Nebenerwerb

Dexter-Zucht in Brandenburg: Zwischen BraLa-Ausfall und Familienglück

Elfy, Guido und Fritz Lindemann lieben ihre Tiere, die alle irgendwie mit zur Familie gehören. Die Dexter sind das Aushängeschild des Züchters, aber in Krahne gibt es noch viel mehr zu entdecken. © Heike Mildner

Seit 25 Jahren züchtet Guido Lindemann Dexter und fährt fast immer mit einer Auswahl zur BraLa – außer in diesem Jahr. Wir haben die Familie in Krahne (Brandenburg) besucht.

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Wer Ende der 60er-Jahre im Osten groß geworden ist, hat ihn vielleicht als Kind im Radio gehört: Bauer Lindemann erzählte im Bi-Ba-Butzemannhaus einmal die Woche Geschichten über Landwirtschaft. Guido Lindemann aus Krahne bei Kloster Lehnin im Landkreis Potsdam-Mittelmark kennt Radiobauer Lindemann gar nicht. Aber Geschichten über Landwirtschaft kann er auch erzählen: von einer ganz individuellen Landwirtschaft, die ihn seit der Kindheit begleitet und seinen Tagesablauf und den seiner Familie bestimmt, obwohl sie nicht ihr Haupterwerb ist. Eine Landwirtschaft mit Mutterkühen, Schafen, Pferden, Hühnern, Enten, Hunden, Pfauen …

Neben Dexter-Rindern und Ouessant-Schafen züchtet Familie Lindemann auch schwarze Australorp-Hühner.
Neben Dexter-Rindern und Ouessant-Schafen züchtet Familie Lindemann auch schwarze Australorp-Hühner. © Heike Mildner

Dexter-Rinderzucht in Planetal: 25 Jahre Engagement für kleine Rinder

Aber eigentlich sind wir wegen der Dexter da: Seit 25 Jahren hat sich Guido Lindemann der Dexter-Rinderzucht verschrieben. Seit mehr als 20 Jahren fährt er mit einer Auswahl der kleinen Rinder zur BraLa und hat etliche Auszeichnungen für seine Tiere bekommen: Grund genug, den Züchter im Vorfeld der Landwirtschaftsausstellung einmal zu Hause zu besuchen. Dass daraus fast ein Krankenbesuch werden würde, war kaum vorauszusehen, und zur BraLa werden Lindemanns in diesem Jahr ausnahmsweise nur als Besucher kommen.

Die Dexter sind das Aushängeschild des Züchters.
Die Dexter sind das Aushängeschild des Züchters. © Heike Mildner

Zwangspause für die Dexter-Zucht: Als Gäste zur BraLa

Ein verschleppter und endlich operierter Bandscheibenvorfall ist einer der Gründe. Die Reha sei gerade erfolgreich absolviert, aber er werde erstmal weiter zur Physiotherapie müssen, sagt Guido Lindemann bei einer Tasse Kaffee im Wintergarten. Schon die Versorgung der Tiere fällt momentan nicht so leicht wie sonst, auch wenn seine Frau Elfy mit allem vertraut ist und die Großfamilie zusammenhält. Und dann hat sich Fritz zwei Tage vorm Besuch der Bauernzeitung auch noch mit einer Tasse Kaffee verbrüht. Weinen, Notaufnahme, Verbände – das ganze Programm. Und doch Glück gehabt – Vater wie Sohn. Aber Vorführen auf der BraLa, das wäre in diesem Jahr denn doch zu viel. Zum Ausgleich erleben wir eine Minisafari mit Familie durch Lindemanns Nutztierreich.

Bis Anfang Juni weiden Lindemanns Dexter-Bullen in einer 30-Hektar-Teichlandschaft am Rand von Krahne. Die Karpfenzucht, die es hier einmal gab, wurde eingestellt. Jetzt stehen hier ein paar Pferde, brütet ein Schwan im Schilf, führen Wildgänse ihren Nachwuchs spazieren – und irgendwo entdecken Lindemanns auch ihre Bullen an einem der Kanäle, die die Teiche verbinden. Bis Juni führen sie hier draußen ein wildes Rinderleben, dann dürfen sie zu den Kühen und Lindemanns nächste Generation der Dexter-Rinderzucht einläuten.

Lindemanns Dexter-Bullen in der 30-Hektar-Teichlandschaft am Rand von Krahne
Dexter-Rinderzucht: Lindemanns Dexter-Bullen in der 30-Hektar-Teichlandschaft am Rand von Krahne © Heike Mildner

Romantische Anfänge: Hochzeit und Familiengründung auf Hof 2

Die romantische Runde um die Teiche haben Lindemanns vor drei Jahren auch mit ihren Hochzeitsgästen gemacht. Allerdings nicht im geländegängigen Pickup, sondern in vier Vierspännern: sie beide, die Eltern und Schwiegerelter, Freunde. Vom Standesamt ging es um die Teiche zur Kirche und dann zu „Hof 2“ – Lindemanns Refugium am Rande von Krahne, das er seit 2000 für sich – und anfangs eben für die Dexter-Rinderzucht – zu bauen begann. An Frau und Kind dachte er damals noch nicht. Aber als seine Nachbarin Elfy 2019 vor der Tür stand, um nach Pachtland für ihren Friesen zu fragen, funkte es. Das Kaltblut ist inzwischen nach Thüringen weitergezogen, Elfy blieb. „Ich habe immer gesagt, ich heirate nur einmal in meinem Leben, dann aber richtig“, sagt Lindemann. 300 Gäste kamen zur Hochzeit auf Hof 2. Ein Tag, den die beiden nicht vergessen werden. Ein Jahr später kam Fritz auf die Welt.

Fritz entdeckt die Welt

Fritz versteht noch nicht, warum die Ouessant-Schafe vor ihm weglaufen, warum der weiße Pfau das gefährlichste Tier auf dem Hof ist, warum die schwarzen Australorp-Hühner die Geranien, die er in seiner Schubkarre umherschiebt, als Futter betrachten und warum er nicht allein auf die Weide zu den Kühen darf. Er ist doch groß genug! Fritz wird bald zwei Jahre, er ist hinter allem her, das ihn interessiert, und ihn interessiert alles. Vor allem die Tiere.

Die Ousseant haben ein Lamm, eine Woche alt ist es. Dass es frisches Wasser braucht, weiß Fritz schon. Die ersten fünf Monate nach seiner Geburt hat er mit seinen Eltern hier in einem Wohnwagen auf Hof 2 verbracht. Und auch jetzt ist er fast immer dabei, wenn Elfy und Guido nach der Arbeit – sie arbeitet in der Verwaltung der Agrargenossenschaft, er als Ausbilder für behinderte Menschen – die Tiere versorgen. Wenn die beiden viel zu tun haben, bleibt Fritz auch gern bei seiner Oma, den Hunden, Küken und Wellensittichen auf dem Hof in Krahne, auf dem schon sein Papa als Kind das erste Pony zu stehen hatte.

Fritz Lindemann und die Ousseant-Schafe
Fritz Lindemann hält die Ousseant-Schafe auf Trab. © Heike Mildner

American Miniatur Horses: „Elegante Großpferde in Miniatur“

Auch Fritz kann schon reiten. Aber Ponys darf man die beiden Vierbeiner, die in Dorfnähe auf einer Koppel stehen, nicht nennen, auch wenn sie auf den ersten Blick so aussehen. Es sind American Miniatur Horses, die als „elegante Großpferde in Miniatur“ beschrieben werden, „edel und perfekt proportioniert, aber kaum größer als ein stattlicher Hund“. Papa führt den Zügel, Mama hält ein bisschen fest und schon geht es im ersten Pferdegang über die staubige Brandenburger Prärie. Zuchtambitionen haben Lindemanns in diesem Fall nicht.

Lindemanns halten American Miniatur Horses zum Vergnügen.
Lindemanns halten American Miniatur Horses zum Vergnügen.
© Heike Mildner

Dexter-Rinderzucht: Internationale Zuchtgeschichte

Bei den Dextern sieht es anders aus. Vor 25 Jahren kaufte Guido Lindemann die ersten Tiere für seine Dexter-Rinderzucht. „Damals waren Dexter sehr gefragt“, so Lindemann, der seit der Kinheit bis dahin Ziegen, Geflügel und – wie sein Vater Jörg – Pferde gezüchtet hatte. Einmal fuhr Lindemann sogar nach England, um für seine Dexter-Rinderzucht frisches Blut in Form von sieben neuen Tieren heranzuschaffen. Die Tiere im eigenen Anhänger nach Hause zu bringen, war für Lindemanns ein einmaliges, länderübergreifendes Abenteuer: Inzwischen muss eine Spedition beauftragt werden, wenn ein Rind von England nach Deutschland reisen soll. Die Tour hat die Qualität der Dexter-Rinderzucht von Planetal gesichert und weiter vorangetrieben.

Hörner als Schutz: Zucht wehrhafter Dexter-Kühe gegen Wolfsrisse

Als neues Züchtungskriterium neben den rassetypischen Eigenschaften steht spätestens seit 2019 die Wehrhaftigkeit der Rinder auf Lindemanns Zuchtprogramm. Grund dafür: Wolfsangriffe mit verschleppten oder verletzten Kälbern. „Kühe mit Hörnern können ihren Nachwuchs besser verteidigen, und sie machen das auch“, haben Lindemanns beobachtet. Einmal hätten sie nach dem Absetzen Bisswunden an einem Kalb entdeckt. „Regelmäßige Waschungen mit Jodlösung haben ihm das Leben gerettet“, so Lindemann, „nach drei Wochen war nichts mehr zu sehen.“ Dass es überhaupt noch auf der Weide war, führt er darauf zurück, dass die Kühe es gegen den Wolf verteidigt haben. Darum setzt er bei der Zucht auf Rinder mit Hörnern.

Schreck überwunden

Dass die kleinen Kühe ganz schön Power haben, hat Lindemann vor Jahren am eigenen Leib erfahren. Ein (hornloser) Bulle, der sogar führig, aber sehr verspielt war, hatte Lindemann durch die Luft gewirbelt. Er sei nicht mal aggressiv gewesen, erinnert sich Lindemann, der nur knapp mit dem Leben davonkam, mit einem gebrochenen Halswirbel in der Ecke lag und monatelang mit einem Gestell versehen wurde, das Kopf, Hals und Rücken fixierte.

Gespannpflügen und Kaltblutliebe: Eine familiäre Tradition in Brandenburg

Der Unfall hielt Lindemann nicht davon ab, weiter mit großen Tieren zu arbeiten. Er ist nur noch etwas vorsichtiger geworden. Und wenn Fritz auf die Kühe losgeht – Fritz hat keinerlei Berührungsängste und kennt keine Gefahr – sind Guido und Elfy immer auf dem Sprung, egal ob Dexter, die größeren Welsh Black, die Lindemanns seit ein paar Jahren züchten, oder die noch größeren Rheinisch-Deutschen Kaltblutpferde. Mit denen tritt Guido Lindemann mit seinem Vater Jörg regelmäßig zum Gespannpflügen im Landkreis an, Elfy teilt die Begeisterung für die schwarzen Riesen.

Die Welsh Black auf einer Koppel bei Krahne. Hornlosigkeit ist wegen des Wolfs längst kein Zuchtziel mehr.
Die Welsh Black auf einer Koppel bei Krahne. Hornlosigkeit ist wegen des Wolfs längst kein Zuchtziel mehr. © Heike Mildner

Bürokratie-Hürden der BraLa

Was ihnen ohne Rinder auf der BraLa garantiert nicht fehlen wird, ist der Papierkrieg. Jedes Mal müssen die BraLa-Rinder für die Messetage in Potsdam-Mittelmark ab- und im Havelland angemeldet werden – und umgekehrt. Seuchenschutz, na klar. Aber auch ein zweifelhafter bürokratischer Hürdenlauf, auf den der Einzelne, dem die Gesundheit seiner Tiere selbstverständlich am Herzen liegt, gern verzichten würde. Ob hier der Bürokratieabbau greift, der ja gerade in aller Munde ist? Nicht nur die Lindemann-Bauern würde freuen, wenn das nächstes Jahr erledigt wäre, wenn sie nicht nur in Familie, sondern wieder mit ihren Kühen zur BraLa fahren.

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