Schafhalter Joachim Rohloff kann sich auf seine Pyrenäenberghunde verlassen. Sie beschützen die Bentheimer Landschafe, wie hier am Dollgraben bei Schernebeck. (c) Barbara Ilse

Wolfsattacken: Lamm zum „Nachtisch“

Die Schäferei Rohloff hat schon Wolfsattacken auf ihre Herden mit toten und verletzten Tieren erleben müssen. Der Druck auf die Weidetierhalter wird immer größer, und die Herdenschutzhunde gehen gewaltig ins Geld.

Von Barbara Ilse

Wölfe haben in nur einer Nacht aus einer Herde von 250 Schafen insgesamt 42 Tiere gerissen, so schwer verletzt, dass diese erlöst werden mussten, oder in den nahen Fluss und damit in den Tod getrieben. So geschehen im August 2020 am Ohredeich bei Loitsche, nördlich von Magdeburg im Bördekreis.

Die betroffenen Sandbeiendorfer Schäfer, Joachim Rohloff und sein Sohn Achim, hatten schon zuvor mit Wolfsangriffen zu tun: 2015 verloren sie ein Schaf an den Großräuber, 2016 töteten Wölfe 15 Schafe bei mehreren Attacken.

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Enttäuscht von Politik

Für die letzten 42 toten Schafe bekamen die Halter nicht einmal eine Entschädigung. Die beiden Schäfer sind traurig – der toten Schafe wegen –, wütend auf die arroganten „Könige“ im Wolfskompetenzzentrum des Landes und enttäuscht von Gesellschaft und Politik, die Wölfen den Weg weiter ebnen und die stetig wachsende Population des Raubtiers auch noch schönreden.

Joachim Rohloff
Joachim Rohloff (c) Barbara Ilse

Joachim Rohloff sagt: „Es ist doch Unsinn. Der Wolf ist in seiner Art nicht gefährdet. Würde der ausschließlich Pferde fressen, wären die Pferdeliebhaber längst eingeschritten. Die haben eine Lobby, wir Weidetierhalter aber nicht.“

90 cm hohe Elektrozäune sollten die Schafe damals auf dem Ohredeich schützen. Damit waren zwar nur die Mindestanforderungen erfüllt, aber am Deich hatte es bis dahin noch keine Wolfssichtungen oder -angriffe gegeben. Die Herdenschutzhunde der Schäferei waren bei den stärker unter Wolfsdruck leidenden Herden in der Nähe des Truppenübungsplatzes Altmark. „Um unsere Weideflächen gibt es drei Wolfsrudel“, sagt der junge Schäfermeister, Achim Rohloff: „Wenn die Wölfe sogar in den Hausgärten gehaltene Kamerunschafe anfallen, wie sollen wir dann unsere tausend Schafe draußen schützen?“ Sein Vater ergänzt: „Höhere Zäune nutzen nichts. Die Wölfe springen einfach drüber, und wenn sie ein Schaf getötet haben, verfallen sie in Blutrausch und die Schafe in Panik.“

Entschädigung für Wolfsangriffe verwehrt

So war es 2020 auch auf dem Ohredeich. Die Schäfer sammelten nach dem Wolfsangriff ihre ausgebrochenen Schafe schnell wieder ein, stellten hastig die umgerissenen Zäune wieder auf, erlösten einige ihrer halbtoten Tiere und zogen andere aus dem Wasser.

Irgendwann kam die benachrichtigte Fachfrau vom Wolfskompetenzzentrum in Iden dazu. Joachim Rohloff erinnert sich noch gut: „Sie führte einen Tag lang Protokoll, nahm DNA-Proben, fotografierte, maß Risse, Zäune und Zwischenräume. Am Ende teilte sie uns mit, dass unter der unteren Litze des hastig aufgestellten Zaunes statt der vorgegebenen 20 Zentimeter 23 Zentimeter Abstand zum Boden waren und wir deshalb wohl keine Entschädigung bekommen würden. Haben wir dann auch nicht.“


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Schäferei Rohloff: Haupterwerb seit 2012

Die Schäferei Rohloff gibt es seit 2012 als Haupterwerbsbetrieb. Derzeit weiden 800 Mutterschafe, 200 Jährlinge und 100 Lämmer der Rasse Bentheimer Landschaf rund um Sandbeiendorf, das zur Gemeinde Burgstall gehört. Etwa 1.200 Lämmer werden in der Hauptlammzeit zwischen Anfang März und Ende Mai erwartet.

„Dann sind wir rund um die Uhr bei den Schafen“, sagt Joachim Rohloff. Aus fünf Herden besteht die konventionell wirtschaftende Schäferei, die mit den Tieren 160 ha Pachtland beweidet. Auf den Flächen wird auch Heu für den Winter gemacht. Hinzu kommen Dämme und Deiche am Mittellandkanal, die im Auftrag des Landesbetriebes für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft (LHW) gepflegt werden, sowie Ausgleichsflächen für den Autobahnausbau, Wiesen, Äcker und „Naturschutzecken“ von Landwirten. So ist Futter über das gesamte Jahr hinweg vorhanden.

Wolfsübergriffe im Land auf konstantem Niveau
Die beim Wolfskompetenzzentrum Iden (WZI) geführte Statistik über gemeldete Nutztierrisse in Sachsen-Anhalt weist für 2021 nach noch vorläufigen Angaben 69 gemeldete Übergriffe auf Weidetiere aus, bei denen der Wolf als Verursacher nachgewiesen oder nicht ausgeschlossen werden konnte. Dabei wurden 218 Tiere getötet: 162 Schafe, sieben Ziegen, 13 Rinder und 36 Stücken Gatterwild. 34 weitere Tiere wurden verletzt. Die Zahl der gemeldeten Wolfsübergriffe war in den Vorjahren relativ konstant: 2017: 71, 2018: 56, 2019: 69, 2020: 72. Für Januar 2022 sind bisher drei Risse mit zehn toten Tieren bestätigt. fi

Elf Hunde zum Schutz

Elf Herdenschutzhunde wurden bisher angeschafft oder selbst gezüchtet, um den Wölfen entgegenzutreten. „Das ist das Einzige, was hilft“, sagt Schäfermeister Achim Rohloff. In diesem Jahr sollen die Hunde zertifiziert werden, um in den Genuss der Förderung der laufenden Betriebsausgaben für die Herdenschützer zu kommen.

Erst ein Hund hat diesen Status bisher. „Sie sind nur da, um den Wolf zu vergraulen, machen zusätzliche Arbeit und kosten viel Geld“, sagt Joachim Rohloff, dem die stattlichen Hunde auf Handzeichen und Pfiffe folgen. Die ihm aber auch leidtun, etwa wenn sie im Sommer am Deich bei Hitze und Sonne die Schafherden schützen müssen. Und eines Tages werden sie zu alt für diese Arbeit sein. „Dann habe ich ein Hundealtenheim zu unterhalten“, fügt Rohloff sarkastisch an.

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