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Kastenstand-Ende: Start für den Umbau der Tierhaltung?

Das beschlossene Ende der Sauenhaltung im Kastenstand entfacht erneut die Debatte über mehr Tierwohl. In Frage gestellt werden Effizienz, Arbeitsschutz, sowie finanzielle Unterstützung.

Es kommentiert Bettina Karl

Die Mutigen trifft es zuerst. Damit sind jene Ferkelerzeuger gemeint, die genug Courage hatten, in den letzten Jahren in ihre Ställe zu investieren, um mehr Tierwohl zu schaffen. Die nicht mehr abwarten wollten – oder aufgrund veralteter Bausubstanz den Neu- oder Umbau gar nicht mehr verschieben konnten –, bis sich Politiker nach jahrelangem Tauziehen nun endlich einigen.

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geplante änderungen und unterstützungen

Am letzten Freitag hat der Bundesrat die Novellierung der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung verabschiedet. Die Neuregelung sieht vor, dass im Deckzentrum schon bald auf den Kastenstand ganz verzichtet werden soll. Lediglich zur Besamung ist eine Fixierung möglich. Danach ist die Sau in die Gruppenhaltung im Wartebereich zu überführen. Außerdem werden jeder Sau künftig mindestens fünf Quadratmeter Platz zugestanden. Im Abferkelbereich darf die Sau maximal fünf Tage um den Geburtszeitraum fixiert werden. Die Bucht muss mindestens 6,5 Quadratmeter groß sein.

Positiv ist zum einen, dass diese Maßnahmen für mehr Wohlbefinden der Schweine sorgen. Zum anderen wird die jahrelange Unsicherheit der Sauenhalter beendet. Es gibt wieder mehr Planungssicherheit für die Betriebe. Aber das alles hätte schon viel früher passieren müssen. Schon 2015 mit dem Magdeburger Urteil entbrannte ein Streit um die Neuregelung der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung mit immer neuen Vorschlägen. Das Thema wurde im Bundesrat mehrfach von der Tagesordnung gestrichen, da keine Einigung möglich war.


Bundesrat beschließt Ende des Kastenstandes

Für die gängigste Form der Sauenhaltung fiel am Freitag der Hammer: In acht Jahren dürfen die Tiere nur noch in Gruppen gehalten werden. mehr


Ermutigend ist zudem, dass die Umbaumaßnahmen mit 300 Millionen Euro gefördert werden sollen. Ob das ausreicht, ist offen. Denn viele Fragen der Umsetzung sind noch nicht geklärt. Ebenso unklar ist, wie der Lebensmitteleinzelhandel reagieren wird. Denn Tierwohl muss bekanntlich bezahlt werden. Und Schweine aus dem Ausland zu importieren, wo keiner so genau weiß, wie diese wirklich gehalten worden sind, sollte eigentlich keine Lösung sein. Die Folgen wären fatal.

Tierwohl Vs. Effizienz und Arbeitsschutz

Für die mutigen Sauenhalter wurde eine Übergangszeit festgelegt, in der sie noch einmal neu denken und umbauen dürfen. Im Deckzentrum sind es acht Jahre. Jede Sau muss aber in der Übergangszeit im Kastenstand die Gliedmaßen in Seitenlage ausstrecken können, ohne dass ein bauliches Hindernis entgegensteht. Im Abferkelbereich gilt eine Übergangsfrist von 15 Jahren.

Mit dem Systemwechsel werden die Haltungsformen dem Tier angepasst. Effizienz und Arbeitssicherheit treten aber zurück. Denn beispielsweise ist der Umgang mit freilaufenden rauschenden Sauen nicht immer ungefährlich für die Betreuer. Daher müssen neue Verfahren entwickelt werden. Erfahrungen mit alternativen Haltungsformen müssen nun schnell in die Breite gebracht werden, was wir in diesem Heft mit dem Schwerpunkt „Stallbau Schwein“ ab Seite 34 schon umsetzen.

Ende des Kastenstands: Wendepunkt in der gesamten Tierhaltung?

Doch das Ende des Kastenstandes bedeutet noch mehr. Viele deuten ihn als den Einstieg in den Umbau der gesamten Tierhaltung: Am selben Tag beriet der Bundestag über die Empfehlungen der Borchert-Kommission – eine klare Mehrheit stimmte für einen Antrag von CDU/CSU und SPD, die Vorschläge der Expertenkommission für den grundlegenden Umbau der Tierhaltung „in Konsequenz und in Gänze“ umzusetzen. Der Beschluss ist ein Umbruch, den nicht alle Sauenhalter mitgehen werden. Und er ist eine Botschaft an alle anderen Tierhalter, sich bei ihren Zukunftsplänen auf tiefgreifende Veränderungen einzustellen.