Henrik Wendorff, Präsident des Bauernverbandes Brandenburg, äußert sich im Interview zu den Protesten der Bauern. (c) Sabine Rübensaat

Henrik Wendorff zum Protest der Bauern: Es geht um Präsenz und Verantwortung

Die aktuellen Bauern-Proteste machen deutlich, dass Brandenburg mit seinem Zentrum Berlin eine besondere Rolle spielt – auch wenn‘s ums Demonstrieren geht. So bewertet Henrik Wendorff, der Präsident des Landesbauernverbandes, die Situation.

Das Gespräch führte Heike Mildner

Seit der Dezember-Demonstration in Berlin laufen Überlegungen und Planungen für die Aktionswoche, die seit Montag auch in Brandenburg mit vielen Aktionen im ganzen Land für Schlagzeilen in den Tagesmedien sorgt. Die Bauernzeitung sprach vergangenen Freitag (5.1.), mit Landesbauernpräsident Henrik Wendorff über die Aktionen und darüber, was im Hintergrund und nebenbei läuft.

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Henrik Wendorff im Interview: Wir haben reagiert

Sind Sie froh, dass wir in Brandenburg keine Halligen mit ministeriellem Fährverkehr haben?

Ja, natürlich, und wir haben reagiert: Das, was ich gesehen und gehört habe – und ich war ja nicht dabei – möchte ich so nicht sehen und hören, das schadet unseren Botschaften. Mehr will ich dazu gar nicht sagen.

Den Ampel-Galgen, den „Brandenburg aktuell“ thematisiert hat, lassen Sie durchgehen?

Es ist schade, dass diese Symbolik so in den Vordergrund der Diskussion geraten ist. Ich war viel in Brandenburg unterwegs in den letzten Tagen, und es ist ja nicht so, dass an jeder Kreuzung und in jedem Vorgarten so ein Galgen steht. Aber ich muss akzeptieren, dass mein Gegenüber eine andere Wahrnehmung hat als ich.

Und dann frage ich mich: Warum denkt er so, warum denke ich anders – ohne dass gleich ein Vorwurf entstehen muss. Letzteres ist allerdings sehr, sehr schwierig geworden.

Haben Sie das Gefühl, als LBV-Präsident unter Rechtfertigungsdruck zu stehen?

Abgrenzung von vielem ist sehr gefragt, auch in Interviews. Und ich frage mich öfter: Wo bleiben die, von denen man sich abgrenzen soll? Als Person des öffentlichen Lebens hat man große Verantwortung bei dem, was man sagt und wie man es sagt. Und diese Verantwortung ist manchmal nicht leicht zu tragen.

Henrik Wendorff: Vorschlag als Kompromiss verkauft

Was sagen Sie zum Entgegenkommen der Koalition?

Dass es nicht ausreicht, darüber sind wir uns länderübergreifend einig. Was die Kommunikation schwierig macht: Da gibt der Bundesagrarminister am Donnerstag ein Statement ab, in dem er den Vertretern der Landwirtschaft eine Mitarbeit suggeriert. Angeblich sei mit Verbänden gesprochen worden, mit dem Deutschen Bauernverband – im Ergebnis steht der sogenannte Kompromiss.

Ein Kompromiss entsteht, wenn man am Tisch sitzt und verhandelt, bis beide Seiten sich einig geworden sind. Das ist nicht passiert! Die Regierung hat sich geeinigt, einen Vorschlag gemacht und der Agrarminister hat ihn als Kompromiss verkauft! Auch so entsteht Rechtfertigungsdruck für mich, nämlich gegenüber den Landwirten, die ich vertrete. Sowas stellt meine Glaubwürdigkeit infrage, kann die Bauern spalten.

Zusammenarbeit und Gespräche

Zur Aktion am 18. Dezember hatten erstmals alle Brandenburger Agrarverbände gemeinsam aufgerufen. Eine Ausnahme oder ein Anfang?

Wenn wir als relativ kleiner Berufsstand etwas erreichen wollen, müssen wir ganz einfach zusammenarbeiten. Da hilft es nicht weiter, uns im internen Kleinkrieg zu verstricken. Wenn das Ziel klar ist, sollte man sich nicht auf Sachen konzentrieren, die früher an unterschiedlichen Meinungen gescheitert sind, sondern sich auf die Herausforderungen konzentrieren. Ich bin mit allen im Gespräch, aber mir sind natürlich die Bauern, die unseren Verband tragen, am nächsten.

Mit der Nähe zu Berlin stellt sich für den LBV auch die Frage nach der Zusammenarbeit mit dem Bundesverband. Kann sich da Brandenburg auf seine Aufgaben konzentrieren?

Berlin für uns als zweites Bundesland in der Mitte sorgt für Aufgaben, die andere Bundesländer nicht haben. Aber natürlich gibt es eine klare Abgrenzung, was Bundes- und was Landesangelegenheiten sind. Manchmal überschneiden sie sich, dann arbeiten wir zusammen und das funktioniert immer besser.

Agrardieselbeihilfe – Wie geht’s weiter?

Inwieweit schwingen Landesthemen bei den Protesten mit?

Auch die Agrarministerkonferenz hat sich heute mit den Protesten beschäftigt. Wenn die Agrardieselbeihilfe wegfällt, müssen wir ja zum Beispiel auf Länderebene neu verhandeln, wie es mit unserm Kulturlandschaftsprogramm weitergeht – da ist ja die Agrardieselbeihilfe mit eingepreist. Fällt sie weg, werden Nachbesserungen hoffentlich von den Bundesländern gefordert. Und denen wurden ja gerade 300 Millionen Euro an GAK-Mitteln weggenommen. Die Frage, wie die Agrardieselbeihilfe kompensiert werden soll, ist ja unbeantwortet – darum machen wir auch weiter.

Eine Frage des Wettbewerbs …

Beim Dieselpreis und bei den Steuern gibt es große Unterschiede in Europa. Wir haben einen gemeinsamen europäischer Markt. Warum denkt man im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) nicht auch über eine Harmonisierung des Dieselpreises und der Steuern auf Diesel nach? Auch das sind Anpassungsstrategien – das wäre ein Lösungsansatz mit Weitsicht, wenn man das mit den Landwirten besprechen würde.

Bauernproteste: von der Anmeldung bis zur Aktion

In dieser Woche laufen an die 30 Aktionen unter dem Dach des Landesbauernverbandes. Wie ist es dazu gekommen?

Als Verband, der im agrarpolitischen Diskurs verankert ist und auch eine gewisse natürliche Trägheit hat, wurden wir von der Vielzahl der geplanten Aktionen fast überrollt. Und als anerkannter Berufsverband müssen wir alles zu 100 Prozent richtig machen: von der Anmeldung bis zur Aktion. Da wollen wir auch ein Vorbild sein, und ich glaube, das ist insgesamt gelungen, Es gibt auch sehr viele Aktionen, die wir zum Beispiel mit unserem Papier zum Versammlungsrecht indirekt unterstützen.

Mich hat überrascht, wie schnell das landwirtschaftliche Thema auf andere Bereiche übergeschlagen ist. Das kann einen auch erdrücken – das ist für uns ja kein alltägliches Geschäft, normale Verbandsarbeit läuft parallel ja weiter. Auf der anderen Seite freut es mich, wie groß die Wahrnehmung ist.

Man spürt deutlich, dass wir zum ersten Mal seit Langem einen Großteil aller Bevölkerungsschichten hinter uns haben. Mich haben noch nie so viele Menschen angesprochen und gesagt: Tolle Sache, macht weiter, wir wünschen euch viel Erfolg. Für viele scheinen Kfz-Steuer und Agrardiesel ein Symbol zu sein für die eigenen Sorgen.

Henrik Wendorff: Die Mitglieder machen es möglich

Als Höhepunkt der Proteste ist die Demo am 15. Januar in Berlin vorgesehen. Vier Tage später beginnt die Grüne Woche. Wie teilt der LBV die Kräfte ein?

Beides unter einen Hut zu bekommen, ist nicht ganz einfach. Wir wollen so stark präsent sein, wie im vergangenen Jahr und mit den Brandenburgern und Berlinern ins Gespräch kommen. Wir werden erstmals auch gemeinsam mit den Imkern auftreten. Es wird nicht einfach, wenn das eine nicht unter dem anderen leiden soll.

Und man darf nicht vergessen: Es ist fast alles rein mitgliederfinanziert! Ich bin daher auch den Mitgliedern dankbar, dass sie das alles mittragen und mitgestalten. Da hat jedes Mitglied seinen Anteil dran, das ist alles nicht selbstverständlich.

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