Paetow: Was fehlt, ist die klare Botschaft

Am Scheideweg sieht DLG-Präsident Hubertus Paetow die Initiative „Land schafft Verbindung“. Ihr Erfolg birgt die Gefahr des Missbrauchs, sagt er im Interview mit der Bauernzeitung.

Von Ralf Stephan

Eine „ermutigende Erfahrung“ ist für Hubertus Paetow der Erfolg der bundesweiten Bewegung „Land schafft Verbindung“ (LsV). Allerdings sieht der Präsident der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG) die Initiative jetzt an einem entscheidenden Punkt: „Die Bauern wurden wahrgenommen und die Gesellschaft sagt: Nun lasst mal hören, was ihr eigentlich wollt. Und jetzt sehen wir die Situation, dass es dieser großen Bewegung, die von viel Begeisterung und Entschlossenheit getragen wird, schwerfällt, eine konsistente Botschaft zu formulieren.“

Bewegung mit zwei Gesichtern

Für Paetow ist das nicht verwunderlich: „Dafür gibt es Verbände.“ Sie hätten die entsprechenden Strukturen und Gremien. Das Fehlen einer klaren Botschaft ist nach seiner Auffassung die Ursache dafür, dass in der Öffentlichkeit häufig ein schiefes Bild entsteht: Bauern würden gegen die Düngeverordnung protestieren und dafür, weiter das Grundwasser verschmutzen zu dürfen. Das sei weder die Botschaft, die die Leute auf den Treckern haben, noch die der Landwirtschaft an sich.

DLG-Präsident Hubertus Paetow im Porträt
DLG-Präsident Hubertus Paetow (C) DLG

Für den Landwirt aus Mecklenburg-Vorpommern steht die Bewegung an einem Scheideweg. „Welchen Abzweig sie nimmt, wird man daran erkennen, wie es ihr gelingt, vernünftige Botschaften zu überbringen.“ Paetow nannte LsV „eine Bewegung mit zwei Gesichtern“. Das eine sei „das öffentliche, das die Leute an der Spitze offenbar mit viel persönlichem Engagement immer wieder zu präsentieren schaffen. „Das andere wabert da in den WhatsApp-Gruppen herum und wird, wenn es die Oberhand gewinnt, nichts Gutes bringen“. In zugespitzten Situationen fänden einfache Botschaften leichter Gehör. „Die sind dann leider oft nicht sehr realistisch. Denn die Frage, ob wir eine neue Düngeverordnung bekommen oder nicht, stellt sich nun einmal gar nicht mehr.“

„Bauernmilliarde“ für Strafzahlungen?

Für „politisch nicht vorstellbar“ hält Paetow die Idee, mit der umstrittenen „Bauernmilliarde“ die Strafe im Vertragsverletzungsverfahren drei Jahre lang zu bezahlen. In der Zwischenzeit, so die Überlegung, ließe sich eine durchdachtere Düngeverordnung erarbeiten. Deutschland übernehme im Sommer die EU-Ratspräsidentschaft. Dann werde es“sein ganzes diplomatisches Geschick und sein Gewicht als einflussreicher Mitgliedstaat einbringen müssen“. Es gehe dann darum, die entscheidenden Weichen für die künftige Gemeinsame Agrarpolitik zu stellen. „Was wäre es denn für ein Signal, wenn Deutschland von allen vollen Einsatz für das gemeinsame Europa fordert und selbst zu verstehen gibt: Was Brüssel von uns verlangt, das ist uns nicht wichtig, das sitzen wir aus?“

Misstrauen in die Politik als Hauptmotor

Als Hauptmotor für die Unzufriedenheit der Landwirte sieht der DLG-Präsident das gewachsene Misstrauen in die Politik. Sie habe nicht den Eindruck vermeiden können, dass in Hinblick auf die Düngeverordnung und die roten Gebiete „zum größten Teil willkürlich und auch ungerecht agiert“ worden sei. Lange sei hartnäckig geleugnet worden, dass es überhaupt Bedarf für eine Anpassung des Messstellennetzes gebe – bis man 2014 ohne viel Aufhebens dann doch eine vorgenommen habe. Deutschland verfüge über rund 700 Messstellen, das kleinere Österreich über 1.950. „Dass dann Landwirte meinen, hier gehe es nicht um Fachlichkeit und wissensbasierte Entscheidungen, sondern es wolle ihnen jemand übel mitspielen, muss doch keinen wundern“, so Paetow.

Von roten Gebieten bis Ferkelkastration

Im Weiteren sprach die Bauernzeitung mit Hubertus Paetow über

  • die Anpassungsstrategie seines Marktfruchtbetriebes, der im roten Gebiet liegt,
  • die Nachhaltigkeit von Agrarexporten,
  • Themen der DLG-Wintertagung in Münster,
  • die Vorteile von EU-Zahlungen, die an Umweltleistungen gebunden sind, gegenüber Flächenprämien sowie
  • die Frage, warum die betäubungslose Ferkelkastration eine Musterbeispiel dafür ist, wie Politik die von der Gesellschaft proklamierten Ziele verfehlt.

Das Interview ist erschienen in der Bauernzeitung 6/2020.