Erster Auftritt auf der Grünen Woche: der neue EU-Landwirtschaftskommissar Janusz Wojciechowski. (c) Imago Images / snapshot

Träumereien und die Wirkung von Protesten

Die Bauernproteste wirken nach – das ist in den Debatten über die zentralen Agrarthemen auf der Grünen Woche deutlich zu spüren. Gewöhnungsbedürftig dagegen der Auftritt des neuen EU-Agrarkommissars.

Ein Kommentar von Ralf Stephan

Diese Grüne Woche ist anders. Die bundesweiten Bauernproteste fanden viel Nachhall in den Medien. Auch die Traktor-Sternfahrten nach Erfurt, Dresden, Magdeburg und Berlin oder der Mecklenburger Trecker-Korso zogen zur Eröffnung in diesem Jahr die Aufmerksamkeit auf sich. Das wirkte bis in die Pressekonferenzen und Fragestunden, die stets an den Tagen vor Messebeginn stattfinden. 

In früheren Jahren wurden Bauernpräsident und Minister(in) von Journalisten in der Regel mit Fragen bombardiert, die sich auf vor der Messe inszenierte Kampagnen von Umwelt- und Tierschutzverbänden bezogen. Die gab es zwar auch jetzt: So hatte der Tierschutzbund angekündigt, die Bundesministerin verklagen zu wollen und Greenpeace eine Fleischabgabe gefordert – aber beides interessierte den Pressetross schon am nächsten Tag nicht mehr besonders. Stattdessen ließen die Fragen erkennen, dass man sich in vielen Redaktionen seit den großen Herbstdemonstrationen intensiver als früher mit agrarpolitischen Themen auseinandersetzt. Entsprechend vielseitiger fiel die Berichterstattung bisher aus.

Die Düngeverordnung bleibt der Zankapfel

Welche Botschaften gab es noch? Sowohl Politik als auch Verbände versprechen, die Auseinandersetzung nicht eskalieren zu lassen. Vielmehr soll sachlich nach Lösungen gesucht werden. Wo sie bei der Düngeverodnung liegen könnten, bleibt dennoch unklar. Für den Deutschen Bauernverband ist der vorliegende Referentenentwurf gleich wegen drei Punkten unannehmbar:

  • der 20- %-Abzug von der bedarfsgerechten Düngung in roten Gebieten,
  • das Verbot des Andüngens von Zwischenfrüchten,
  • die Zweifel an der Aussagekraft des Grundwasser-Messnetzes.
Ralf Stephan, Chefredakteur der Bauernzeitung

Viel mehr als Verständnis kam von der Bundeslandwirtschaftsministerin nicht. Den Vorwurf, das Messnetz sei stellenweise fragwürdig und die Ausweisung der roten Gebiete undurchsichtig, unterstützte Frau Klöckner zwar. Aber nur, um ihn dann an die Länder weiterzureichen. Die sollten das in Ordnung bringen. Ob der Bund den „Schwarzen Peter“ so ohne Weiteres wegschieben kann? Er war es doch, der seinerzeit die kritischen Zahlen nach Brüssel gemeldet und jetzt die Verschärfungen im Düngerecht fast ohne Rücksprache mit den Ländern ausgehandelt hatte. Wie auch immer: Wer ihr zuhörte, musste den Eindruck gewinnen, dass die Ministerin kaum Spielraum für Nachbesserungen sieht.

EU-Agrarkommissar will nur noch Biobauern

Zweites großes Thema: die Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP). Regelrecht überrascht zitierten Beobachter den Bauernverbandspräsidenten mit der Aussage, die GAP müsse grüner werden. Dabei ist sie alles andere als neu: Schon letzten Sommer auf dem Bauerntag in Leipzig bestimmte dieser Satz Rukwieds Grundsatzrede. Dass Verbände nicht immer gegen alles sind, scheint aber immer noch Gewöhnung zu erfordern. 

Gewöhnen werden wir uns auch an den neuen Agrarkommissar. Janusz Wojciechowski machte, ganz anders als der Ire Phil Hogan bei seiner Pre­miere, vor der Presse einen fast schüchternen Eindruck. Die Erklärungen des Polen gingen kaum über das hinaus, was bisher über die GAP-Reform und den Grünen Deal bekannt ist. Beim Empfang der ökologischen Lebensmittelwirtschaft verriet er dann, wovon er träumt: dass alle EU-Bauern auf Bio umstellen. Träumen darf natürlich jeder. Vom ersten Auftritt eines Agrarkommissars hätte man jedoch schon ein wenig mehr Handfestes erwartet.  


EU-Kommissar Grüne Woche - Titel Bauernzeitung

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