Eine radikale Änderung der Haltungsform statt gradueller Verbesserungen für Sau und Ferkel strebt Christine Friedrich an. (c) Sabine Rübensaat

ASP-Krisengipfel? Enttäuschend

Wir sprachen mit Christine Friedrich, Ferkelzüchterin im „gefährdeten Gebiet“, über die Folgen der ASP für ihren Betrieb.

Die Fragen stellte Heike Mildner

Seit 20 Jahren züchtet Christine Friedrich in Worin Ferkel. Eigentlich ein Grund zum Feiern, aber die Unsicherheit ist groß: Ihr mittelgroßer Betrieb mit 230 ha Fläche liegt in der gefährdeten Zone in Märkisch-Oderland.

Christine Friedrich ist Ferkelzüchterin und war bei der Runde in Potsdam dabei. (c) privat
Christine Friedrich ist Ferkelzüchterin und war bei der Runde in Potsdam dabei. (c) privat

Sie waren beim ASP-Krisengipfel am 30. Juli, zu dem sich Land, Bund und Vertreter der Schweinehalter in Potsdam getroffen haben. Mit welchen Eindrücken sind Sie nach Hause gefahren?
Ich bin weiter ratlos, wie es weitergehen soll. Jeden Tag verliere ich etwas mehr von meinem Eigentum, darf oder kann aber nicht handeln. Und es geht ja nicht nur mir so. Wir fühlen uns ausgeliefert – den Behörden auf der einen Seite, auf der anderen Seite dem Markt.

Werden Sie ihre Ferkel in dieser Situation noch los?
Glücklicherweise habe ich seit 20 Jahren denselben Abnehmer. Das ist schon mal eine gute Basis für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit. Außerdem haben wir uns im September 2020 zum ASP-Früherkennungsprogramm angemeldet. Das bedeutet zwar höheren Aufwand und zusätzliche Betriebskontrollen, denn wir schicken regelmäßig Blutproben verendeter Schweine zur virologischen Untersuchung nach Frankfurt (Oder) ins Labor. Aber wir haben damit den Status, der es mir erleichtert, die Tiere zu verkaufen. Trotzdem muss die Verbringung jedes Mal beim Amt beantragt werden.

Vor dem Aufladen kontrolliert der Tierarzt die Verkaufstiere noch mal auf Gesundheit und misst Fieber. Und natürlich achten wir peinlichst auf Biosicherheit. Wir tun alle unser Bestes, aber die Situation kann sich täglich ändern, und diese Unsicherheit ist unerträglich.

Wie werden Sie als Schweinehalterin in der gefährdeten Zone über den aktuellen Stand der Dinge – Fallwildsuche etc. – informiert?
Aktiv informiert werde ich nicht. Ich könne mich auf der Webseite des Landkreises kundig machen, heißt es. Aber ich bin nicht ständig im Internet unterwegs. Also erfahre ich es aus der Tageszeitung oder über Kollegen. Ein Informationssystem – meinetwegen über WhatsApp – wäre hilfreich. Aber ich habe nicht den Eindruck, dass überhaupt jemanden ernsthaft interessiert, wie es uns geht. Die Gesellschaft steht der Schweinehaltung ja insgesamt sehr kritisch gegenüber, und das bekommen wir zu spüren.


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Der gesellschaftliche Druck, durch den Ihnen ja auch noch andere Änderungen bevorstehen. Nehmen Sie am Tierwohl-Programm teil?
Wir haben vor drei Jahren die Aberferkelbuchten komplett saniert und vergrößert. Dennoch produzieren wir auf der Tierwohlstufe 1 – und die hat, das ist mir sehr bewusst, keine Zukunft. Ich bin davon überzeugt, dass auch eine graduelle Verbesserung hin zur Stufe 2 auf Dauer nichts bringen wird. Damit der Betrieb eine Chance hat, müsste ich ihn radikal umgestalten. Aber momentan ist es schwer, in die Zukunft zu blicken, weil alles so unsicher ist. Sicher ist, dass ich meinem Sohn, der im Betrieb arbeitet, eine gute Grundlage fürs weitere Wirtschaften übergeben will.

In welche Richtung würden Sie den Betrieb entwickeln wollen, wenn Sie könnten?
Ich würde die Tierzahl deutlich herunterfahren und, anstatt nur Ferkel zu verkaufen, im geschlossenen System produzieren. Damit wäre es möglich, ein ehrliches Gourmetprodukt zu entwickeln, das nicht nur einen eigenen Namen bekommt, sondern auch wirklich besonders gut schmeckt.

Mit welcher Kreuzung das funktioniert, weiß ich. Ich züchte ja bereits seit zwölf Jahren selbst und hätte auch eine Idee, das Ganze zu finanzieren. Bereits bevor es mit der ASP hier losging, habe ich recherchiert, wie ein Umstieg auf eine ökologische Produktion aussehen könnte, habe die Kriterien verschiedener Ökoverbände verglichen und möchte den Betrieb gern in diese Richtung entwickeln. Aber wer kann denn in der Situation, in der wir uns hier befinden, überhaupt planen und noch dazu Geld investieren?

Welche Erwartungen haben Sie für die nächsten zwei, drei Monate?
Wenn der Mais in den gefährdeten Gebieten geerntet wird, sind weitere ASP-Funde zu befürchten. Möglicherweise verschieben sich die Zonen, oder es gibt neue Restriktionsgebiete. Wenn mir dann amtlich verboten würde, die Sauen zu belegen, könnte ich vielleicht mit einer Entschädigung aus der Versicherung rechnen. Ansonsten habe ich keine Handlungsoptionen: Ich kann nicht aus eigenem Entschluss aus der Ferkelproduktion aussteigen. Dagegen sprechen laufende Kredite und vertragliche Bindungen.

Wie sähe eine Lösung aus?
Wir halten hier für ganz Deutschland den Kopf hin. Darum sollte es vom Bund einen finanziellen Ausgleich für Schweinehalter geben, die jetzt aus der Produktion aussteigen – zumindest so lange, wie Deutschland nicht als ASP-frei gilt. Für Mastbetriebe ist der Ausstieg relativ einfach: Sie stallen aus und können irgendwann wieder anfangen mit der Mast.

Wenn ein Ferkelerzeuger seinen Betrieb aufgibt, ist es unwahrscheinlich, dass er überhaupt wieder anfängt. Zucht verlangt Kontinuität. Der Bundesrat hat bereits am 25. Juni empfohlen, Betriebe bei einem seuchenbedingten temporären Ausstieg oder Teilausstieg aus der Erzeugung über ein Förderprogramm zu unterstützen. Statt zu überlegen, wie man das umsetzen kann, schieben sich Bund und Land gegenseitig den Schwarzen Peter zu und überlassen uns Schweinehalter dem Markt.

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