Symbolfoto (c) Sabine Rübensaat

Wandel, aber keine Kehrtwende

Sachsens Bauernpräsident sieht die Landwirtschaft vor ihrer bisher größten Herausforderung: „Die Politik darf die Veränderungsbereitschaft nicht enttäuschen.“

Herr Krawczyk, welche Gefühle haben Sie als Landwirt und Bauernpräsident beim Wechsel vom alten in das neue Jahr begleitet?
Die Umstände gaben im zurückliegenden Jahr – wirtschaftlich wie gesellschaftspolitisch – ein trauriges Bild. Ich kann absolut nachvollziehen, wenn in den Betrieben Frustration herrscht. Schließlich teile ich als Betriebsinhaber ein Stück weit dieses Gefühl. Das neue Jahr, das ist meine Hoffnung, gibt uns die Chance, neu durchzustarten. Wir stehen vor der großen Herausforderung, die Zukunft zu bewältigen. Das zu begleiten, ist Aufgabe des Bauernverbandes. Deshalb müssen wir zeigen, dass wir an die Zukunft glauben.

Worin genau besteht diese Herausforderung?
Ich denke, wir haben uns zu-recht lange Zeit gegen die Forderung nach einer „Agrarwende“ gewehrt. Denn der Begriff suggeriert, dass wir uns um 180 Grad zu wandeln hätten. Aber inzwischen ist allen klar, dass wir in der Landwirtschaft vor einem Transformationsprozess stehen. Dabei geht es allerdings nicht um eine komplette Kehrtwende, sondern um ein Zugehen auf die Gesellschaft, die nachvollziehbare Forderungen an uns hat. Die können wir aber nur erfüllen, wenn es wirtschaftlich darstellbar ist. Unter diesen Umständen ist die Bereitschaft zu Veränderungen unter den Betrieben sehr groß.

Torsten Krawczyk
Torsten Krawczyk ist Präsident des Sächsischen Landesbauernverbandes (SLB). (c) SLB

Was muss dafür passieren?
Als erstes geht es darum, die Gemeinsame Agrarpolitik für die nächste Förderperiode umzusetzen. Hier muss sich zeigen, dass die Bereitschaft vieler Landwirte, ökologischer zu werden, über eine angemessene Finanzierung honoriert wird. Allerdings habe ich die Sorge, dass in Anbetracht von Corona, hohen Energiepreisen, Versorgungsengpässen und einer insgesamt belasteten Wirtschaft das Versprechen, attraktive Programme anzubieten, nicht eingehalten wird. In dem Fall droht es, viele Enttäuschte zu geben. Aber auf keinen Fall darf eine Ökologisierung über Verbote und Ordnungsrecht herbeigeführt werden. Das würde die Frustration noch weiter steigern.

Frust herrscht schon lange unter vielen Tierhaltern. Wird deren Lage durch die angestrebte Transformation nicht noch schlimmer?
Gerade in der Tierhaltung gibt es noch viele offene Fragen zu lösen und Rahmenbedingungen zu setzen. Zum einen sind die gesellschaftlich geforderten Veränderungen mit hohen Investitionen verbunden, während die aktuellen Märkte großen Belastungen unterliegen. Den Unternehmen fehlt wirtschaftlich die Luft, die Anstrengungen aus eigener Kraft zu realisieren. Dennoch haben wir eine große Veränderungsbereitschaft – aber wir haben andererseits kein Genehmigungsrecht, das zügige Veränderungen ermöglicht. Es nützt nichts, fünf Jahre auf eine Baugenehmigung für einen tierwohlgerechten Stall zu warten, denn dann sind die Märkte an einem vorbeigegangen. Und nicht zuletzt kommen Zielkonflikte hinzu. Zum Beispiel Gegensätze zwischen Tierwohl auf der einen Seite und Festlegungen des Seuchen- oder Emissionsrechts auf der anderen. Hier ist noch so vieles ungeklärt.

Die Afrikanische Schweinepest (ASP) hat sich in Sachsen weiter ausgebreitet. Haben Politik und Behörden im Freistaat versagt?
Ich will Politik und Behörden in Sachsen keinen Vorwurf in dieser Schärfe machen. Man muss anerkennen, dass sich die Verantwortlichen problembewusst gezeigt und die Verbände einbezogen haben. Sicher hätte man manches anders machen können. Aber Sachsen hat versucht – anders als Brandenburg –, die Eingriffe in die Landwirtschaft so gering wie möglich zu halten. Beide Ansätze haben die Ausbreitung der ASP nicht verhindern können. Aber dennoch habe ich Respekt vor den Verantwortlichen in beiden Ländern, die mit dem Problem lange allein gelassen wurden. In Mecklenburg-Vorpommern zeigt sich, welchen Sprung die Seuche in kurzer Zeit machen kann – obwohl sich dort die Politik zuvor selbst gutgeschrieben hat, die ASP aus dem Land gehalten zu haben.

Was ist aus Ihrer Sicht zu tun?
Wenn wir der ASP ernsthaft begegnen und ihre Folgen minimieren wollen, ist die konsequente Umsetzung einer gemeinsamen Strategie zwischen Bund und allen Ländern nötig. Ich hoffe, dass inzwischen alle die Notwendigkeit erkannt haben, das Problem gemeinsam anzusprechen. Zweitens müssen wir uns fragen, wie wir die Seuche künftig bewerten. Die ASP breitet sich unter Wildschweinen aus. Wir schränken aber massiv die Nutztierhaltung ein. Das hat enorme wirtschaftlichen Folgen, ohne dass wir die Seuche damit ausrotten. Würden wir mit der ASP so umgehen wie mit der Geflügelpest, wäre die Lage eine andere. Ein solcher Ansatz muss natürlich auf europäischer Ebene abgestimmt werden.


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Mit einiger Euphorie wurde noch Anfang des Jahres über den Aufbau eines regionalen Schlachthofes unter Federführung des SLB in Sachsen diskutiert. Inzwischen haben viele den Eindruck, es sei um dieses Thema sehr still geworden.
Wir stecken derzeit mitten in der Marktanalyse, werten Statistiken aus und erheben Daten. Es zeichnet sich ab, dass das Ergebnis der Machbarkeitsstudie ein anderes sein wird, als es noch vor zwei Jahren vor Corona und ASP gewesen wäre. Insofern ist es gut, dass wir uns Zeit genommen haben, um ordentlich zu analysieren, wie es werden könnte. Schließlich soll es eine nachhaltige Lösung werden. Außer unserer Machbarkeitsstudie gibt es drei weitere Projekte, die das Thema bearbeiten und mit denen es Austausch und Abstimmungen gibt. Statt eines zentralen Schlachthofes wird es dezentrale regionale Lösungen geben.

Zum Stichwort Regionalität: Hat das Thema die Bedeutung, die Politik und Medien gern vermitteln?
Regionalität ist definitiv ein gesellschaftliches Thema mit Bezügen zu Klimaschutz und Versorgungssicherheit. Als Landwirte müssen wir uns selbstbewusst damit auseinandersetzen und das Thema besetzen – sonst tun es andere und uns bleibt wieder nur die Rolle des Lieferanten. Regionalität begleitet die Transformation der Landwirtschaft und ist eine Chance, den Wandel und die anstehenden Herausforderungen zu bewältigen. Insofern gibt es bei allen Schwierigkeiten auch Grund zur Zuversicht.

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