Zu trockene Felder, aber glückliche Kühe
Während ausbleibender Niederschlag immer noch Thema ist, sind zwei wichtige Arbeitsprozesse im Jahreszyklus der Agrofarm Lüssow Geschichte: die Mähdruschernte und das Erstellen des neuen Anbauplans.
Erst gab es für die Bundesrepublik die rote Karte der EU-Kommission. Nun sieht in Mecklenburg-Vorpommern – und anderen Bundesländern – landauf, landab die Landwirtschaft die rote Karte. Grund dafür ist die neue Landesverordnung über besondere Anforderungen an die Düngung in belasteten Gebieten, kurz Düngelandesverordnung. Sie wurde in der vergangenen Woche vom Landeskabinett beschlossen (Bauernzeitung 2/2023, S. 13).
Und mit ihr die Feldblöcke sowie Gebietskulisse der mit zu hohen Nitratwerten versehenen Messstellen bzw. damit als rot gekennzeichneten Flächen. Wobei die Feldblöcke in der Endfassung den Landwirten zum Redaktionsschluss noch nicht bekannt waren. Ebenso liegt die finale Übersichtskarte nicht in geodatenbasierter Form vor.
Deutlich mehr Fläche
Bekannt sind die Eckdaten von 429.218 ha sogenannter roter Gebiete. Das entspricht 32,03 % der landwirtschaftlich genutzten Fläche im Land. In der bisher gültigen Fassung der Verordnung waren rund 181.000 ha bzw. 13 % als belastet eingestuft. Aufgrund des starken Anstiegs liegt der Nordosten im Bundesvergleich nun mit Nordrhein-Westfalen (33 % rotes Gebiet) an der Spitze.
Dass sich das Gebiet mehr als verdoppelt hat, sei der entsprechenden Verwaltungsvorschrift zur Ausweisung von mit Nitrat belasteten und eutrophierten Gebieten des Bundes (AVV GeA) geschuldet. Sie wurde exakt umgesetzt, heißt es aus dem Ministerium für Klimaschutz, Landwirtschaft, ländliche Räume und Umwelt MV. Demnach ergibt sich die Gebietsvergrößerung mitunter aus dem Wegfall der emissionsbasierten Gebietsabgrenzung, bekannt als Binnendifferenzierung.
Unmut über Regelungen
Auch aus den strengeren Vorgaben bei der Beurteilung von Wasserschutzgebieten: Sofern nur eine Messestelle in diesem Bereich eine erhöhte Nitratbelastung aufweist, wird ein ganzes Wasserschutzgebiet als rotes Gebiet ausgewiesen. Weiterhin sind erstmals denitrifizierende Verhältnisse – das natürliche Abbauvermögen von Nitrat – bei der Ausweisung zu beachten gewesen. Für viele Landwirte, den Landesbauernverband und die Freien Bauern ist das nur schwer nachzuvollziehen.
Sie hatten bereits ihre Bedenken und Hinweise bei der vorgeschalteten Verbändeanhörung eingebracht. Die Liste mit Kritikpunkten ist lang: Das Messstellennetz sei nicht umfangreich genug. Daten zu den einzelnen Messstellen nicht im Detail bekannt. Einzelbetriebliche Ausnahmeregelungen für Betriebe, die anhand eines vorgelegten Nährstoffvergleiches eine ordnungsgemäße und gewässerschonende Bewirtschaftung nachweisen können, würden fehlen. Der Umgang mit Trinkwasserschutzgebieten. Es gäbe keine Übergangsregelungen. Und das Verursacherprinzip spiele keine Rolle mehr.
Was das für Auswirkungen hat, zeigen landesweit mehrere Beispiele. Eines davon ist das Wasserschutzgebiet der Warnow. In dem Einzugsbereich ist eine mit Nitrat belastete Messstelle dafür ausreichend, dass ca. 100.000 ha als rote Flächen ausgewiesen werden.
Davon berührt ist auch die Wariner Pflanzenbau eG. Rund 70 % der Betriebsflächen, größtenteils im besagten Schutzgebiet liegend, sind nach der neuen Verordnung mit roten Feldblöcken gekennzeichnet. Das bedeutet, dort darf nur eingeschränkt gedüngt werden – eine Folge und Bestimmung der Landesdüngeverordnung.

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Schwerwiegende Folgen
Genauer 20 % weniger Stickstoff (N) als die Kultur Bedarf hat. Pflanzenbauleiter Daniel Bohl bringt es auf den Punkt: „Ich muss meine Pflanzen unterernähren.“ Wie bisher hochwertige Weizensorten mit entsprechenden Qualitäten zu produzieren, werde künftig schwer. Gut möglich, dass wir nun mehr Futterweizen produzieren werden, so der Landwirt. Finanzielle Konsequenzen für den Betrieb und ein geringeres Angebot an Brotgetreide für die menschliche Ernährung sind vorhersehbar.
Zudem kritisiert Bohl, dass die nunmehr drei verschiedenen Kulissen in wenigen Jahren drei völlig verschiedene Bilder für seinen Betrieb ergaben: von 0 % belastete Fläche über 32 % bis hin zu jetzt 70 %.
In dieselbe Kerbe schlägt Landesbauernpräsident Detlef Kurreck: Es entstehe der Eindruck willkürlicher Gebietsausweisungen, wenn landwirtschaftliche Flächen unter Berücksichtigung aller bisherigen Düngelandesverordnungen mal als nitratbelastet gelten und mal nicht. „Wenn man eine verursachergerechte und möglichst genaue, dem Gewässerschutz zuträgliche Ausweisung vornehmen möchte, hilft ein derartiges zufälliges Ping-Pong-Spiel nicht“, so der Präsident.
Ein Blick auf andere Bundesländer, bei denen die Tendenzen gegensätzlich verlaufen, gibt dem Wariner Chef weiter zu denken. Offensichtlich legt jedes Land die Vorgaben von EU und Bund sehr individuell aus. Diesen Vergleich lässt Agrar- und Umweltminister Till Backhaus nicht zu. Die Flächenumfänge seien nicht miteinander vergleichbar, weil zwei wesentliche Einflussfaktoren nur auf Mecklenburg-Vorpommern zutreffen würden. „Einerseits ist das der hohe Anteil von Kulturen mit hohem Düngebedarf in enger Fruchtfolge, also Winterraps–Winterweizen–Mais.
Andererseits treibt die geringe Grundwasserneubildungsrate bei uns die Nitratgehalte im Grundwasser hoch“, erklärt der Minister. Dass das Land im Gegensatz zu bestimmten anderen Regionen nur eine geringe Viehdichte hat, helfe an der Stelle auch nicht weiter. Zielführend sei laut Backhaus auch nicht, sich an Begriffen wie Verursachergerechtigkeit festzuhalten.
„Mit Blick auf die flächenhaft diffusen Einträge ist es unmöglich, die wahren Verursacher wirklich auszumachen. Außerdem wird dieses Prinzip bei der Gebietsfestlegung von der EU auch ganz klar abgelehnt“, führt er aus. Es zähle allein das Vorsorgeprinzip und alle sind gefordert, mitzuziehen. Somit sind die nachfolgenden Regeln bei der Düngung im Nordosten das Maß aller Dinge und künftig einzuhalten:
■ Die Düngemenge ist auf 20 % unter dem Bedarf der Kultur zu senken. Ausnahmen: Betriebe, die weniger als 160 kg Gesamt-N/ha und davon nicht mehr als 80 kg in Form von mineralischen Düngemitteln aufbringen.
■ Es dürfen schlagbezogen nicht mehr als 170 kg N/ha aus organischen und organisch-mineralischen Düngemitteln aufgebracht werden.
■ Wintergerste generell und Winterraps bei mehr als 45 kg N/ha im Boden dürfen im Herbst nicht mehr gedüngt werden.
■ Kulturen, die nach dem 1. Februar ausgesät oder gepflanzt werden, dürfen nur gedüngt werden, wenn auf der betroffenen Fläche im Herbst des Vorjahres eine Zwischenfrucht angebaut worden ist.
■ Die Sperrfristen für Acker und Grünland werden jeweils verlängert und eine Sperrfrist für Festmist eingeführt.
■Vor dem Aufbringen von Wirtschaftsdünger sind die N-Gehalte festzustellen.
■Vor der N-Aufbringung ist der im Boden verfügbare Stickstoff durch Untersuchung zu ermitteln.
Nach der zurückhaltenden Ertragsprognose unmittelbar vor Erntebeginn steht nun fest, dass die Hitze und der fehlende Regen den Hauptkulturen des Betriebes nichts anhaben konnten. Mit den erreichten Ergebnissen von 86 dt/ha bei Gerste, 45 dt/ha bei Raps und 88 dt/ha bei Weizen zeigt sich Vorstandsvorsitzender Lars-Peter Loeck zufrieden. „Auch die Qualitäten passten im Großen und Ganzen. Das war so nicht zu erwarten“, sagt der Pflanzenbauer.

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Anbauplan: Was die Agrofarm Lüssow eG plant anzubauen
Erleichtert ist der Landwirt auch, dass er nach den jüngsten politischen Entscheidungen zu den Stilllegungsflächen endlich den Anbauplan erstellen konnte. „Kurz vor den ersten Aussaatterminen noch so im Unklaren gewesen zu sein, war ein unerträglicher Zustand. Normalerweise planen wir weit im Voraus“, berichtet Loeck. Knapp 470 ha Raps sind mittlerweile gedrillt. Weizen soll auf rund 650 ha sowohl als Konsum- und Vermehrungsware angebaut werden. Auf einer Fläche von 453 ha ist Wintergerste vorgesehen. Und 145 ha Triticale rein zum Vermehren sind ebenfalls angedacht.
Bei den Bestellarbeiten steht aktuell Weizen auf dem Programm. 170 der 650 ha Weizen sind für die frühe Aussaat geplant. Die Pflanzen haben bei der Frühsaat mehr Zeit zu wachsen. Außerdem kann Saatgut eingespart werden. „Wir setzen beim frühen Weizen wieder auf die Sorte Opal. Mit ihr sind wir im Hinblick auf Qualität und Quantität auf der sicheren Seite“, weiß Loeck. Neben Opal haben sich die Verantwortlichen in Lüssow auch für die Sorten Ponticus und Depot entschieden, die allerdings erst später gedrillt werden.
Bildergalerie: Aktuelles von der Agrofarm eG Lüssow
Bevor es ans Bestellen geht, wird der knochentrockene Boden bearbeitet. Tiefengrubber und Scheibenegge kommen auf den Feldern zum Einsatz. Die Klutenbildung und Staubentwicklung auf den Äckern sind nicht zu übersehen. Regen wird dringend benötigt. Nicht nur für den Keimprozess und damit sich der Boden erholen kann. Auch, um den aufwirbelnden Staub zu minimieren, durch den sich vorbeifahrende Autofahrer gestört fühlen. Der Chef der Agrofarm hat dafür sogar Verständnis. Deshalb sind an den Flächen des Betriebes auch Hecken zu finden. Vergeblich auf Niederschlag gewartet hat indes der Mais. Bereits die langanhaltende Trockenphase im Frühjahr hatte die Entwicklung der Pflanzen eingeschränkt. Lieferengpässe bei Pflanzenschutzmitteln und demzufolge eine nicht optimal durchgeführte Herbizidmaßnahme sorgten zudem für erhöhten Unkrautdruck.
Die Folge sind teils irreversible Dürreschäden in Form von niedrig gewachsenen und vertrockneten Pflanzen sowie gering ausgebildete Kolben. In dieser Woche starten die Lüssower mit dem Häckseln und Silieren von Mais, der auf 311 ha angebaut wurde. Lars-Peter Loeck erwartet keine gute Ernte. „Wenn ich optimistisch bin, gehe ich von 30 t/ha aus.“ Im Durchschnitt der vergangenen Jahre lag der Ertrag bei 40–42 t/ha, in Spitzenzeiten sogar bei 45 t/ha. Bei maximal einem und eher kleinen Kolben an den Pflanzen wird voraussichtlich auch die Energiedichte in der Maissilage fehlen. „Insgesamt rechnen wir beim Mais mit 25 % Verlust“, fasst Loeck zusammen. Futterengpässe zeichnen sich trotz des zu befürchtenden Ausfalles beim Mais aktuell aber nicht ab. Immerhin brachten die ersten drei Grasschnitte gute Erträge ein. Ein Silo Grassilage, was den Bedarf der Tiere für ungefähr ein halbes Jahr abdeckt, ist noch als Reserve vorhanden. Auch die Produktion von Heulageballen mit der Zielgröße von 1.000 Stück läuft nach Plan, sind doch bereits 770 eingefahren.
Auf der Suche nach Einsparpotenzialen
Auf Einsparpotenziale – wenn auch nicht beim Futter der Tiere – achten die Verantwortlichen in Lüssow dennoch. Wegen der gestiegenen Kosten im Bereich der Betriebsmittel und der möglicherweise drohenden Energiekrise. Zum Raps wurde beispielsweise nicht gepflügt, um den Dieselverbrauch zu senken. Weiterhin wurde im Betrieb innerhalb des vergangenen Jahres alles auf LED umgestellt.
Im Stall wurde kürzlich im Juni das Belüftungssystem verbessert. Die neu eingebauten Lüfter lassen sich stufenlos einstellen und regulieren ihre Aktivität aufgrund der Umgebungstemperatur automatisch und von allein. „Dieses System erhöht die Energieeffizienz und senkt damit unsere Kosten“, erläutert die stellvertretende Vorstandsvorsitzende, Wencke Ladwig. Nicht nur der Geldbeutel, auch die Milchkühe freuen sich über die neuen Lüfter. Sie profitierten bereits im heißen Juli und August von mehr Komfort. So kam der Bestand gesund und gut über den Sommer und konnte die Milchleistung bei konstant hohen 38–39 Liter je Kuh halten. Ladwig hat die Werte genauestens im Blick. Ebenso wie Jessica Fibranz die Vitalität des jüngsten Zuwachses im Blick hat.
Für die Kälberfee des Betriebes, wie sie liebevoll von Vorgesetzten und Kollegen genannt wird, stehen jetzt wieder arbeitsintensivere Zeiten an. Nach einem kleinen Sommerloch nehmen die Abkalbungen wieder zu. Der gelernten Tierwirtin, die bereits ihre Ausbildung in der Agrofarm absolvierte und mittlerweile seit zehn Jahren hier tätig ist, macht das gar nichts aus. „Mit den Tieren zu arbeiten und mich um sie zu kümmern, bereitet mir noch immer viel Freude“, sagt die 26-Jährige.
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