Fleisch mit höherem Preis in einer Lidl-Fleischtheke. (c) Bauernzeitung

Handel mit Landwirten in Gespräch

Vor allem die jüngsten Demonstrationen und Blockaden der Bauern haben die großen Lebensmittelkonzerne massiv unter Druck gesetzt. Erstmals scheint es, dass die Landwirte Teilerfolge verbuchen konnten.

Es kommentiert Ralf Stephan

Dahin, wo es weh tut, muss man für den Erfolg notfalls gehen. Das besagt eine Fußballreporterweisheit. Ein Geheimnis bleibt oft, welchem der Beteiligten der Fuß danach tatsächlich mehr schmerzt. Denn es geht allein darum, wer zuerst zurückzieht. Mit den Blockaden und spontanen Demonstrationen vor den Zentrallagern haben die Bauern offenbar eine ganz empfindliche Stelle des Lebensmittelhandels getroffen. Plötzlich treffen sich selbst die sonst zurückhaltenden Bosse und die größten Nummern unter den Einkäufern zum Gespräch mit Bauern.

Preisaufschläge möglich

Chefredakteur der Bauernzeitung/Deutschland: Ralf Stephan. 2019
Chefredakteur der Bauernzeitung/Deutschland: Ralf Stephan. 2019

Und noch mehr Unerwartetes passiert: Kurzerhand sind im umkämpften Markt für frische Lebensmittel Preisaufschläge möglich. Zwar ärgern sich die Landwirte schon lange über die großen Lebensmittelkonzerne und kritisieren deren Einkaufsgebaren – eine ernsthafte Reaktion jedoch hat es bislang nicht gegeben. Unbestritten haben die nächtlichen Aktionen der Landwirte in der gesamten Republik schon deshalb etwas erreicht, was bislang so noch nicht gelungen ist. Dabei gab es mit Blockaden eher schlechte Erfahrungen. Erinnert sei nur an die mehrtägige Abriegelung der Sachsenmilch in Leppersdorf auf dem Höhepunkt der Milchkrise von 2008 und die folgenden Verurteilungen zum Schadenersatz.

Jetzt aber ist manches anders. Zum einen ging der Auslieferungsbetrieb an den meisten Standorten weiter – wenngleich so verzögert, dass in einigen Supermärkten der Nachschub stockte. Zum anderen reicht es vermutlich inzwischen aus, Trecker in Sichtweite vorfahren zu lassen. Denn auch die Führungskräfte im Handel dürften noch die Bilder von 40.000 Bauern mit Traktoren in der Bundeshauptstadt vor Augen gehabt haben. An der Entschlossenheit und an der Fähigkeit, noch mehr Traktoren für eine noch längere Präsenz mobilisieren zu können, zweifelten sie vermutlich keine Sekunde.

Einfluss auf gesamte lebensmittelkette

Mehr als ihm lieb sein kann, steht der Handel ohnehin gerade selbst im Rampenlicht. Denn dass er seine Marktmacht hinter verschlossenen Türen immer wieder unlauter gegen schwächere Partner ausspielt, hatte die Europäische Kommission sogar zu einer eigenen Richtlinie veranlasst. Darin sind einige der bislang auch hierzulande üblichen Handelspraktiken ausdrücklich verboten. Als Bundesministerin Julia Klöckner offen gute Gründe nannte, diese Richtlinie auch in Deutschland umzusetzen, beschwerten sich die Chefs der vier großen Handelskonzerne bei der Kanzlerin über sie. Das Schreiben stieß allerorten auf wenig Verständnis, ja Spott. Es dürfte als „Heulsusenbrief“ in die Geschichte eingehen.


Fleisch von Lidl mit höherem Preis in einer Fleischtheke

VEZG: Preiserhöhungen kommen nicht an

Die Erhöhung der Verbraucherpreise für Schweinefleisch durch Lidl kommt nicht bei den Landwirten an. Das kritisiert die Vereinigung der Erzeugergemeinschaften für Vieh und Fleisch (VEZG). Sie fordert eine spürbare Anhebung des Erzeugerpreisniveaus und ein kurzfristiges Signal des Einzelhandels, höhere Einstandspreise zu akzeptieren. mehr


Endlich trifft man, und das dürfte die wichtigste Erkenntnis sein, mit dem Handel jene Branche, die den größten Einfluss auf die gesamte Lebensmittelkette nimmt. Das gilt für den fairen Umgang miteinander von Stufe zu Stufe, aber zum Beispiel auch für die Durchsetzung von Standards. Der niederländische Tierschutzbund hat dies übrigens schon vor Jahren erkannt. Anders als hiesige Tierschützer stellte er nicht die Tierhalter an den Pranger, sondern brachte –wie auch immer – die größte Supermarktkette des Landes dazu, nur noch Schweinefleisch mit seinem Tierschutzlabel anzubieten. Die Hintertür, immer auch billigere Ware im Kühlregal zu haben und dann über fehlende Nachfrage nach Labelfleisch klagen zu können, wurde auf diese Weise einfach zugeschlagen. Man staunt, was alles möglich ist – bevor es richtig weh tut.