser versorgt werden können. Außerdem werden zusammen mit einem Lohnunternehmen die Hagelnetze in den Apfeljungpflanzungen erweitert. Derzeit ist etwa die Hälfte der gut 8 Hektar Äpfel geschützt, 20 % sollen in absehbarer Zeit hinzu kommen. Ziel ist, 100 % zu erreichen.

Das Einhausen der Bäume mit Hagelnetzen koste pro Hektar 15.000–20.000 Euro, rechnet Müller vor. Angesichts zunehmender Wetterextreme gebe es dazu aber keine Alternative. Noch viel teurer kämen Kirschdächer, die mit Investi­tionskosten von etwa 60.000–80.000 Euro zu Buche schlügen. Eine vollständige Überdachung rechne sich im Trockengebiet jedoch nicht.

Trotz Frost: Kirschenernte startet am 20. Juni

Ungeachtet des Spätfrostereignisses wird am 20. Juni auf dem Obsthof Müller der offizielle Start in die 2024er-Kirschernte in Sachsen-Anhalt vollzogen. Dann werden Vertreter des Obstbauverbandes, des Magdeburger Landwirtschaftsministeriums und der Agrarmarketinggesellschaft in Querfurt den Medienvertretern Rede und Antwort zu den zu erwartenden Erntemengen und Fruchtqualitäten stehen.

Heimisches Obst für den Verbraucher

„Wir müssen ein Zeichen setzen und bei den Verbrauchern für heimisches Obst werben, auch wenn der Frost unsere Betriebe hart getroffen hat“, sagt Müller. In der vergangenen Woche saßen Vorstand und Geschäftsführung des Obstbauverbandes bereits mit Landwirtschaftsminister Sven Schulze (CDU) und Agrar­staatssekretär Gert Zender auf dem Pflanzenhof Voigt in Priorau im Landkreis Anhalt-Bitterfeld zusammen, um die Lage der hiesigen Obsterzeugerbetriebe zu erörtern, die teils existenzbedrohend ist.

Apfelverkauf Obsthof Müller
Der Betrieb hofft, im Hofladen auch Früchte mit kleinen Makeln vermarkten zu können. © Detlef Finger
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Betriebsleiter Alexander Müller in der Apfelplantage nahe der Hofstelle. © Detlef Finger
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