Mitten drin statt außen vor. Sabine Kabath und Philipp Adler diskutieren im Folientunnel. © Friederike Dexters-Grund

Junges Gemüse lernt von alten Hasen

Das Junglandwirteprojekt der FÖL zeigt Wirkung. Echter Wissenstransfer hilft Existenzgründern dabei, ihre Unternehmen auf die richtige Spur zu setzen und unnötige Fehler zu vermeiden.

Die Fragen stellte Friederike Dexters-Grund

Seit letztem Herbst gibt es in Brandenburg für Existenzgründer eine großartige Möglichkeit, vom Wissen erfahrener Berufskollegen zu profitieren. Das im Herbst 2020 angelaufene Eler-Projekt „Netzwerk für Mentoring und Beratung von Junglandwirten und Betriebsgründern in Brandenburg“ bietet Hilfe durch Mentoring, Fachberatung, Weiterbildungsveranstaltungen, Vernetzung und weitere Angebote.

Mit die ersten, die davon profitierten, sind Lena Buss und Philipp Adler, ein Gärtnerei-Gründerpaar aus Altglobsow. Sie errangen einen Platz als Mentees im Programm und arbeiten mit Mentorin Sabine Kabath von der Bio-Gärtnerei Watzkendorf GmbH zusammen.

Lena und Philipp, wie seid Ihr darauf gekommen, Euch mit einer Gärtnerei auf eigene Füße zu stellen? Habt Ihr einen familiären Hintergrund?
Philipp: Wir haben zwar beide in Eberswalde an der HNE studiert. Es war aber nicht unsere Vision oder eine Idee, von jetzt auf gleich Gemüsebauer zu werden. Es war mehr ein Prozess. Wir hatten schon immer großes Interesse an gutem Essen, haben in der Vergangenheit auch viel danach gesucht, aber gemerkt, dass es nicht immer einfach ist, gute Produkte zu bekommen. Der eigene Anspruch an das Konsumverhalten war ein großer Treiber. Irgendwann spürten wir beide das Verlangen, qualitativ hochwertige Lebensmittel regional produzieren zu wollen.

Lena: Ich habe keinen familiären Hintergrund. Philipp dagegen schon eher. Der Lebensgefährte von Philipps Oma war Gärtner.

Philipp: Ich war seit der Kindheit schon immer fasziniert von Gewächshäusern und liebte besonders schon immer den Geruch von vollgepflanzten „Gewächshausbuden“.

Wie lange gibt es Euch schon?
Lena: Seit April 2020 sind wir am Start.

Lena und Phillip

Das sind Lena und Philipp

Lena Buss hat nach einer Ausbildung zur Gärtnerin im Fachbereich Baumschule und einigen Berufsjahren Gartenbau in Erfurt studiert. Danach folgte ein kurzes Intermezzo in der Forschung für Pflanzenschutz und im Qualitätsmanagement für Obst und Gemüse im Biogroßhandel. Der Wille, Nahrungsmittel nachhaltiger und qualitativ hochwertiger zu erzeugen, führte sie nach Eberswalde an die HNE und zum Master in Öko-Agrarmanagement (ÖAM).

Philipp Adler hat in Leipzig physische Geographie studiert und versehentlich mit Diplom abgeschlossen. Einige Jahre am DBFZ (Deutsches Biomasse-Forschungszentrum) und der Forschung an Potenzialen und Fragen zur Nachhaltigkeit der Biomassenutzung weckten den Wunsch, wirklich alternative Landnutzungssysteme zu finden und mitzukreieren. Bei nachfolgenden Projekten und dem ÖAM-Studium in Eberswalde traf Philipp auf Lena.

2020 gründeten die beiden ihren eigenen Biogemüsebaubetrieb „Good Food Syndicate“ (www.gfsyn.de) in Altglobsow. Sie bewirtschaften drei Hektar biointensiv und vermarkten ihre Erzeugnisse ausschließlich direkt an Privatpersonen und Gastronomien. Die Zusammenarbeit mit Sabine als Mentorin ist bei der Weiterentwicklung ihres jungen Betriebes eine wertvolle Unterstützung und räumt ihnen einige Steine aus dem eingeschlagenen Weg.

Habt Ihr erstmal angetestet oder seid Ihr gleich im Haupterwerb gestartet?
Lena: Die Gründung war sofort als Haupterwerbsbetrieb, jedoch haben wir davor diverse Praktika gemacht, um Erfahrungen zu sammeln.

So ein Unternehmen zum Laufen zu bringen, ist bestimmt nicht einfach. Schön, wenn es da die Möglichkeit gibt, von erfahrenen Berufskollegen zu lernen. War das von vornherein Euer Plan, Euch Mentoren zu suchen?
Philipp: Seitdem wir Sabine Kabath kennen und uns getraut haben, mal an ihrem Büro zu klopfen, haben wir immer wertvolle Tipps von ihr bekommen.

Lena: Mentoren haben wir nicht gezielt gesucht, jedoch haben wir schon immer andere Höfe besucht, uns das eine oder andere abgeschaut und Erfahrungsaustausch betrieben. Wir haben uns dann sehr gefreut, dass das Mentorenthema durch die FÖL offiziell gemacht wurde und wir unsere Mentorin, die wir bekommen haben, jetzt einfach ganz unbefangen anrufen können, ohne ein schlechtes Gewissen.

Sabine, was hat Dich dazu bewogen, bei dem Projekt mitzumachen? Hast du selbst zum Beginn deiner Laufbahn von den Erfahrungen der gestandenen Berufskollegen profitiert?
Sabine: Zu der Zeit, als ich angefangen habe, hat sich das schwierig gestaltet, an Erfahrung zu kommen. Ich habe auch keinen gärtnerischen Hintergrund. Ich wollte was mit Pflanzen machen, habe dann Gärtner gelernt, anschließend meinen Meister gemacht, und dann kam die Wende und es bot sich der Gärtnereistandort in Watzkendorf an. Als Grünschnabel – ohne zu wissen wie – habe ich damals begonnen.

Eins war nur klar: Wenn wir was machen, dann Bio. Gute Bücher gab es früher nicht wirklich, zumal es nicht immer einfach ist, das Theoretische auf den Acker zu übertragen. Wir waren damals eine der wenigen in der Region. Daher zog es uns eher nach Berlin, wo dann schon mehr Wissen aus den alten Bundesländern ankam. So hat man dann auch abgeguckt von den Kollegen. Theoretisches Wissen aus dem Buch umzusetzen, dabei macht man viele Fehler. Dies kann man auch verkürzen durch praktischen Wissenstransfer. Ich weiß, wie schwer die erste Zeit war, inklusive der vielen roten Zahlen.

Das ist das Projekt

Der Bedarf an Fach- und Führungskräften in der Brandenburger Landwirtschaft ist hoch. Auch die Zahl der Gründungswilligen steigt. Doch der Einstieg ist nicht leicht und das vorhandene Beratungsangebot kommt zu kurz.

Um Hofübergaben, Existenzgründungen und junge Betriebe zu unterstützen, arbeitet die Fördergemeinschaft Ökologischer Landbau Berlin-Brandenburg e. V. (FÖL) mit den Kooperationspartnern Bündnis Junge Landwirtschaft e. V. (BJL) und der Regionalwert AG Berlin-Brandenburg seit 2020 im Eler-geförderten Projekt „Aufbau eines Netzwerkes für Mentoring und Beratung für Junglandwirte in Brandenburg“ zusammen. Im Mittelpunkt stehen dabei der Wissenstransfer und die Vernetzung.

Auf neues Terrain begibt sich das Projekt mit seinem Mentoring-Angebot. Diese uralte Form der Wissensweitergabe ist bis dato nicht offiziell in der Landwirtschaft zu Hause: Junge Betriebsleiter können sich durch die Expertise und Begleitung erfahrener Praktiker weiterentwickeln. Daneben werden im Projekt gezielte Fachberatungen vermittelt. Gründungswilligen wird eine Erstberatung angeboten. Auch eine Reihe von Online-Workshops sowie Exkursionen stehen auf der Tagesordnung.

Wie schätzt Du es ein, ist es heute schwieriger, einen eigenen Betrieb zu gründen als noch vor zwanzig Jahren?
Sabine: Nein, das glaube ich nicht, vielleicht ist es heutzutage sogar einfacher, weil die Gesellschaft drumherum offener geworden ist. Wir waren ja damals die „Spinner“. Das ist heute nicht mehr so. Die Anerkennung im Dorf als Öko ist heute besser. Aber vom Tun her ist es natürlich genauso schwer, da gibt’s keinen Unterschied. Land ist heute schwieriger zu bekommen. Das Land wandert zum Teil immer mehr in großindustrielle Strukturen ab, und die Eigentümer sind oftmals Investoren, die nur auf der Suche nach einer anständigen Rendite sind. Bei den heutigen hohen Preisen ist es eine Hürde, Land zu kaufen. Aber auch langfristige Pachtverträge abzuschließen, die einem ein vernünftiges Planen ermöglichen, ist nicht so einfach.

Wie lange arbeitet Ihr schon zusammen?
Sabine: Wir haben im Frühjahr 2021 angefangen.

Trefft Ihr euch regelmäßig oder nur bei Bedarf?
Sabine: Bei Bedarf wird sich vor Ort getroffen. Wir telefonieren jedoch regelmäßig, übersenden Fotos und Videos von den Kulturen und besprechen in diesem Rahmen vieles.

Wie strukturiert Ihr die Treffen?
Philipp: Wir Gründer haben einen Zettel, wo wir regelmäßig alle Fragen aufschreiben. Diese übersenden wir vorab an die Mentorin. Wir machen dann bei den Vor-Ort Terminen einen Rundgang und klären die Fragen direkt. Viele Dinge sieht Sabine direkt und nimmt dazu Stellung, ohne dass wir vorab Fragen formuliert haben.

Bio Gemüse
© Friederike Dexters-Grund

Geht es eher um handwerkliche Tipps oder doch eher um die Betriebswirtschaft?
Lena: Es geht in der Praxis um handwerkliche Tipps, die sich dann am Ende natürlich betriebswirtschaftlich ausdrücken. Es gibt derzeit noch nicht so viele Zahlen, über die man rüberschauen könnte. Wenn es später zum Beispiel um die Anschaffung von Maschinen geht, müssen auch betriebswirtschaftliche Betrachtungen angestellt werden.

Wie schätzt ihr den Nutzen dieser Zusammenarbeit ein? Lernen nur die Jungen von den Alten oder vielleicht auch die Alten von den Jungen?
Sabine: Jeder Gang auf den Acker eines anderen Betriebs bereichert auch einen selbst. Manchmal sieht man eine Kultur, die hier sehr gut aussieht, dann zieht man Vergleiche und hinterfragt … diese „Ackerrandgespräche“ sind immer fruchtbar.
Lena: Der Erfahrungsaustausch mit Sabine ist für uns unbezahlbar, wir können dadurch viele Fehler vermeiden und uns die eine oder andere rote Zahl ersparen. Durch die Antworten von Sabine bleibt uns zeitaufwendige Recherche erspart und wir bekommen im Hinblick auf unsere Problemstellungen immer einen sehr guten Fahrplan.

Sabine

Das ist Sabine

Sabine Kabath ist Jahrgang 1966, lebt im Süden Mecklenburg-Vorpommerns, liebt den Biogemüseanbau und hat sich in den letzten Jahren mit Managementaufgaben angefreundet. Ihre Leidenschaft hat sie früh entdeckt. Es sollte etwas mit Pflanzen sein.

Nach einer kurzen Stippvisite in einem Finanzstudium, das ihr überhaupt nicht lag, fiel die Entscheidung zur Gärtnerausbildung. 1988 zog es sie aufs Land nach Mecklenburg bei Neustrelitz. Sie absolvierte die Meisterausbildung. In den Wendewirren hat sie die Abwicklung der Abteilung Gemüsebau ihres Betriebes übertragen bekommen. Über mehrere Zwischenstufen mit Projekten und Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen konnte der Gärtnereistandort erhalten werden. 1997 gelang mit der Gründung der Bio-Gärtnerei Watzkendorf GmbH der Schritt in die Selbstständigkeit. Bis heute entwickelt sie ihren Betrieb stetig weiter.
Ihre Nachfolge hat sie vorausschauend bereits seit geraumer Zeit gesichert. Sie ist ehrenamtlich sehr aktiv und engagiert sich u. a. für die Entwicklung des ökologischen Landbaus, besonders im Bioland e. V. sowie für die gärtnerische Berufsausbildung. Sabine teilt schon immer gerne ihre Erfahrungen und möchte vermeiden, dass junge Gärtner und Gärtnerinnen beim Aufbau ihrer Gärtnerei die gleichen Fehler machen wie sie. Ihr Netzwerk ist vielfältig. Sie legt großen Wert auf den gemeinsamen Austausch.

Würdet Ihr diese Art der Zusammenarbeit weiterempfehlen?
Sabine: Ich als Mentorin würde sie weiterempfehlen, jedoch bin ich relativ frei in meinem Handeln, da meine Firma recht gut läuft. Wenn ich aber voll aktiv in die Produktionsprozesse eingebunden wäre, würde ich auch nicht rauskommen und hätte keinen freien Kopf, um als guter Mentor zu agieren und noch für ein zweites Unternehmen mitzudenken. Ich gebe mein Wissen sehr gerne weiter, das ist unsere Firmenphilosophie. Es ist auch wertvoll, denn wenn man einem etwas erklärt, kann man sein eigenes Wissen festigen – wie damals in der Schule. Indem man sein eigenes Wissen vermittelt, hinterfragt man dieses ja auch noch. Somit ist diese Art der Zusammenarbeit auch für die Mentoren sehr wertvoll und bereichernd.

Philip: Bekannte von mir belegen zum Beispiel Gärtner-Internetkurse, die ich nicht für so effizient halte. Es ist einfach viel mehr wert, wenn ein erfahrener Praktiker in dein Gewächshaus schaut und dir hautnah an der Kultur erzählt, wo die Probleme liegen und was wir besser machen können. Es ist für uns ein hochqualitativer Wissenstransfer. Wir als junges Gärtnerpaar sind einfach total dankbar für die praktische Unterstützung unserer Mentorin und auch für die Arbeit der FÖL, welche das Mentoring-Programm auf die Beine gestellt hat und begleitet. Wir hoffen, dass dieses Konzept institutionalisiert wird, damit auch zukünftig weitere junge Leute davon profitieren können.


Weitere Infos unter www.junglandwirte-brandenburg.de

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