Herefordzucht: Aus Hobby wurde Passion

Zwei bis drei Mal am Tag sieht Herbert Schulz nach den Kühen und Kälbern auf der Weide. Acht Hektar Grünland stehen insgesamt zur Verfügung. Fotos (c) Bettina Koch

Im altmärkischen Klein Engersen betreibt Herbert Schulz eine kleine, aber feine Herefordzucht. Mit Experimentierfreude und Zutrauen führte der Sachsen-Anhalter diese auch bundesweit zum Erfolg.

Von Bettina Koch

Sie sollten das Grünland der Familie in Klein Engersen im Altmarkkreis Salzwedel (Sachsen-Anhalt) nutzen und den Eigenbedarf an Rindfleisch decken: 1996 kaufte Herbert Schulz zwei Herefordkühe. Die Tiere waren dann aber „zum Schlachten viel zu schade“, schmunzelt der heute 73-Jährige. Und schon bald wurde aus dem Hobby-Rinderhalter ein passionierter Züchter. Herbert Schulz betreibt die Zucht im Kleinen. Acht bis zehn Rinder plus Nachzucht stehen auf der Weide. „Mehr geben unsere Flächen nicht her“, erklärt er. Acht Hektar Grünland (Eigentum und Pacht) bewirtschaftet der Rentner und Nebenerwerbslandwirt.

Bulle führt Rangliste an

Aber auch ein kleiner Zuchtbetrieb kann Großes erreichen: Der aus Herbert Schulz’ Herde stammende Bulle Douglas P (S. Gouldingpoll x Dirham) wurde mit einem Relativzuchtwert Fleisch (RZF) von 125 Punkten bewertet und belegte bei der Zuchtwertschätzung in Deutschland im Dezember 2019 den ersten Platz. Die Arbeitsgemeinschaft Fleischrindzüchter und -halter Sachsen-Anhalt (AFSA) und der Rinderzuchtverband Sachsen-Anhalt eG (RSA) ehrten den Zuchtbetrieb dafür Anfang Februar in BernburgStrenzfeld mit einer Urkunde für herausragende Leistungen in der Rinderzucht des Landes samt einer Prämie.

In Bayern war der vor zwei Jahren verkaufte Bulle Fokus erfolgreich. „Champion durfte natürlich nur ein gebürtiger Bayer werden“, sagt Herbert Schulz, aber Platz zwei konnte dem Bullen aus seiner Zucht niemand streitig machen. Solche Erfolge brauche es, um in Züchterkreisen einen guten Namen zu haben und Zuchttiere gut vermarkten zu können, erklärt der Altmärker. Bis zu den ersten Auszeichnungen sei es allerdings ein weiter Weg gewesen.

„Züchtung ist Hoffnung“, sagt er und dabei scheut er sich nicht vor Experimenten. „Für eine dritte Blutlinie habe ich eine Kuh gekauft, die selbst keine Höchstpunktzahlen bringt, aber von guter Abstammung ist. Sie wurde mit Sperma von einem vielversprechenden Bullen besamt und siehe da, sie hat eine schöne Tochter.“

Insgesamt ein Bullenkalb und drei weibliche Kälber aus dem aktuellen Jahrgang stimmen den Züchter hoffnungsvoll. Sie werden an Züchter verkauft oder bleiben für die eigene Zucht in der Herde. Die weniger geeigneten Tiere werden zur Schlachtreife gebracht und an einen Viehhändler verkauft. Schlachttiere für den Eigenbedarf fährt Herbert Schulz zum Hausschlachter nach Lindstedt.

Genügsame Rinderrasse

Herefordrinder sind robust und genügsam. Sie verwerten Grünland optimal und können ganzjährig im Freiland gehalten werden. Zwei bis drei Mal am Tag sieht Herbert Schulz nach den Tieren. Nach dem Frühstück mit Ehefrau Brigitte werden die beiden Bullen im Stall versorgt, dann geht es mit dem Moped zur Weide. Die Flächen liegen nur wenige hundert Meter hinter dem Hof. Vor allem in der Zeit, wenn die Kühe besamt werden sollen, gilt es, deren Verhalten zu beobachten, um den besten Zeitpunkt zu erwischen. „In heißen Sommern ist das besonders schwierig“, erzählt der Züchter, „dann zeigen die Tiere kaum eine Regung. Sie wackeln höchstens mit den Ohren. Hitze macht ihnen sehr zu schaffen.“

Kälte vertragen die Herefords dagegen gut. Im Winter bekommen die Rinder unter freiem Himmel einen Liegeplatz aus Stroh. Sie haben ein dichtes Fell, das sehr gut isoliert und vor Kälte und Nässe schützt. Den Stall braucht Herbert Schulz nur, um Bullen separat unterzubringen sowie in der Abkalbezeit und für die Besamung.

Ist ein Tier bullig, ruft der Züchter den Tierarzt seines Vertrauens an, der die Kuh mit einer bis dahin in Flüssigstickstoff gekühlten Portion Bullensperma besamt. Der Züchter marschiert für diesen Akt mit der Herde von der Weide in den Stall. Die Tiere folgen ihm bereitwillig, denn sie wissen: Da gibt es dann besonders leckeres Futter. Die Informationen zu den Besamungen schreibt Herbert Schulz mit Kreide auf eine Wandtafel im Stall sowie im Büro mit Kugelschreiber auf Karteikarten. So geht es auch. Wie früher.

Rückhalt in der Familie

Ein kleiner Garten für eigenes Gemüse, ein paar Hühner für Frühstückseier, ein Grüppchen zutrauliche schneeweiße Gänse und Enten, dazu Hund Bruno, ein Großer Schweizer, prägen das Bild auf dem Hof der Familie.

Herbert Schulz lebt schon immer dort: Seine Eltern hatten Landwirtschaft, dann nahm die LPG einen Teil des Hofes in Beschlag. Die Eltern kümmerten sich um die Kühe der Genossenschaft. Nach der Wende blieb der Stall leer, bis der Altmärker mit den ersten beiden Herefordrindern den Grundstein für spätere Zuchterfolge legte.

Ohne die Unterstützung seiner Familie könnte Herbert Schulz seiner Leidenschaft kaum nachgehen. Ehefrau Brigitte hält ihm auf dem Hof den Rücken frei. Tochter Antje, Sohn Mathias und Enkel Christoph helfen ebenfalls aus. So kann es auch mal eine Urlaubsreise geben.