Sauenhaltung

Kastenstand: Wird das Ende jetzt besiegelt?

Gerade umgebaut und schon veraltet? (c) Sabine Rübensaat
News
Artikel teilen

Am Freitag geht es im Bundesrat wieder um den Kastenstand. Praktisch in letzter Minute tauchte noch einmal ein sehr weitgehender Kompromissantrag auf.

Erst in der vorigen Woche hatte Nordrhein-Westfalen erneut versucht, den festgefahrenen Konflikt um den Kastenstand zu lösen. Der Vorschlag sah vor, aus dieser Haltungsform auszusteigen, in der achtjährigen Übergangsfrist jedoch Zugeständnisse beim Ausstrecken der Sau im Stand zuzulassen. Akzeptiert werden sollte, dass es zum Körperkontakt mit dem Tier in der Nachbarbucht kommen kann.

Ohne Beschluss bleibt es beim Kastenstand

Das stieß bei den Grünen auf Ablehnung. So forderte die Thüringer Landtagsfraktion von der Erfurter Regierung, einer neuen Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung nur zuzustimmen, wenn „die Tiere ungehindert aufstehen und sich ausstrecken können, ohne dass sie mit dem Kopf und in Seitenlage mit den Gliedmaßen an ein bauliches Hindernis oder an andere Tiere stoßen“.

Sollten die vom Bundeslandwirtschaftsministerium schon vor Monaten vorgelegte Verordnung jedoch scheitern, bleibt es bei den bisherigen Vorschriften. Zwar müssten die einschneidenden Vorgaben des Magdeburger Urteils umgesetzt werden. Das aber kritisiert nicht den Kastenstand an sich, sondern nur seine baulichen Maße. Damit würden die Grünen auf längere Sicht ihr Ziel verfehlen, diese Haltungsform zu verbieten.


Sauenhaltung_Kastenstand

Thüringer Grüne wollen 30.000 Sauen abschaffen

Die Fraktion von Bündnis90/Die Grünen im Thüringer Landtag fordert das Ende der Kastenstandhaltung von Sauen. Zuvor endete ein Treffen von Spitzenpolitikern der Partei mit Schweinehaltern mit einem Eklat. mehr


Grüne über Kiel wieder mit im Boot

Diese Erkenntnis könnte den Ausschlag gegeben haben, dass sich nun Schleswig-Holstein und sein grüner Landwirtschaftsminister Jan-Philipp Albrecht wieder in die Suche nach einem Kompromiss eingeschaltet haben. Der neue Antrag, den Kiel und NRW gemeinsam einbringen wollen, sieht die von NRW schon vorgeschlagene achtjährige Übergangszeit vor, in der die Sau beim Ausstrecken im Kastenstand nicht durch bauliche Hindernisse eingeschränkt werden darf.

Über den Wortlaut berieten am späten Montagnachmittag die Länder auf Arbeitsebene. Dem Vernehmen nach feilen Düsseldorf und Kiel noch an einigen Formulierungen, das Bundesministerium prüft inzwischen die Rechtssicherheit. Somit besteht die reale Chance, dass es dieses Mal zu einem Bundesratsbeschluss kommt. Denn Schleswig-Holsteins Agrarminister Albrecht ließ sich am Dienstag von der Süddeutschen Zeitung bereits mit dem Satz zitieren: „Damit schaffen wir einen Systemwechsel: weg vom Kastenstand, hin zur Gruppenhaltung.“

Folglich enthält der neue Vorschlag sehr weitgehende zusätzliche Auflagen. Wörtlich heißt es: „Mit den vorgeschlagenen Änderungen wird auch für den Zeitraum vom Absetzen der Ferkel bis zur Besamung der Sau die Gruppenhaltung eingeführt. Die Änderungen beinhalten den vollständigen Ausstieg aus der Kastenstandhaltung im Deckzentrum.“

Eine Fixation von Sauen im Rahmen des Reproduktionszyklus ist laut Antrag nur noch zum Zeitpunkt der Besamung zulässig. Nach der Besamung ist die Sau aus dem Kastenstand unmittelbar in die Gruppenhaltung im Wartebereich zu überführen.

Fressliegebuchten allein reichen nicht

Für die Einführung der Gruppenhaltung vom Absetzen der Ferkel bis zur Besamung der Sau wird eine Mindestfläche von fünf Quadratmetern pro Sau für nötig erachtet. Außer der Mindestliegefläche von 1,3 m² pro Sau (entspricht den Regelungen für den Wartebereich) gibt es keine weiteren Anforderungen an die Aufteilung der Flächen zwischen den verschiedenen Funktionsbereichen (Fressen, Liegen, Aktivität). Im Antrag werden drei mögliche Umbauvarianten genannt:

  1. Zusammenfassung von Liege- und Aktivitätsbereich in Form einer „Arena“ mit vorgeschalteten Fressplätzen;
  2. Zusammenfassung von Fress- und Liegebereich in sogenannten Fressliegebuchten mit dahinter befindlichem Aktivitätsbereich;
  3. Trennung aller drei Funktionsbereiche: vorne Fressplätze mit Sichtblenden mit dahinter befindlichem Aktivitätsbereich. An den Aktivitätsbereich anschließend Liegebuchten für gemeinsames Liegen der Sauen.

Für die in der Gruppenhaltung nötigen „Rückzugsmöglichkeiten in ausreichendem Umfang“ werden sogenannte Fressliegebuchten oder Fresstände allein nicht anerkannt.

Betriebe sollen sich schnell entscheiden

Für das Deckzentrum gilt eine achtjährige Übergangsfrist unter der Voraussetzung, dass der Tierhalter sowohl ein Umbaukonzept als auch den Bauantrag fristgemäß vorlegt. Um Betriebe gezielt zu einer schnelleren Entscheidung über erforderliche Umrüstungsmaßnahmen zu bewegen, enthält der neue Vorschlag eine weitere Staffelung der Übergangsfristen: eine kurz bemessene dreijährige Frist zur Vorlage eines Umbaukonzeptes und eine weitere zweijährige Frist zur Stellung eines Bauantrages.

Zu üblichen Fressliegebuchten soll künftig zusätzlicher Rückzugsraum angeboten werden. (c) Archiv/Susanne Gnauk

In einigen Bundesländern gibt es baurechtliche Fristen, in denen nach Antragstellung eine Baumaßnahme umgesetzt werden muss. Daher erhalten Betriebe nach Antragstellung nur noch eine weitere Frist von drei Jahren, die Baumaßnahme letztendlich auch umzusetzen. Eine fünfjährige Übergangfrist gibt es für diejenigen, die spätestens bis zum Ablauf dieser Frist die Sauenhaltung aufgeben werden. Voraussetzung ist aber, dass sie dies spätestens innerhalb von drei Jahren gegenüber der zuständigen Behörde erklären.

Ohne Kastenstand nur noch was für die ganz Starken

Zu erwarten ist, dass ein erheblicher Teil der Sauenhalter in Deutschland die notwendigen Umbaumaßnahmen nicht leisten kann oder will. Branchenkenner rechnen daher damit, dass sie die Ferkelerzeugung aufgeben. Nach Einschätzungen aus Thüringen könnte davon bis zu einem Drittel der Betriebe Gebrauch machen, die heute Sauen halten. Bei der LMS Agrarberatung in Mecklenburg-Vorpommern geht man davon aus, dass die deutsche Fähigkeit zur Selbstversorgung von 120 % auf nur noch 70 % fällt.

Wirtschaftlich schwerer dürfte es vor allem Betriebe treffen, die erst in den letzten Jahren in neue Ställe und Haltungssysteme investiert haben. Für die meisten dürften sich die „alten“ Investitionen noch längst nicht amortisiert haben. Innerhalb der achtjährigen Übergangszeit müssen sie aber schon wieder umbauen, wollen sie weiter Sauen halten. Dazu in der Lage sein werden freilich nur sehr leistungsstarke, hochprofessionelle Betriebe. ste/fh