Das weitere Vorgehen beim Insektenschutzprogramm ist eins der Themen. (c) Heike Mildner

Insektenschutz: Mehr als ein Summen – ein guter Anfang

Bei zwei gegründeten Initiativen für mehr Artenvielfalt und Insektenschutz in der Landwirtschaft bahnen sich Konflikte an. Die neu gefundene Einigung soll Bauern, Naturschützer und Landesregierung näher zusammenbringen.

Es kommentiert Ralf Stephan

Ein kleiner Schritt für einen ehemaligen Umwelt-Staatssekretär, aber was für ein großer für den Insektenschutz! Nun gut, die bemerkenswerten Vorgänge in Brandenburg mit der Mondlandung zu vergleichen, ist vielleicht doch etwas übertrieben. Aber der Umstand, dass der frühere Potsdamer Spitzenbeamte und heutige Landesvorsitzende des Nabu nicht mehr von Pestiziden spricht, wenn er chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel meint, verdient mehr als ein Achtungszeichen. Denn diese Geste könnte für einen Sinneswandel stehen, der den Weg frei macht für einen gemeinsamen Aufbruch von Landwirten und Naturschützern.

zwei initiativen halten gegeneinander

Chefredakteur der Bauernzeitung/Deutschland: Ralf Stephan. 2019
Ralf Stephan, Chefredakteur der Bauernzeitung

Aus dem Nichts kam dieser Sinneswandel keineswegs. Vorangegangen war eine handfeste Konfrontation. Im Fahrwasser des erfolgreichen Volksbegehrens für „Artenvielfalt & Naturschönheit in Bayern“ sammelte der märkische Nabu ab April 2019 fleißig Unterschriften für seine ähnlich ausgerichtete „Volksinitiative Artenvielfalt“. Anders als in Bayern reagierten die Brandenburger Landnutzer und ihre Verbände: Sie setzten mit „Mehr als nur ein Summen!“ eine eigene Volksinitiative dagegen. Die bessere, wie sie fanden, denn in Sachen praktische und wirtschaftliche Umsetzbarkeit trauen sie sich wirksamere Lösungen zu.

Zwei Volksinitiativen sind keineswegs besser als eine. Hier bahnte sich ein Konflikt an, der am Ende nur Verlierer gekannt hätte – obwohl beide dasselbe wollen: mehr Artenvielfalt und Insektenschutz.

Hier war Vermittlung nötig. Die Agrarsprecher der Landtagsfraktionen nahmen sich der Aufgabe an und holten die Landesregierung hinzu. Schließlich liefen beide Initiativen auch darauf hinaus, Gesetze zu ändern. Zum Beispiel, wenn in der Vergangenheit Mindestflächen für die Förderung festgelegt worden sind, die einfach umsetzbaren Umweltmaßnahmen im Wege stehen.

Das Schwierigste war zu erklären, warum ein Landwirt Dinge macht, obwohl er sie anders machen möchte, aber nicht anders machen kann, berichtete uns ein Teilnehmer. Auf die aktuelle Agrarförderung wirft das ein bezeichnendes Licht. Gut, dass es den Willen und offenbar auch Wege heraus aus diesem Dilemma gibt.


Wildbiene auf Borretsch

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gemeinsamer weg zu mehr artenvielfalt

Ganz nebenbei haben Nabu-Vertreter ein Gespür dafür entwickelt, warum sich Bauern beim Wort Pestizid die Nackenfedern aufstellen. Und Landwirte unterstützen nun deren Forderung nach einer Minimierungsstrategie für chemischsynthetische Pflanzenschutzmittel. Jedem ist klar, dass sich Dinge ändern müssen, aber ebenso, dass „Strategie“ nicht „von heute auf morgen“ bedeutet, und auch, dass fast nichts ohne Ausgleich geht. Ohne gegenseitiges Verständnis lassen sich eben keine Kompromisse finden. Das gelingt gerade auf diesem Gebiet nicht immer, aber zum Glück wohl immer öfter. Erst kürzlich einigten sich Bauern, Naturschützer und Landesregierung in Brandenburgs Nachbarland Niedersachsen verbindlich auf einen gemeinsamen Weg zu mehr Artenvielfalt.

Von Herzen zu wünschen ist zum einen, dass der Wille anhaltend stark genug bleibt, am Vereinbarten festzuhalten. Und zum anderen, dass die beiden Beispiele Schule machen. Bauern, Naturschützern und Insekten würde das sicher mehr bringen als die nächste Mondlandung.