Dr. Doreen Werner, Biologin und Mückenforscherin am Leibniz-Zen-trum für Agrarlandschaftsforschung (Zalf) im brandenburgischen Müncheberg. (c) Sabine Rübensaat

Mücken: Was hilft wirklich gegen die blutsaugenden Plagegeister?

Auf der Suche nach einer Blutmahlzeit fliegen uns Mücken immer wieder hartnäckig an und stechen zu. In diesem Jahr scheint es besonders schlimm zu sein. Doch warum sind so viele Plagegeister unterwegs? Wir sprachen mit Biologin und Mückenforscherin Dr. Doreen Werner.

Das Gespräch führte Bärbel Arlt

Nicht alles, was uns plagt, ist eine Plage. Wir haben ein normales Mückenjahr, wenngleich in einigen Regionen durchaus mehr Mücken unterwegs sind als gewöhnlich. Nur suggeriert unser Empfinden nach zwei sehr trockenen Jahren, dass es in diesem Sommer besonders schlimm sei. Denn Mücken mögen es feucht und warm. Gibt es keine Feuchtigkeit und keine Niederschläge, so wie 2019 und 2020, gibt es auch keine Brutstätten, in denen die Mückenweibchen, die uns auch stechen, ihre Eier ablegen können. Das ist in diesem Jahr anders.

Wann spricht man von einer Plage?
Wenn man pro Minute mehr als 20 Stiche hat. Und bei einem Grillabend im Garten ist das gewöhnlicherweise eher nicht der Fall. Außerdem wird der eine mehr gestochen als der andere. Zwar fühlen wir uns dann von den Mücken belästigt und sind genervt, aber eine Mückenplage ist das nicht. Das mag und kann natürlich vor allem in wasserreichen Regionen wie in einer Fluss- oder Seenlandschaft anders sein. Dort trägt man dann entweder Kleidung, die die Haut bedeckt und nicht von Mücken durchstochen werden kann, oder man meidet solche Gegenden.

Warum werden die einen mehr, die anderen weniger gestochen? Es heißt oft, das liege am süßen Blut.
Das süße Blut ist ein Mythos, da ist nichts dran. Ob jemand für eine Mücke attraktiv ist, hängt mit der Luft zusammen, die wir ausatmen. Darin ist CO2 enthalten, das die Mücken anlockt. Auch Bakterien, Hormone, Parfüm, Creme, Duschgel, die auf der Haut für eine bestimmte Duftnote sorgen, und sogenannte Stinkstoffe wie Phenole und Ketone, die wir über die Haut ausdünsten, machen uns für Mücken unwiderstehlich. Und dieser Cocktail aus Ausatmung und Hautgeruch ist bei jedem Menschen anders und daher sind wir eben auch unterschiedlich anziehend für Mücken.

Die einen schwören auf Duftkerzen, andere auf Knoblauchessen, Tomaten und Antimückenspray – was hilft wirklich gegen die Plagegeister?
Ein Patentrezept gibt es nicht. Was hilft, muss jeder individuell für sich ausprobieren. Wissenschaftliche Untersuchungen, die belegen, dass bei diesen Mitteln die Abwehr funktioniert, gibt es nicht. Aber es kann helfen, den Schweiß abzuduschen, auf Duftstoffe wie Duschgel, Deo oder Parfüm zu verzichten, die Regentonne oder andere offene Gefäße abzudecken bzw. zu entleeren und lange Kleidung zu tragen.

Doch was tun, wenn die Mücke zugestochen hat? Spucke und Zwiebel sollen helfen …
Oberstes Gebot ist: Nicht kratzen. Denn durch Kratzen oder Reiben können Bakterien und Keime eindringen, die Stichwunde entzündet sich, und es kann zu einer Sekundärinfektion kommen wie Rötung, Eiterbildung, Ödem. Helfen können Wärmestifte oder – pflaster, denn Hitze zerstört die Proteine. Von Hausmitteln wie Zwiebel, Spucke oder mit dem Fingernagel ein Kreuz in den Stich drücken halte ich überhaupt nichts, denn auch dadurch können Keime und Bakterien in den Körper gelangen.

Warum jucken Mückenstiche?
Ob Gemeine Hausmücke, Kriebelmücke oder Zecke – alle Blutsauger injizieren einen Proteincocktail in die Stichwunde. Dieses Eiweißgemisch dient dazu, die Blutgerinnung zu verlangsamen. Gleichzeitig werden die Nerven gelähmt. Wir bemerken den Stich oder den Biss meist erst, wenn die Mücke ihre Blutmahlzeit beendet hat. Zugleich wehrt sich unser Immunsystem gegen die fremden Eiweiße und schüttet Histamin aus. Der Stich schwillt an und beginnt zu jucken. Je nach Mückenart ist dieser Proteincocktail unterschiedlich, und auch die menschlichen Reaktionen sind je nach Immunsystem verschieden. In Deutschland gibt es 28 verschiedene Mückenfamilien. Mücke ist also nicht gleich Mücke.

Die Asiatische Buschmücke gehört zu den invasiven Arten. Ihre Verbreitung in Deutschland nimmt zu.
Die Asiatische Buschmücke gehört zu den invasiven Arten. Ihre Verbreitung in Deutschland nimmt zu. (c) Sabine Rübensaat

Und wie viel Stechmückenarten gibt es?
Weltweit sind es 3.500, in Deutschland 52 Arten, darunter fünf invasive, von denen die Asiatische Buschmücke und die Asiatische Tigermücke heimisch geworden sind und sich immer mehr ausbreiten.

Müssen wir Angst vor gefährlichen Krankheitserregern haben, die durch Mücken übertragen werden können?
Diese Angst ist nicht unbegründet, weil Mücken Viren übertragen können. Doch das betrifft nicht nur exotisch invasive Arten wie die Asiatische Tigermücke und die Asiatische Buschmücke.

Als Überträger wurde auch die heimische Stechmücke identifiziert. Sie kann das in Afrika beheimatete West-Nil-Virus übertragen. Es wurde 2018 erstmals in Deutschland mit Infektionen bei Vögeln und Pferden nachgewiesen. 2019 gab es den ersten Fall beim Menschen. Und das Virus ist weiter auf dem Vormarsch. Betroffen ist aktuell der östliche Teil Deutschlands.

So gibt es nach wie vor gute Gründe, für das deutschlandweite Mückenmonitoring, mit dem ermittelt wird, wo welche Mücken heimisch sind, welche zuwandern und sich etablieren. Wichtiges Instrument dafür ist der Mückenatlas. An dem kann sich jeder beteiligen, indem er Ihnen Mücken schickt. Wie ist die Resonanz in diesem Jahr?
Wieder sehr hoch. Täglich erreichen uns zwischen 60 und 100 neue Einsendungen. Insgesamt waren es in diesem Jahr bisher über 1.200 mit rund 5.000 Stechmücken. Über jede Mücke freuen wir uns. Nur so können wir die Verbreitung exakt und detailliert kartieren und Risikoanalysen erstellen.

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