Anlieferung in der Mühle (v.l.): Klaus Wagner, Volker Trostdorf, Stephan Kill, Mühlen-Gesellschafter Hans-Christoph Erling und Susanna Karawanskij. © Frank Hartmann

Erntepressekonferenz: Glimpfliches Ende – bis aufs Futter

Die Mühle in Bad Langensalza war Gastgeber der diesjährigen gemeinsamen Erntepressekonferenz in Thüringen von Bauernverband und Agrarministerium. Gezogen wurde eine gemischte Bilanz.

Von Frank Hartmann

Die Getreide- und die Rapsernte sind nicht so schlimm wie befürchtet. Es sei jedoch auch keine gute, sondern beim Getreide eine regional sehr durchwachsene Ernte, urteilte Susanna Karawanskij in Bad Langensalza. Gemeinsam mit TBV-Präsident Dr. Klaus Wagner ordnete sie die Ergebnisse vor der Presse ein. Zugleich wies die Ministerin auf eine problematische Futterernte hin. Fiel der erste Schnitt bei Ackerfutter und vom Grünland noch mittelmäßig aus, brachten der zweite und der dritte wegen der Trockenheit kaum nennenswerte Erträge.

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Den Angaben auf der Erntepressekonferenz in Thüringen nach bewegt sich die Getreideernte leicht unter den Ergebnissen des Vorjahres und des sechsjährigen Mittels. Obwohl die Anbaufläche um fast 10.000 ha über der des Vorjahres liegt, fällt die Gesamterntemenge mit rund 2,38 Mio. t um etwa 40.000 t geringer aus als 2021. Mit 70 dt/ha Winterweizen und 51 dt/ha Sommergerste liegt das Niveau um 4 bzw. 6 dt/ha unter dem langjährigen Durchschnitt.

Der Thüringer Weizen hat eine gute Backqualität und erreicht bundesweite Spitzenwerte, heißt es im Erntebericht. Der Qualität der Weizenernte attestierte Wagner hingegen enorme Schwankungen, was er auch auf eine zum Teil reduzierte Düngung zurückführte. Er rechnet am Ende mit mehr Futterweizen als in den Vorjahren. Bei der Sommergerste ergaben die untersuchten Proben bislang nur zu zwei Dritteln Braugerstenqualität. Die Roggenernte fiel mit 64 dt/ha gut aus; die Ernte von Triticale brachte mit 55 dt/ha nur unterdurchschnittliche Erträge. Die Rapsanbaufläche verringerte sich nicht zuletzt aufgrund von Umbrüchen auf 98.500 ha: Mit etwa 36,4 dt/ha wurde das Niveau des langjährigen Mittels (34,4 dt/ha) aber deutlich überboten – einschließlich ordentlicher Ölgehalte.

Ergebnisse der BEE in Thüringen
Der diesjährige Erntebeginn war mit Ende Juni früher als in den Vorjahren. Bereits in der ersten Augustdekade waren die Getreidefelder abgeerntet. Die Ergebnisse von 435 Proben aus der Besonderen Ernteermittlung (Getreide und Raps) liegen mittlerweile fast vollständig vor.

Die Druschfeuchten waren wie auch der Schwarz- und Fremdbesatz (geringerer Unkrautdruck) deutlich niedriger als in den Vorjahren. Getreide- und Rapspartien waren nahezu auswuchsfrei. Aufgrund der Dürre kam es örtlich zu Feld- und Maschinenbränden. Die Wintergerste war durch ihre frühzeitigere Entwicklung vom zunehmenden Wassermangel weniger betroffen und konnte mit 77 dt/ha im Mittel den Vorjahresertrag überbieten und das sechsjährige Niveau erreichen. Das Hektolitergewicht (HLG) mit 53,2 kg und das Tausendkorngewicht (TKG) mit 44,6 g sind höher als im Mittel der Vorjahre. Der RP-Gehalt (RP) liegt mit 10,6 % unter dem der Vergleichsjahre.

Der Winterweizen hingegen erreichte mit 70,2 dt/ha nicht die Ergebnisse der Vorjahre, die Spannweite reicht von 36 bis 114 dt/ha. Das TKG ist mit 39,5 g unterdurchschnittlich. Die Partien zeichnet im Mittel ein hohes HLG von 78,4 kg mit einer engen Spannbreite aus. Zu knapp 95 % wird in Thüringen Qualitätsweizen angebaut, der mittlere RP beim A-Weizen liegt derzeit bei 12,6 %, beim E-Weizen bei 13,9 %. Laut Zwischenbericht des MRI Detmold liegt bei den Thüringer Weizenpartien der Sedimentationswert bei 52 ml und die Fallzahl bei 359 s, beides über dem bundesdeutschen Durchschnitt.

Der mittlere Ertrag bei Winterroggen liegt mit 64,4 dt/ha über dem der Vorjahre (RP: 10,3 %). Einzelpartien hatten einen geringen Mutterkornbesatz. Das TKG beträgt 29,9 g. Für die Hälfte der bisher untersuchten Thüringer Roggenmuster wird eine Fallzahl von 304 s bekannt gegeben. Die Wintertriticale weist im Mittel einen unterdurchschnittlichen Ertrag (55,5 dt/ha) und TKG (37,7 g) sowie durchschnittlichen RP-Werte (12 %) auf.

Zwei Drittel der Sommergerstepartien erfüllen die Qualitätsnormen für Braugerste, im Mittel liegt der RP bei 11,1 % und der VGA bei 85 %. Der Ertrag ist mit 51,2 dt/ha unterdurchschnittlich. Die Sommergerste zeichnet sich mit einer Keimfähigkeit von hohen 97 % aus.

Der Winterrapsertrag erreicht 36,5 dt/ha, was über dem Mittel der Vorjahre liegt. Der Ölgehalt beträgt 43,5 %. Die auffällig kleinen Körner brachten ein TKG von 4,2 g.
Sabine Wagner, Lukas Harnisch, TLLLR

Karawanskij und Wagner wiesen beide auf lokal stark schwankende Erträge hin. Dem TBV-Präsidenten zufolge fielen in den Regionen südlich der A 4 noch weniger Niederschläge als ohnehin schon im Land gemessen werden konnten. Die diesjährige Rapsaussaat beschrieb Wagner als Entscheidung zwischen „Pest oder Cholera“: Entweder man drillt, ohne zu wissen, ob es regnet. Oder man wartet ab, mit allen Nachteilen, die eine späte Aussaat bieten kann. Angesichts der wiederkehrenden extremen Witterung forderte Karawanskij den Bund auf, „endlich seine Blockadehaltung bei der finanziellen Unterstützung von Risikovorsorgeinstrumenten für Agrarbetriebe“ aufzugeben. Thüringen werde hier weiter auf ein gefördertes Risikomanagement drängen. Denn dies sei mittelfristig günstiger für die öffentliche Hand als teure Krisenhilfen.

Gemahlen wird rund um die Uhr: Betriebsleiter Volker Trostdorf (M.) führte Wagner und Karawanskij durch die Mühle in Bad Langensalza.
Gemahlen wird rund um die Uhr: Betriebsleiter Volker Trostdorf (M.) führte Wagner und Karawanskij durch die Mühle in Bad Langensalza. © Frank Hartmann

Landwirte zocken: Verkauf der Ernte sei Glücksspiel

Wagner stellte auf der Erntepressekonferenz in Thüringen heraus, dass eine ökonomische Bewertung der Ernte in diesem Jahr so schwierig wie noch nie sei. „Enorme Sprünge bei den Erzeugerpreisen machen den Verkauf der Ernte für uns Landwirte zu einem Glücksspiel. Hinzu kommen die enorm gestiegenen Preise für Diesel und Mineraldünger.“ Als Reaktion auf die hohen Gaspreise hätten europäische Düngerproduzenten die Produktion eingestellt, „sodass auch die Verfügbarkeit von Mineraldünger infrage gestellt ist“. In Erwartung gleichbleibender bzw. steigender Betriebsmittelpreise erachtet Wagner für die Ernte des kommenden Jahres Weizenpreise von mindestens 330 €/t für notwendig.

Deutliche Kritik sandte der TBV-Präsident an die agrarpolitisch verantwortlichen Akteure in Berlin und Brüssel. „Statt in dieser schwierigen wirtschaftlichen Lage zu helfen, tut die Politik ihr Bestes, die Situation der heimischen Landwirtschaft noch weiter zu verschlimmern.“ Dies betreffe zum einen die „verkorkste Reform“ der europäischen Agrarpolitik, die immer noch nicht abschließend entschieden hat, was ab dem 1. Januar für Landwirte gilt. Verschärfend kämen die neuen Vorschläge der EU-Kommission zur Anwendung von Pflanzenschutzmitteln hinzu, die unverantwortlich seien.

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Regionales Wirtschaften

Gastgeber der diesjährigen Erntepressekonferenz in Thüringen war die Roland Mills Mühle in Bad Langensalza, die gut 355.000 t Getreide im Jahr vermahlt, davon 250.000 t Weizen, 85.000 t Durum und 20.000 t Roggen. Wie zuvor schon Wagner, stellte Geschäftsführer Stephan Kill die Partnerschaft mit den Landwirten in Mittelthüringen heraus. Für Weizen sei es eine der besten Anbauregionen innerhalb Europas. Mehle aus Bad Langensalza gehen etwa an alle namhaften Lebensmittelhersteller in Thüringen, wozu unter anderem die Teigwaren Erfurt, Griessonde Beukelaer in Kahla oder Brandt Zwieback in Ohrdruf sowie handwerkliche Bäckereien zählen. 80 % der Mehle würden in einem Umkreis von 100 km abgesetzt. An die Politik gerichtet, warnte Kill bei der Erntepressekonferenz in Thüringen vor immer neuen „irrationalen Grenzwerten“. Dies gefährde nicht nur die Müller, die ein Naturprodukt verarbeiteten.

Informelle Ökoerträge

Im siebten Jahr in Folge ermittelte der TBV Ökogetreideerträge mittels einer Umfrage. 30 Betriebe mit knapp 7.800 ha Ackerfläche beteiligten sich:


  • Winterweizen: 41,1 dt/ha (Spanne: 15,4 dt/ha bis 72 dt/ha)
  • Dinkel: 38,4 dt/ha (14,8 dt/ha bis 71 dt/ha)
  • Winterroggen: 29,2 dt/ha (14,2 dt/ha bis 45,1 dt/ha)
  • Wintertriticale: 31,5 dt/ha (20 dt/ha bis 55,7 dt/ha)
  • Wintergerste: 37,5 dt/ha (15 dt/ha bis 47 dt/ha)
  • Hafer: 30,5 dt/ha (0 bis 56 dt/ha)
  • Sommergerste: 17,4 dt/ha (11,7 dt/ha bis 64,9 dt/ha)

Die Qualitätsparameter wurden nicht erfasst. Mit Ausnahme von Dinkel und Roggen bewegten sich die Öko-Ertragswerte unter den Durchschnittswerten der Jahre 2016–2021.