Vorzeitig in Rente: Warum Landwirte über die Diskussion zur Arbeitszeit lachen
Vorzeitig in Rente als Landwirt? Während viele Deutsche früher aufhören, schuften Mitarbeiter in Agrarbetrieben oft über 46 Stunden die Woche. Warum tickt die Landwirtschaft anders? Ein Kommentar von Claudia Duda.
In einer idealen Welt bekommen Arbeitnehmer viel Geld für wenig Arbeit. In der Realität müssen die meisten Menschen für ihre Brötchen immer härter arbeiten. Deshalb wird die Diskussion über eine wöchentliche Höchstarbeitszeit, die Streichung eines Feiertages und eine vorzeitige Rente so emotional geführt. Auch weil Otto Normalverbraucher oft das Gefühl hat, dass trotz harter Arbeit immer weniger zum Leben bleibt.
Arbeitszeit: Vier-Tage-Woche, Urlaub und Work-Life-Balance
Es ist die Quadratur des Kreises. Die Wirtschaft lahmt. Während auf der einen Seite Fachkräftemangel herrscht, heißt es aus Unternehmen und Verwaltungen zunehmend, dass junge Bewerber für eine Vier-Tage-Woche plädieren und einige mehr Urlaubstage und mehr Work-Life-Balance fordern. Mittelständische Unternehmer oder Verantwortliche in Agrarbetrieben können darüber nur laut lachen – wenn ihnen das Lachen nicht bereits längst vergangen wäre.
Flexible Arbeitszeiten müssen auch finanziert werden. Eine Vier-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich können sie sich nicht leisten. Denn die Fixkosten bleiben gleich. Und in Agrarbetrieben sind flexible Arbeitszeiten meist eine Illusion. Kühe wollen gemolken, Schweine gefüttert und Felder abgeerntet werden – egal ob Wochen- oder Feiertag. Der Fachkräftemangel in der Landwirtschaft ist ein Grund für viele Betriebe, die Milchwirtschaft aufzugeben.
Landwirte arbeiten jede Woche mehr
Übrigens: Laut dem Bundesinformationszentrum Landwirtschaft arbeiten Beschäftigte in der Agrarbranche besonders viel. Im Schnitt kamen 2022 landwirtschaftliche Vollzeitarbeitskräfte auf 46,7 Wochenstunden und haben also mit Abstand die längsten Arbeitszeiten unter allen deutschen Berufsgruppen. Der Durchschnitt liegt bei 40,4 Wochenstunden. Dazu kommt, dass landwirtschaftliche Angestellte deutlich weniger verdienen als der Durchschnitt der Arbeitnehmer.
Im Jahr 2022 lag der durchschnittliche Bruttolohn über alle Berufs- und Tarifgruppen hinweg bei 39.777 Euro, während Angestellte in der Landwirtschaft im selben Zeitraum lediglich 20.167 Euro verdienten. Selbstständige Landwirte verdienen zwar mehr – sie müssen aber auch das unternehmerische Risiko und zahlreiche Schwankungen tragen – darüber hinaus liegt ihre (Lebens-)Arbeitszeit noch viel höher als bei angestellten Mitarbeitern.
Vorzeitig in Rente: In Deutschland wird weniger gearbeitet
Die Debatte um Produktivität in Deutschland muss trotzdem unbedingt geführt werden. Wirtschaftsexperten sind sich einig: Wer den Wohlstand erhalten will, muss das Arbeitsvolumen insgesamt erhöhen – also auch das Jahresarbeitsvolumen und die Lebensarbeitszeit. Denn vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung stellt Michel Hüther, der Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln, die Frage: Warum arbeitet ein Vollzeitbeschäftigter in Deutschland über 240 Stunden weniger im Jahr als in der Schweiz?
Renteneintrittsalter: 55 Prozent gegen vorzeitig in Rente
Und warum wird hierzulande überhaupt deutlich weniger gearbeitet als in den meisten anderen Industrieländern? So wurde in Dänemark jüngst das Renteneintrittsalter ab 2040 auf 70 Jahre erhöht. Laut Faktenlage entscheiden sich allerdings viele Menschen in Deutschland bewusst dafür, frühzeitig in Rente zu gehen, oft lange vor dem gesetzlichen Renteneintrittsalter. Im Jahr 2023 haben über 55 % der Neurentner ihre berufliche Tätigkeit vorzeitig beendet, obwohl sie gesundheitlich in der Lage gewesen wären, länger zu arbeiten.
Auch diese Diskussion löst bei vielen Landwirtinnen und Landwirten Unverständnis aus. Sie denken in Generationen, nicht in Versicherungsjahren. Und viele sind schon froh, wenn sich überhaupt jemand findet, der ihr Lebenswerk einmal fortsetzt.

Unsere Top-Themen
- Schwerpunkt Stallbau Schwein
- Feldtag in Sachsen-Anhalt
- Modelle zur Bewässerung
- Märkte und Preise
Informiert sein

Fachliche Qualität – jetzt digital mit dem gratis Upgrade!
Sie sind bereits Abonnent:in der gedruckten Bauernzeitung und möchten die aktuelle Ausgabe zusätzlich auf Ihrem Smartphone, Tablet oder in der Browseransicht lesen? Erweitern Sie einfach Ihr Abonnement:
- Jetzt ein Jahr kostenlos upgraden
- Zuverlässig donnerstags lesen
- Offline-Modus: E-Paper auch ohne Internetzugang lesen
- Lesemodus nutzen, Artikel speichern, Suchfunktion
- Zugriff auf das Ausgaben-Archiv
Die Bauernzeitung jetzt digital lesen – immer und überall!