Krankheiten, die in den Zeckenpopulationen Südeuropas jahrelang bekannt waren, und nun mehr und mehr hier Fuß fassen. (c) Heike Mildner

Babesiose: Ein Tierarzt im Interview

Als Tierarzt in Wriezen wurde Ulf-Michael Stumpe im vergangenen Winter auf eine Hundekrankheit, die Babesiose, aufmerksam, die viele Gesichter hat und tödlich enden kann, wenn man sie nicht erkennt.

Von Heike Mildner

Als Partner landwirtschaftlicher Betriebe in Brandenburg verfolgt Tierarzt Ulf-Michael Stumpe die Strategie, sein Geld mit gesunden Kühen zu verdienen. Dazu gehört für ihn eine Tierhaltung in gesundem Maße, also zur Fläche passend. Vor 15 Jahren hat er als Tierarzt angefangen zu praktizieren, seit zwölf Jahren spricht er über Antibiotikareduktion.

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Babesiose: Interview mit Ulf-Michael Stumpe

Mit „seinen“ Milchviehhaltern hat er es auf 40.000 Liter Lebensleistung „seiner“ Kühe abgesehen. Neben den großen Tieren behandelt er in seiner Tierarztpraxis in Wriezen im ostbrandenburgischen Landkreis Märkisch-Oderland auch Kleintiere. Am Rande einer Tagung zum Thema Silagequalität sprachen wir ihn auf seine Erfahrungen mit der sogenannten Hundemalaria an.

Sie haben schon vor einigen Wochen in der Regionalzeitung über das Thema berichtet. Wie sind Sie darauf gekommen?

  • Wir hatten als kleine Tierarztpraxis im vergangenen Winter in kurzer Zeit vier Patienten mit Babesiose, auch als Hundemalaria bekannt. Eine von vielen Krankheiten, die durch Zecken übertragen wird. Die Krankheit zu diagnostizieren, ist schwierig. Ich interessiere mich schon lange für das Thema Infektionskrankheiten aus landwirtschaftlicher Perspektive: Was passiert, was wiederholt, was verändert sich? Spannend!
Ulf-Michael Stumpe

Sie sprechen gleich von mehreren Krankheiten …

  • Krankheiten, die in den Zeckenpopulationen Südeuropas jahrelang bekannt waren, und nun mehr und mehr hier Fuß fassen. Im Fall der Hundemalaria, Babesiose, ist es die Auwaldzecke, es gibt aber auch andere durch Parasiten übertragbare Krankheiten – Sammelbegriff ist Canine-vectorborne-disease (CVBD) – und da gibt es einen ganzen Schwung: Anaplasmose, Bartonellose, Borreliose, Dirofilariose, Ehrlichiose, Leishmaniose.

Ursache: Klimawandel?

  • In den vergangenen Jahren kamen viele Tiere aus Südosteuropa nach Deutschland, die haben diese Krankheiten mitgebracht. Wir fragen die Patienten immer: Wo kommt Ihr Hund her?

Aber diese Hunde müssen doch offiziell alle ein Gesundheitszeugnis haben, geimpft sein usw. …

  • Aus privaten und Praxiserlebnissen wissen wir, dass viele Einschleppungen durch die unkontrollierte Einwanderung von Hunden passiert sind. Früher sind diese Krankheiten nur bei Hunden aufgetreten, deren Halter mit ihnen im Ausland waren. Im vergangenen Winter kamen dann innerhalb kürzester Zeit in unsere kleine Praxis Patienten aus 40 km Entfernung zu uns, teils über den Notdienst. Da hab ich gedacht: Das ist zu viel für unsere Praxis und habe einen Rundruf gestartet, damit die Aufmerksamkeit für diese Krankheiten da ist. Die Krankheiten werden durch Zecken übertragen. Wenn die sich vermehren, hauen sie mal schnell 20.000 Eier raus, und alle sind infiziert. Das kann eine ziemlich große Dynamik entwickeln, wenn man nicht gegenhält.

Von Hund zu Hund verbreiten sich diese Krankheiten nicht?

  • Nein, die Zecke ist der Vector. Aber der ist leider ausreichend vorhanden. Die Zecke hat selbst bei fünf bis sechs Grad Celsius noch kein Problem zu überleben – anders als der hiesige Holzbock – daher kam es zum Jahresende zur Häufung der Fälle.
Auwaldzecke auf einem Blatt
Die Auwaldzecke kommt derzeit verstärkt in Brandenburg vor und kann Babesiose auf den Hund übertragen. Wird die Krankheit nicht behandelt, kann sie für den infizierten Hund tödlich enden. (c) IMAGO / imagebroker

Gibt es Impfungen?

  • Es gibt Impfungen, doch die sind umstritten. Wir könnten sie beispielsweise aus der Schweiz einführen. Aber die Impfungen gelten als nicht ganz sicher. Die Art und Weise der Immunantwort ist sehr verschieden und ultrakomplex. Zugelassen in Deutschland sind Abwehrmittel gegen Zecken, die die Zecken töten, bevor sie die Erreger übertragen hat. Die Wahrscheinlichkeit, dass der Hund erkrankt, sinkt mit der Verwendung dieser Mittel.

Wie erkenne ich oder der Tierarzt eine Babesiose?

  • Ich habe einen Hund, dem es gut ging, und dem es auf einmal ohne ersichtlichen Grund schlecht geht, und der vielleicht einen Zeckenbiss hatte. Die Hunde sind also auf einmal matt und anämisch und zeigen dazu andere Symptome, die ganz verschieden sein können. Der Tierarzt sollte ausreichend Blut abnehmen, ein kleines und großes Blutbild machen, und, wenn da nichts herauskommt, was die Schwäche erklärt, Organwerte und Infektionsprofil hinterherschieben. Die Labore haben mittlerweile Standardtests für alle wichtigen Krankheiten.

Ist dem Hund zu helfen?

  • Man muss die Krankheit rechtzeitig erkennen. Es ist zu hoffen, dass inzwischen genug Praxen damit Erfahrung haben. Wir hadern mit Antibiotikavergaben, aber in diesem Fall sind sie nötig. Sie helfen zwar nicht gegen das Virus, aber bei Folgeerkrankungen wie Leptospirose. Wenn die Hundemalaria nicht erkannt und behandelt wird, stirbt der Hund.

Mit welchen Kosten müssen Hundehalter rechnen?

  • Eine mittlere Therapie liegt mit Diagnose und Medikamenten bei über 1.000 Euro. Allein die Diagnostik inklusive Screening des Blutes auf zeckenübertragbare Krankheiten kostet 200 bis 300 Euro. Daher empfehle ich eine konsequente Zeckenprophylaxe das ganze Jahr hindurch. Wenn ich die Haustiere behandle, schütze ich mich auch selbst ein Stück weit.

Sind CVBD wie Babesiose meldepflichtig?

  • Nein, die Sanierungsmöglichkeiten über ein Meldesystem sind vorbei. Das hätte man vor Jahren machen können – wie bei jeder Kuh und bei jedem Schwein mit einer Infektionskrankheit auch. Bei den Hunden wurde das leider nicht gemacht.

Wie ist Ihr persönliches Verhältnis zu Zecken?

  • Ich hatte schon Borreliose, eins meiner Kinder auch. Das ist so, wenn man auf dem Land unterwegs ist. Das sind ganz schöne Biester, ich habe nicht sonderlich viel Empathie für sie.
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