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Von grünen Idealen und ländlicher Wirklichkeit

Wie sollen wir die ländlichen Räume in Ostdeutschland gestalten? In Brandenburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt gibt es dazu klare Ansichten. Und auch wenn sie sich ähneln, gibt es feine Unterschiede.

Es kommentiert Heike Mildner

Mindestens 30, später 60 Prozent der Direktzahlungen für Öko-Regelungen (Eco-Schemes), bundesweit eine stärkere Umschichtung der Direktbeihilfen zugunsten der ersten Hektare sowie Kappung und Degression: Die Lektüre des aktuellen Positionspapiers der fachpolitischen Sprecherinnen und Sprecher der Grünen in den Parlamenten auf EU-, Bundes- und Länderebene dürfte konventionell wirtschaftende Landwirte wieder einmal mental vom Hocker hau‘n, wenn sie es lesen würden.


Redakteurin Heike Mildner
Heike Mildner ist Landesredakteurin in Brandenburg. (c) Sabine Rübensaat

Kein Wunder, dass manch Landnutzer in Sachsen und Brandenburg angesichts sich abzeichnender grün-geführter Agrarministerien nach den Landtagswahlen am 1. September 2019 spontane Abwehrreaktionen entwickelte, die von manch starkem Verbandswort begleitet wurden. Es folgten persönliche Begegnungen auf Klausurtagungen, Verbandstreffen, Versammlungen und nicht zuletzt viele direkte Kontakte der neuen Minister mit Landwirten und Direktvermarktern auf der Grünen Woche. Mittlerweile dominiert das Management der Corona-Folgen den Dialog und das ministerielle Handeln. Und doch wird in beiden grün-geführten Ministerien agrarpolitischer Gestaltungswille deutlich.

Brandenburg: Leitbild als Grundlage des Agrarstrukturgesetzes

Das Brandenburger MLUK – Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und Klimaschutz – hat einen Prozess, der analog anlaufen sollte, ins Internet ausgelagert, weil man keine Zeit verlieren will: Richtungsweisende Aussagen für ein Leitbild zur Agrarstruktur sollen bis Mitte Juni anhand eines detaillierten Fragenkatalogs erörtert werden. Daran beteiligen können sich alle, die sich eine Meinung dazu gebildet haben. Das Leitbild soll Grundlage für ein Agrarstrukturgesetz sein. Agrarminister Axel Vogel, geboren 1956 in Bochum, ist ein Grüner der ersten Stunde. Der Betriebs- und Volkswirtschaftler, seit 1991 für den Naturschutz in Brandenburg unterwegs, wird aber nicht müde zu betonen, dass er sich als Minister einer Drei-Parteien-Regierung versteht.

Er hat die Agrarstruktur an die erste Stelle seiner Agenda gesetzt. Wie die Beteiligung läuft und warum dialogbasierte Prozesse nicht immer eine Rundum-Zufriedenheits-Garantie enthalten, ist im ausführlichen Interview nachzulesen. Zudem auf Vogels Agenda: Stärkung regionaler Vermarktungsstrukturen und Halbierung des Einsatzes chemisch-synthetischer Pflanzenschutzmittel bis 2030.

Agrarstruktur in Sachsen: Regionalität weiter fördern

Im sächsischen SMEKUL – Staatsministerium für Energie, Klimaschutz, Umwelt und Landwirtschaft – will man in dieselbe Richtung. Minister Wolfram Günther, geboren 1973 in Leipzig, Rechtsanwalt und Kunsthistoriker, setzt jedoch andere Prioritäten: Egal ob biologisch oder konventionell produziert sollen Lebensmittel mehr dort verarbeitet und verzehrt werden, wo sie gewachsen sind. Da man dagegen erstmal nichts haben kann, begegnen sich in Sachsen Landwirte und Minister mittlerweile mit wohlwollender Neutralität.

Unter Dalbert fast doppelte Ökofläche in Sachsen-Anhalt

Im MULE – Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft und Energie in Sachsen-Anhalt – tritt Claudia Dalbert, geboren 1954 in Köln, promovierte Psychologin, ins vorerst letzte Regierungsjahr ein. Den Entwurf für ein Agrarstrukturgesetz hatte sie noch von ihrem Vorgänger in der Schublade. Verabschiedet wurde es nicht, weil sich wesentliche Akteure zuvor aus dem Leitbildprozess verabschiedeten. Dalberts Thema wurde die Förderung des Ökolandbaus. Die Fläche hat sich seit ihrem Amtsantritt fast verdoppelt. Ob nachhaltig, wird sich zeigen. Bereits gezeigt hat sich, dass die Nähe zu ländlichen Akteuren und geteilte Kräfteverhältnisse immer ein Miteinander erfordern, will man als Politiker – Gestaltungswille hin und her – am Ende nicht allein dastehen.