(c) Sabine Rübensaat

Länder einigen sich auf Kompromiss zur Agrarreform

Einstimmig haben sich die Bundesländer auf eine gemeinsame Position geeinigt, wie die EU-Beschlüsse zur Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) in Deutschland umzusetzen sind. Vorgesehen sind weder Kappung noch Degression. Nach dem Umverteilen für Ökoleistungen würde die Basisprämie jedoch auf 140 Euro je Hektar fallen.

Von Ralf Stephan

Nach drei Anläufen mit nächtlichen Konferenzen und insgesamt 33 Stunden Verhandlungszeit haben sich die Agrarministerinnen und -minister der Länder am Freitagvormittag darauf verständigt, wie die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) ab 2023 umgesetzt werden sollte. Die Beschlüsse der Sonder-Agrarministerkonferenz (AMK) zur Agrarreform weichen in mehreren, teils wichtigen Punkten von den Eckwerten von Bundeslandwirtschaftsministerin Juli Klöckner (CDU) ab. Die Handschrift der von Grünen und von der SPD geführten Ressorts ist dabei deutlich erkennbar. So setzen die Länder stärkere Akzente bei den Ökoleistungen und plädieren für eine höhere Umschichtung von der Ersten in die Zweite Säule.

Bemerkenswerter Nebeneffekt: Im Konflikt um die Kürzung von Direktzahlungen für größere Betriebe erreichten die Ostminister, dass sowohl auf die von Klöckner vorgeschlagene Degression als auch auf die 300-Hektar-Grenze für die Umverteilungsprämie verzichtet werden soll. Im Gegenzug wird ein höherer Anteil der Direktzahlungen als bisher in die Förderung der ersten Hektare fließen. Bis zur Grenze von 40 ha soll der Zuschlag jeweils rund 70 Euro, darüber bis 60 ha jeweils etwa 40 Euro betragen. Statt wie bisher 7,2 % würden somit 12 % der Direktzahlungen in diese Umverteilungsprämie fließen. Das Land Brandenburg verliert dadurch nach Angaben von Landwirtschaftsminister Axel Vogel (Grüne) rund 30 Millionen Euro jährlich.

25 % an Eco-Schemes gebunden

Auch im öffentlich geführten Dauerstreit um die Frage, ob nach der Agrarreform 20 % oder 30 % der Direktzahlungsmittel für die neuen Ökoleistungen in der Erste Säule (Eco-Schemes) eingesetzt werden sollen, gab es mit 25 % einen Kompromiss. Welche Maßnahmen den Landwirten dabei zur Auswahl stehen sollen, wurde noch nicht endgültig vereinbart. Während der Pressekonferenz zu den AMK-Ergebnissen bezeichnete Sachsens Agrarminister, Wolfram Günther (Grüne), als Vorsitzender der Konferenz aber bereits die freiwillige Aufstockung nicht-produktiver Flächen (Brache) als bevorzugte Maßnahme. Außerdem erwähnte er Blühflächen auf Ackerland und Dauerkulturflächen, Agroforstsysteme sowie Altgrasstreifen oder -inseln auf Dauergrünland.

Umstritten war im Vorfeld zudem, wie viele Mittel aus der Ersten in die Zweite Säule der GAP umverteilt werden sollte. Gegenwärtig sind es sechs Prozent pro Jahr. Der Deutsche Bauernverband (DBV) und seine Landesverbände fordern mit Blick auf die Einkommenswirkung der Direktzahlungen, diesen Anteil stabil zu halten. Die Sonder-AMK dagegen will schon 2023, im ersten Jahr der neuen Finanzierungsperiode, zehn Prozent umschichten. Im Jahr darauf sollen es elf Prozent sein. Der Satz steigt nach den Beschlüssen über 12,5 % im Jahr 2025 weiter auf 15 % im Jahr 2026. Dann soll entschieden werden, wie groß der Schritt für die Umverteilung im letzten Jahr der Förderperiode sein wird.

Die höhere Umschichtung steht offenkundig im direkten Zusammenhang mit der künftigen Aufteilung der Eler-Mittel zwischen den Ländern. Bisher erhielten die ostdeutschen Länder anteilig deutlich mehr der EU-Mittel für die ländliche Entwicklung als die westdeutschen. Künftig soll ein neuer Verteilschlüssel gelten, bei dem die Ostländer zugunsten der Länder im früheren Bundesgebiet weniger erhalten. Um zu harte Einschnitte zu verhindern, schlagen die Länder eine maximale Verlustgrenze vor. Dennoch müssen die ostdeutschen Länder künftig mit deutlich weniger Mitteln für Projekte im ländlichen Raum auskommen. Einige dieser Lücken sollen die aus der Ersten Säule umgeschichteten Direktzahlungen ausfüllen.

Weideprämie für Schafe, Ziegen, Mutterkühe

Anders als die Bundeslandwirtschaftsministerin wollen die Länder vom grundsätzlichen Verzicht auf gekoppelte Zahlungen abrücken. Um Schaf-, Ziegen- und Mutterkuhhalter zu unterstützen, sollen gekoppelte Prämien von 30 Euro pro Mutterschaf und Ziege sowie von 60 Euro pro Mutterkuh eingeführt werden. Dafür schlagen die Minister vor, zwei Prozent der Direktzahlungen zu verwenden. Zusätzlich könnten Tierhaltern auch noch Sommerweiden bei den Eco-Schemes angerechnet werden.

Alles in allem wollen die Länder zu Beginn 42 % und am Ende der Finanzierungsperiode 47 % der EU-Mittel an ökologische Leistungen binden. Nach ersten überschlägigen Berechnungen reduziert sich die Basisprämie nach Umverteilungen und Umschichtungen auf 140 Euro je Hektar. Von den Direktzahlungen fließen ab:

  • 25 % in die neuen Ökoregelungen in der Ersten Säule (Eco-Schemes);
  • 15 % in die Umschichtung aus der Ersten in die Zweite Säule (von zehn Prozent ansteigend);
  • 5,0 % durch die verbindliche Konditionalität für alle Direktzahlungen und
  • 2,0 % als gekoppelte Weidetierprämie.
Agrarreform_Weidetierprämie
Die Länder schlagen eine gekoppelte Prämie für Schafe. Ziegen und Mutterkühe vor. c) Sabine Rübensaat

Backhaus: Agrarreform ist der Einstieg in den Umstieg

Mecklenburg-Vorpommerns Landwirtschaftsminister, Till Backhaus, verteidigte die Beschlüsse gegen Kritik aus Umweltorganisationen und von kleineren Bauernvertretungen, denen sie nicht weit genug in Richtung „Ökologisierung“ gingen. „Der Kompromiss ist der Einstieg in den Umstieg in eine neue Ausrichtung der Landwirtschaft“, sagte der SPD-Politiker während der Pressekonferenz zur Sonder-AMK. Man habe „einen Pfad vorgezeichnet, der sowohl den wachsenden Umweltambitionen der GAP wie auch einer Mindestsicherung der Einkommenswirksamkeit für die landwirtschaftlichen Betriebe Rechnung trägt“. Backhaus sprach angesichts der Umschichtungen von einem „Kompromiss, der von Mecklenburg-Vorpommern auch sehr viel abverlangt“.

Kritisch wertet der Deutsche Bauernverband (DBV) die Einigung der Länderagrarminister zur Umsetzung der Agrarreform. „Der Kompromiss bringt schmerzhafte Einschnitte in der Agrarförderung mit sich“, erklärte DBV-Präsident Joachim Rukwied. Er moniert insbesondere eine massive Mittelumschichtung von der Ersten in die Zweite Säule „ohne wirkliche Garantie, dass diese Gelder tatsächlich vollständig an die Landwirte fließen“. Außerdem verringere sich die Einkommenswirkung der Direktzahlungen drastisch, nämlich um eine geschätzte Größenordnung von 40 %.

MV-BauernPräsident Kurreck: „Wir bluten.“

„Der Kompromiss ist teuer erkauft“, sagte Detlef Kurreck, Präsident des Bauernverbandes Mecklenburg-Vorpommern. Ersten Schätzungen zufolge werden den Landwirten in Mecklenburg-Vorpommern jährlich etwa 30 Millionen Euro weniger zur Verfügung stehen als bisher. Pro Hektar werden etwa 25 Euro pro Hektar fehlen. Bei einem mittelständischen Betrieb entspreche dies fast einer ganzen Personalstelle. „Dazu kommt, dass die geringeren Zahlungen an höhere Leistungen geknüpft sind.“ Jetzt komme es darauf an, diese Regelungen so auszugestalten, dass die Landwirte Ökonomie mit Ökologie in Einklang bringen können und der Mehraufwand sich lohnt, so Detlef Kurreck. Auch die gekoppelten Zahlungen für Schafe, Ziegen und Mutterkühe werden in Mecklenburg-Vorpommern als einer der viehärmsten Regionen Deutschlands negativ zu Buche schlagen. „Wir werden bluten“, fasst der Bauernpräsident zusammen.

Als Teilerfolg der Agrarreform wertet Kurreck neben dem Verzicht auf Kappung und Degression jedoch den Wegfall der Zahlungsansprüche. „Wir haben dieses unsägliche Bürokratie-Monstrum immer kritisiert“, so Detlef Kurreck. Die Positionierung der Agrarminister sei außerdem ein wichtiger Schritt in Richtung Planungssicherheit für die Landwirte. „Sie zeigt aber auch deutlich, dass die landwirtschaftlichen Ausgleichszahlungen künftig der Geschichte angehören werden. Die hier unter sehr hohen Standards erzeugten Lebensmittel müssen sich damit unter immer größerem Druck dem globalen Wettbewerb stellen.“

Thüringens Landwirtschaftsminister Benjamin-Immanuel Hoff sprach dagegen von einem „guten Tag für die Landwirtschaft“. Einerseits würden die Öko-Leistungen der GAP verbessert, andererseits aber auch die Einkommen der Landwirtinnen und Landwirte weiterhin gesichert bleiben. „Auf der Basis eines ausgewogenen Kompromissvorschlages aus Thüringen ist im Gemenge der unterschiedlichen Interessen für Thüringen ein optimales Ergebnis erreicht worden, sagte der Linken-Politiker. 

Klöckner begrüßst den Kompromiss

Offen ist derzeit, inwieweit die einstimmige Position der Länder in die nötigen Gesetzesentwürfe des Bundes zur Agrarreform einfließen werden. Am Freitag war noch nicht absehbar, wann sich das Bundeskabinett damit befassen wird. Ein schon geplanter Termin war verschoben worden. Das geschah aber offenbar weniger wegen der ausstehenden Positionierung der Länder, sondern aufgrund tiefgreifender Differenzen zwischen dem Bundesagrar- und dem Bundesumweltministerium. Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner, die an der Sonder-AMK in Berlin teilgenommen hatte, begrüßte die Einigung jedenfalls. Die CDU-Politikerin bezeichnete die Festlegung auf 25 % der Direktzahlungen für Eco-Schemes als „realistisch“. Dieser Kompromiss zeichne sich auch auf EU-Ebene in den Trilog-Gesprächen ab.

Zurückhaltend äußerte sich die Ministerin zur Umschichtung von letztlich 15 % der Ersten in die Zweite Säule. Die höhere Umschichtung werde zu Einschnitten bei den konventionellen, aber auch den ökologisch wirtschaftenden Betrieben sorgen. Hier gelte es, die Gelder in der Zweiten Säule landwirtschaftsnah einzusetzen, etwa für investive Maßnahmen oder Risikomanagement gegen Wetterextreme. Enttäuscht zeigte sich Klöckner darüber, dass die grüne Seite eine stärkere Förderung kleinerer Betriebe durch Einziehen einer Obergrenze verhindert habe. Insgesamt sei der parteiübergreifende Beschluss aber „ein klares Signal an die Bundesumweltministerin“.

auch Umweltministerin Schulze ist erfreut

Diese wertete das Ländervotum als „einen wichtigen Beitrag der Agrarseite für die laufenden Ressortabstimmungen auf Bundesebene“. Erfreulich sei, so Svenja Schulze, dass die Länder bereits aus Agrarsicht deutlich über das unzureichende Umweltniveau der Vorschläge des Bundeslandwirtschaftsministeriums zur Agrarreform hinausgingen. „Mein Ministerium wird die Positionierung der Agrarressorts jetzt sorgfältig prüfen, auch ob das Geld für effiziente Maßnahmen eingesetzt wird“, kündigte die SPD-Politikerin an. Ihre Leitlinie bleibe, „dass es einen Systemwechsel in der Agrarförderung geben muss“, so Schulze.

Sollten sich die positiven Reaktionen aus beiden Bundesministerium in einer Einigung niederschlagen, ist schon bald mit entsprechenden Gesetzentwürfen zu rechnen. Wegen der anstehenden Bundestagwahlen müssen die parlamentarischen Prozesse nach Einschätzung der Beteiligten bis Ende Juni abgeschlossen sein. Nur sei sicher, dass der nationale Strategieplan in Brüssel pünktlich in Brüssel vorliegt.