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Das Jugendwort des Jahres und der Zeitgeist

Unsere Sprache wird immer mehr von Anglizismen geprägt. Es verwundert nicht, dass auch das Jugendwort des Jahres aus dem Englischen kommt. Es wird deutlich, wie passend dies auch auf den Generationswechsel der Landwirtschaft zutrifft.

Es kommentiert Christoph Feyer

Der schlichte Anglizismus „lost“ wurde zum Jugendwort des Jahres 2020 gekürt. Bei mir, also einem vom älteren Semester, machte sich nach dieser Meldung ein klitzekleines Gefühl des Junggebliebenseins breit. Endlich einmal ein Wort, mit dem man etwas anfangen kann. Wörtlich übersetzt, bedeutet es: „verloren“ und ist selbsterklärend im Gegensatz zu manch früherem Auswahlsieger. Man denke nur an „Swag“, „Smombie“ oder das dämliche „I bims“ von 2017. Der Münchner Verlag, der die Wahl seit 2008 durchführt und praktischerweise gleich das Buch „100 % Jugendsprache“ herausgibt, teilte zu dem Siegerwort mit: „In der Jugendsprache ist damit jemand gemeint, der ahnungslos, unsicher oder unentschlossen ist.“

Hintergrund: Zukunftsangst?

Redakteur Christoph Feyer
Christoph Feyer, Chef vom Dienst und Redakteur für Neue Energien bei der Bauernzeitung. (c) Sabine Rübensaat

Der Jurysieger scheint damit perfekt zu passen. Weltweit sind Menschen verunsichert, viele verspüren Zukunftsangst. Obwohl Sprachwissenschaftler vor gefälligen Interpretationen warnen, es ist nicht ganz von der Hand zu weisen, dass sich hier wohl auch der Zeitgeist manifestiert. Zumal die Heranwachsenden das Wörtchen „lost“ auch gern mal für jemanden verwenden, der gerade ziemlich schlecht drauf ist.

Und schlecht drauf sind jetzt viele. Die einen, weil sie sich nicht mit Familie und Freunden treffen können. Andere hängen merkwürdigen Theorien an und wollen nicht auf Freizeitvergnügen verzichten. Wieder andere fürchten Folgen eines Klimawandels. Und dann gibt es noch eine Berufsgruppe, die sich permanent für ihr Handeln rechtfertigen muss und mit immer neuen Restriktionen überzogen wird. Wenn dann Tierseuche auf Pandemie trifft, beschreibt „lost“ die Stimmung auf den Punkt. Da zu widerstehen, also Resilienz zu zeigen (wie es im Fachjargon heißt), ist schwer.

Generationswechsel in der landwirtschaft

Aber genau deshalb haben europaweit Wissenschaftler im SURE-Farm-Projekt unter der Koordination der niederländischen Universität Wageningen versucht, die Widerstandsfähigkeit der europäischen Landwirtschaftssysteme besser zu verstehen und künftig zu stärken. Ein wichtiger, langfristiger Baustein für die Resilienz eines landwirtschaftlichen Systems sei dabei der Generationswechsel. Deshalb wurde auch untersucht, wie sich der demografische Wandel auf die Agrarsysteme in der EU auswirkt. Das Ergebnis: Nicht die Unsicherheit über eine Hofnachfolge, sondern die Gewinnung qualifizierter Arbeitskräfte stellt die größte Schwierigkeit beim Generationswechsel in der Landwirtschaft dar. Laut SURE-Farm-Projekt bilden qualifizierte Arbeitskräfte den Grundstein für das Fortbestehen der Agrarsysteme. Womit wir bei unserer Titelgeschichte angekommen wären. Die Ausbildung zum Pflanzentechnologen kann hier als gutes Beispiel dienen.


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Die Wissenschaftler des besagten Forschungsprojekts stellten übrigens auch klar heraus, dass Agrarsysteme nur dann attraktive Betätigungsfelder sind, wenn sie langfristige Perspektiven bieten. Und dass junge Menschen für eine Arbeit in der Landwirtschaft zu gewinnen, nicht nur mehr Offenheit und Engagement von den landwirtschaftlichen Betrieben, sondern auch staatliche Investitionen in ländliche Gebiete und Daseinsvorsorge erfordern. Es dürfe nicht an einer angemessenen Infrastruktur mangeln.

Abschließend sei noch erwähnt, Jugendliche finden es „mega lost“, wenn sich Erwachsene mal ihrer Sprache bedienen. Verstehen sollte man die Jugend aber trotzdem.