Probate Mittel gegen den Medienfrust

Es ist ein Ritual: Pünktlich zur Grünen Woche häufen sich Medienberichte über die Landwirtschaft – oft mit eindeutiger politischer Stoßrichtung. Die gute Nachricht: Als Landwirt muss man sich darüber nicht lange ärgern.

Ein Kommentar von Frank Hartmann

in Berlin öffnet die Grüne Woche – und obwohl sie für die meisten Besucher vor allem eine Schau mit Köstlichkeiten aus Europa und der Welt ist, drehen sich die öffentlichen Debatten um die Landwirtschaft. Über diese Aufmerksamkeit, die von „Land schafft Verbindung“ bis zu „Wir haben es satt!“ auch diverse Demonstrationen erzeugen (werden), können sich Landwirte eigentlich nur freuen. 

Ihrem Ritual folgend, veröffentlichten kurz vor der Schau der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und die Heinrich-Böll-Stiftung der Grünen einen „Insektenatlas“. In den Vorjahren gab es etwa den „Fleischatlas“ oder „Agraratlas“. Das neueste Werk verspricht „Daten und Fakten über Nütz- und Schädlinge in der Landwirtschaft“ und beschäftigt sich vor allem mit dem Insektenrückgang. Neue Erkenntnisse finden sich in der Broschüre nicht, aber eine klare politische Botschaft: Es braucht eine andere Agrar­politik, eine Wende hin zu einer ökologischeren Landwirtschaft, will man den Insektenrückgang stoppen.

Der Unfug aus dem Atlas

Die Berichterstattung darüber war umfangreich und vielfältig. Es gab Kommentare, die den Unfug aus dem Atlas weiter verbreiteten, wonach Insektizide über Futtermittel Kuhfladen vergifteten. Andere übernahmen die Sicht der Herausgeber des Insektenatlas und sehen Rettung in der ökologischen Landwirtschaft. Es gab Beiträge, die angesichts des unterstellten Ausmaßes des „Insektensterbens“ den protestierenden Landwirten Resistenz gegenüber notwendigen Veränderungen unterstellten. Und auch solche, die zwar an einem Insektenrückgang nicht zweifelten, aber Forschung anmahnten, weil man im Grunde viel zu wenig darüber weiß.



Statt über den Insektenatlas berichtete etwa „Der Spiegel“ über einen „Aktionsplan für den Insektenschutz und Insektenerholung“, den 70 internationale Wissenschaftler verfasst haben. Der Verlust von Lebensräumen, die intensive Landwirtschaft, Umweltverschmutzung, invasive Arten oder die Klimaerwärmung werden als Ursachen aufgeführt. Die Maßnahmen reichen von mehr Forschung über den Kampf gegen Lichtverschmutzung bis hin zur Reduktion bzw. dem Ersatz von chemischen Pflanzenschutzmitteln.

Es gib sie: gute, ausgewogene Artikel

Neuer Landesredakteur für Thüringen Frank Hartmann
Es kommentiert: Frank Hartmann, BZ-Landesredakteur für Thüringen

Im Berliner „Tagesspiegel“ gab es einen lesenswerten Beitrag des Wissenschaftsjournalisten Matthias Glaubrecht, der eine globale Sicht auf den Artenrückgang warf. Ohne den ökonomischen Druck der Bauern auszublenden, beschäftigte sich „Die Zeit“ tiefgründig mit einer umweltschonenden Landwirtschaft. Vorgestellt wurden in dem Beitrag auch die Ackerbaustrategie des Bundesagrarministeriums und Zielbilder einer künftigen Landwirtschaft der Deutschen Agrarforschungsallianz.

Die Beispiele zeigen, dass Landwirtschaft zweifellos ein großes mediales Thema ist. Damit wird die gesellschaftliche Debatte über ihre Zukunft natürlich mit befeuert. Sie verdeutlichen zudem, dass nicht nur Unsinn über sie oder die Landwirte verbreitet wird und auch nicht ausschließlich Kritik – die im Übrigen alle Berufsgruppen und Branchen aushalten müssen, wenn deren Fachgebiet von der Publikumspresse, Fernsehen oder Rundfunk aufgegriffen wird.

Obwohl bei vielen Landwirten der Frust über „die Medien“ tiefsitzt, lohnt immer ein Blick über den Tellerrand beziehungsweise das alltäglich genutzte mediale Angebot. Eine gelegentliche Presseschau im Internet kann den Blick weiten. Auch der Austausch von „guten“, diskussionswürdigen Beiträgen und Kommentaren über soziale Netzwerke ist ein probates Mittel. Wer nur Frust auf „die Medien“ schiebt, sucht, wo er ihn bestätigt findet.


Hereford-Rinder Brandenburg Titelfoto Bauernzeitung

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