Bevor Fleischermeister Henrik Hain Wurst machen kann, wird geschlachtet: 30 Schweine waren es vergangenen Montag. © Heike Mildner

Milchgeld stützt die Direktvermarktung

Funktionierende regionale Wertschöpfungskette, Arbeitsplatzgenerator und 100 Prozent Brandenburg: Die Agrargenossenschaft Ranzig schafft das mit ihrer Direktvermarktung allen Krisen zum Trotz. Neues von unserem Praxispartner aus Brandenburg.

Von Heike Mildner

Auf dem Acker ist es ruhig geworden. Das Wintergetreide steht gut – der Futterroggen fast zu gut. Der werde Ende der Woche noch etwas von Schafen gekürzt, berichtet Frank Groß, Vorstandsvorsitzender der Agrargenossenschaft Ranzig. Schäfer Ronald Rocher – Lesern der Schafsmeldungen in der Bauernzeitung kein Unbekannter – wird mit einer Herde über einen Teil der 80 Hektar ziehen und verhindern, dass der Roggen sich legt und in Verbindung mit Feuchtigkeit anfällig für Pilze wird.

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Milchproduktion: Erfreuliche Erlöse

Mindestens so erfreulich wie derzeit die Getreidebestände – Raps ist raus in Ranzig – sind die Erlöse der Milchproduktion. Der Grundpreis liegt bei sagenhaften 59,75 Cent/Liter und könnte, wenn er noch eine Weile dort bleibt, ein gutes Gegengewicht zu den steigenden Ausgaben für Löhne und Betriebsmittel sein, hofft Groß. Die Lohnkosten für die knapp 90 Mitarbeiter werden mit der Erhöhung des Mindestlohnes und der adäquaten Anhebung der anderen Lohngruppen für 2023 zusätzliche 500.000 € erfordern.

Und steigen die Löhne, steigen auch die Kinderbetreuungskosten, die die Genossenschaft für rund 20 Mitarbeiter übernehme, um als Arbeitgeber attraktiver zu sein. Für sich genommen immer noch überschaubare Beträge, die sich aber eben summieren, sagt Groß.

Bildergalerie: Neues aus der Agrargenossenschaft Ranzig

Bevor Wurst gemacht werden kann, wird geschlachtet: 30 Schweine waren es vergangenen Montag. © Heike Mildner

Bevor Wurst gemacht werden kann, wird geschlachtet: 30 Schweine waren es vergangenen Montag. © Heike Mildner

Fleischermeister Henrik Hain © Heike Mildner

Bevor Fleischermeister Henrik Hain Wurst machen kann, wird geschlachtet: 30 Schweine waren es vergangenen Montag. © Heike Mildner

Henrik Hain leitet die Landfleischerei. In Schlachtung, Zerlegung, Produktion – zum Beispiel Wurst – und Verkauf in acht Filialen sind ca. 50 Mitarbeiter tätig.

Henrik Hain leitet die Landfleischerei. In Schlachtung, Zerlegung, Produktion – zum Beispiel Wurst – und Verkauf in acht Filialen sind ca. 50 Mitarbeiter tätig. © Heike Mildner

In Schlachtung, Zerlegung, Produktion – zum Beispiel Wurst – und Verkauf in acht Filialen sind ca. 50 Mitarbeiter tätig. © Heike Mildner

In Schlachtung, Zerlegung, Produktion – zum Beispiel Wurst – und Verkauf in acht Filialen sind ca. 50 Mitarbeiter tätig. © Heike Mildner

In der Landfleischerei Ranzig gehen monatlich Waren im Wert von 70.000 € über die Ladentheke. Die meisten wurden im eigenen Hause produziert.

In der Landfleischerei Ranzig gehen monatlich Waren im Wert von 70.000 € über die Ladentheke. Die meisten wurden im eigenen Hause produziert. © Heike Mildner

Inflation und Mangelwirtschaft bei Landtechnik spürbar

Auch bei der Landtechnik greifen Inflation und Mangelwirtschaft: Ein neuer Häcksler müsse her, der koste nicht mehr wie der baugleiche alte 345.00 €, sondern 520.000 €, wobei die Lieferung im nächsten Jahr nicht garantiert werden könne und man sich preislich auf eine Obergrenze einigen musste, um nicht gänzlich die Katze im Sack zu kaufen, so Groß. „Wir wenden uns tendenziell gerade wieder der Lagerwirtschaft zu“, konstatiert Frank Groß und nennt neben Ersatzteilen, Öl, Dünger und Diesel auch so nur scheinbar banale Dinge wie Plastebesteck oder Senf für den Imbiss und Gewürze für die Landfleischerei. „Da es immer schon ein paar Tage dauern kann, bis etwas geliefert wird, gehen wir mehr in Vorleistung.“

„Kunden halten ihr Geld zurück“

Der gute Milchpreis muss derzeit aber auch die Direktvermarktung der Agrargenossenschaft Ranzig stützen. Die brachte 2021 mit 3,5 Mio. € knapp die Hälfte des Gesamtumsatzes, so Groß. „Nach dem Umsatzeinbruch beim Partyservice und im Imbissgeschäft infolge der Coronamaßnahmen hatte sich die Direktvermarktung einigermaßen erholt“, resümiert der Vorstandsvorsitzende, doch sei die Verunsicherung durch den Ukrainekrieg nun deutlich zu spüren. „Die Kunden halten ihr Geld zurück. Alle Filialen verzeichnen weniger Umsatz“, sagt Groß und nennt für die Filiale Fürstenwalde in der Zeit vom 1. Januar bis 30. September ein Minus von 35.000 € im Vergleich zum Vorjahreszeitraum.

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Vor den neuen Ställen: Jeremy Krause und seine Chefs Christian Rußig und Frank Groß von der Agrargenossenschaft Ranzig (v. l.). (c) Heike Mildner

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Durchstarter und Vollblutfleischer leitet Landfleischerei Ranzig

Auf die Schlachtzahlen habe sich das noch nicht ausgewirkt, die würden eher saisonal schwanken und legen gerade wieder zu: 60 Schweine und fünf bis sechs Rinder werden derzeit wöchentlich geschlachtet.

Die 30 Schweine, die am vergangenen Montag geschlachtet wurden, waren schon am Sonntag nach Ranzig gebracht worden. Einzeln gelangen sie vom Wartestall in den Schlachtraum. Drei Mitarbeiter von der Veterinäraufsicht beaufsichtigen, wie das Schwein vor dem Kehlschnitt mit der Elektrozange betäubt wird und es ausblutet. Dann wird es in einer Kammer gebrüht, seine Borsten abgeflammt. Ein anderer Mitarbeiter schneidet den Bauch auf, entnimmt die Innereien und hängt sie auf einen Haken, entnimmt geschickt den Darm, der später fürs Wursten aufbereitet wird. Dann halbiert er das Schwein, das nun ein Schlachtkörper ist, mit einer wasserführenden Motorsäge.

Die Hälften dampfen im benachbarten Kühlraum und werden am Folgetag zerlegt. „Wir achten darauf, dass jeder Mitarbeiter auch jede Arbeit kann“, sagt Henrik Hain. Der 26-Jährige hat in Ranzig 2012 seine Berufsausbildung als Fleischer begonnen, drei Jahre später erfolgreich abgeschlossen, gearbeitet und seinen Meister gemacht und leitet seit Juli die Landfleischerei: ein Durchstarter und Vollblutfleischer, der schon mit sechs wusste, dass er diesen Beruf einmal ergreifen will, erzählt der junge Mann mit leuchtenden Augen.

Seit er Chef der Fleischerei ist, sitze er ziemlich viel im Büro, obwohl ihm die Arbeit in der Produktion Freude macht. Seine „Käsekrainer“, für die er das Ranziger Rezept entwickelte, werden wöchentlich produziert und gehen gut, sagt er nicht ohne Stolz. Seine Kollegen sind heute aber mit anderen Würsten beschäftigt, die gerade in Därme und Gläser gefüllt werden. Auch ein riesiger Kessel Grützwurst ist gerade in Arbeit, der mit Gas beheizt wird.

Funktionierende regionale Wertschöpfungskette, Arbeitsplatzgenerator und 100 Prozent Brandenburg

Überhaupt ist auch in diesem Bereich der Direktvermarktung der Agrargenossenschaft Ranzig etliches teurer geworden: Gläser, Gewürze, Verpackungsmaterial. Und natürlich muss das poi á poi an die Kunden weitergereicht werden, um wirtschaftlich zu bleiben. „Hier haben wir es selbst in der Hand und können mit Fingerspitzengefühl an der Preisschraube drehen“, erläutert Frank Groß. Beim Lebensmitteleinzelhandel hat es die Agrargenossenschaft nicht selbst in der Hand und muss nehmen, was man ihr für Wurst und Schinken zugesteht.

Etwa 50 Mitarbeiter sind im Bereich der Schlachtung, Zerlegung, Verarbeitung und im Verkauf beschäftigt. In acht Filialen und einem Verkaufswagen werden Frischfleisch, Roh-, Brüh- und Kochwurst im Umkreis von etwa 30 bis 40 km rund um Ranzig verkauft. Berlin erobert Ranzig allerdings immer nur einmal im Jahr: zur Grünen Woche. Den Rest des Jahres müssen die Berliner nach Brandenburg kommen, um die Produkte aus Ranzig zu genießen. Und die sind, wovon in agrarpolitischen Kreisen derzeit so oft die Rede ist: Ergebnis einer funktionierenden regionalen Wertschöpfungskette, Arbeitsplatzgenerator und 100 Prozent Brandenburg – allen Krisen zum Trotz.