Kürbishof in Philippsthal: „Weil ich hierher gehöre“
Seit Anfang dieses Jahres führt Christian Braune, angehender Agrarbetriebswirt, den Kürbishof seiner Großeltern in Philippsthal weiter. Die drei verbindet mehr als nur die Leidenschaft für das opulente Gemüse.
Von Wolfgang Herklotz
Die Sonne meint es gut an diesem Herbsttag. Perfektes Wetter, um Kürbisse zu ernten. Auf dem Feld am Rande von Philippsthal, einer kleinen Ortschaft südlich von Potsdam, stehen Christian Braune und sein Opa Eberhard Riecke.
Der 82-Jährige stützt sich auf seinen Stock und beobachtet aufmerksam, wie sich sein Enkel an die Arbeit macht. „Denk immer dran, dass man die Kürbisse wie rohe Eier behandeln muss!“
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Kürbishof in Philippsthal
Christian Braune muss schmunzeln, sagt aber nichts. Der Opa kann es einfach nicht lassen, Kommentare abzugeben. Als ob er, Christian, das erste Mal das Gemüse vom Feld holen würde … Klar doch, dass man die Früchte sauber von der Pflanze trennt und sie dann sorgsam auf dem Hänger ablegt.
Danach werden die Speisekürbisse in einem großen Zelt gelagert, um sie vor Feuchtigkeit und Nachtfrösten zu schützen, mit denen man dann ab Mitte Oktober immer rechnen muss. Opa Riecke wirft einen prüfenden Blick auf die stattlichen Exemplare und weist dann mit dem Krückstock auf die einem Wurmfortsatz ähnelnden Endstücke, die er Nabelschnur nennt.
„Vorsicht! Wenn die beschädigt werden, ist es mit der ganzen Pracht schnell vorbei!“ Doch auch das muss er seinem Enkel nicht sagen, der schon als Knirps bei der Ernte auf dem Kürbishof Riecke immer mit dabei war. „Na klar, Opa!“
Von nix kommt nix
Es ist eine liebevolle Frotzelei, die sich die beiden da liefern. Denn Christian, der an der Fachschule Güstrow-Bockhorst studiert und im nächsten Jahr seinen Abschluss als Agrarbetriebswirt machen will, ist gern bei seinem Großvater. Und der wiederum lässt auf den Jungen nichts kommen. Der eine super Ausbildung als Landwirt hingelegt und vor zwei Jahren sogar den ersten Platz beim Berufswettbewerb der Landjugend in Brandenburg erreicht hat, danach sogar beim Bundeswettbewerb erfolgreich war. Das muss man erst mal schaffen, Respekt.
Und obendrein engagiert sich Christian noch in der Feuerwehr und im Ortsbeirat, ist immer zur Stelle, wenn im Dorf eine helfende Hand gebraucht wird. Ganz zu schweigen von seinen Einsätzen als Agrarscout auf der Grünen Woche, wo er gemeinsam mit anderen jungen Leuten in Sachen Imagewerbung für die Landwirtschaft unterwegs war. „Hauptsache, du übernimmst dich nicht, Christian!“, mahnt der Großvater. Doch der Enkel schüttelt nur den Kopf. „Von nix kommt nix!“
Wie einst alles im „Kürbistal“ begann
Philippsthal wird von den Einheimischen auch gern als Kürbisthal bezeichnet. Vor vielen Grundstücken sieht man die Früchte unterschiedlichster Form und Farbe, die an Ständen zum Verkauf angeboten werden. Doch besonders reichhaltig ist das Angebot in der Philippsthaler Dorfstraße 51, wo Adelheid und Eberhard Riecke wohnen.
Hier gibt es neben den „Klassikern“ wie Hokkaido und Tom Fox auch Bischofsmützen, so benannt nach ihrer auffällig platten Form. Eine Besonderheit ist die hauseigene Sorte, die aus der Kreuzung von Muskat und Butternut entstand. Sie hat einen hohen Anteil an Fruchtfleisch mit nussig-mildem Geschmack, doch eine dünne Schale. Die längliche Frucht lässt sich gut verarbeiten, liefert die Essenz für schmackhafte Suppen, aber auch für Lasagne und vieles mehr. Einen eigenen Namen hat die Sorte nicht. Für Christian schon, er nennt sie gern „Opas Kreuzung“. Dem nämlich ist es auch zu verdanken, dass der Kürbisanbau heute im Dorf solch eine wichtige Rolle spielt.
Es war in den 1980er-Jahren, als Eberhard Riecke zu einer Familienfeier in den Westen reisen konnte. Keine Selbstverständlichkeit zu Zeiten, als zwischen den deutschen Staaten noch eine streng bewachte Grenze verlief. Um sie passieren zu können, musste Riecke unerfreuliche Behördengänge über sich ergehen lassen. Aber schließlich bekam er dann doch grünes Licht. „Die haben sich wohl gesagt: Einer wie der Riecke kommt wieder. Der lässt weder seine Familie noch sein Viehzeug im Stich!“, erinnert sich der Philippsthaler.
Er kam zurück – mit einem Kürbis der Sorte Muskat im Gepäck. Die hatte ihn fasziniert, weil es den daheim nicht gab. Wohl aber andere Sorten, somit eine Reminiszenz an die eingelegten säuerlich schmeckenden Kürbisse. Die Ausbeute der Frucht freilich war enttäuschend. Kümmerliche acht Kerne waren verwertbar, aber dennoch genügten sie für den Aufbau einer eigenen Kürbiszucht. Diese sorgte schon bald für Aufsehen und inspirierte andere zum Nachmachen. Doch mit Riecke konnte kaum einer mithalten. Der schon mal respektvoll als „Kürbis-König“ bezeichnet wurde.
Spezialhacke Marke Eigenbau
Ein Schlaganfall vor neun Jahren zwang den gelernten Dreher zum Pausieren, sehr zum Leidwesen vieler Stammkunden aus Potsdam und Berlin. Rieckes Kürbisse waren inzwischen auch außerhalb Brandenburgs ein Begriff und ein beliebtes Mitbringsel. Sie gingen vom Kürbishof Riecke auf Reisen bis nach Norwegen, Kerne sogar per Post in noch weiter entfernte Gefilde.
Dass es seinem Großvater nun so schlecht ging, machte auch Christian Braune sehr betroffen. In all den Jahren hatte er bei der Aussaat und Ernte mitgeholfen, aber auch bei den umfangreichen Pflegearbeiten zwischendurch. Damit Kürbisse gut gedeihen, muss der Boden nach dem Legen der Kerne rückverfestigt werden. Zugleich ist wichtig, die Pflanzen in trockenen Jahren reichlich zu wässern und vor Unkräutern zu schützen. Als hilfreich erwies sich die Spezialhacke Marke Eigenbau vom Großvater. „Sie machte ein großflächiges Jäten möglich, ohne die heranwachsenden Früchte zu beschädigen“, erklärt Christian Braune.
Mit dem Großvater zur Kürbisernte aufs Feld
Während seine Schulkameraden sich zum Baden oder Fußballspielen verabredeten, zog er es vor, mit dem Großvater aufs Feld zu gehen. Die Ernte der bis zu 30 Kilogramm schweren Früchte war anstrengend, doch das störte ihn nicht. Er genoss die Bewegung an der frischen Luft und sog gierig auf, was Eberhard Riecke an praktischen Erfahrungen vermittelte. Und fand dessen Verkaufsgespräche auf dem Hof immer besonders anregend, weil da immer so lustige Geschichten zum Besten gegeben wurden.
Das sollte nun alles vorbei sein? Christian war inzwischen auf den Hof der Großeltern gezogen, um ihnen zur Hand zu gehen. Eigentlich hatte er gehofft, nach seiner Lehre in der Agro Saarmund dort eine interessante berufliche Perspektive zu finden. Doch dieser Wunsch erfüllte sich nicht.
Also entschied sich der junge Mann für die Weiterbildung zum staatlich geprüften Agrarbetriebswirt an der Fachschule für Landwirtschaft in Güstrow. Reisen und Arbeitseinsätze führten ihn in die Magdeburger Börde und nach Mecklenburg-Vorpommern, wo er als Vorführfahrer der Firma Claas arbeitete, aber auch nach Lettland.
Dort gibt es viel fruchtbarere Böden als in Philippsthal, wo schluffiger Sand dominiert und die Bodenwertzahl kaum über 20 liegt. Ohne den Anbau von Zwischenfrüchten und das Einarbeiten von Pferdemist wäre eine ausreichende Humusversorgung für den Boden, auf dem die Kürbisse wachsen, undenkbar. „Doch gerade in Lettland habe ich dann endgültig gewusst, dass ich hierhergehöre und deshalb Opas Hof weiterführen will“, bekennt der 24-Jährige.
Bauer Braune in den Startlöchern auf dem Kürbishof Riecke
Seit Anfang dieses Jahres bewirtschaftet er nun den Kürbishof Riecke, vorerst noch im Nebenerwerb, doch dafür nach den Richtlinien des ökologischen Landbaus. Auf den knapp 0,7 Hektar werden fünfzehn verschiedene Kürbissorten angebaut. Die Vermarktung erfolgt ausschließlich über den Verkauf ab Hof, für den noch Großmutter Adelheid sorgt.
Später will Christian Braune den Anbau auf dem Kürbishof Riecke erweitern, vielleicht in mobilen Ställen Hühner halten. Denkbar wäre auch, Kartoffeln anzubauen. „Doch jetzt achte erst einmal darauf, dass du einen ordentlichen Abschluss in Güstrow hinkriegst“, meldet sich der besorgte Großvater zu Wort. Christian Braune lächelt verständnisvoll. Natürlich hat Opa recht. Aber ein paar Ideen wird man ja wohl noch haben dürfen. Von nichts kommt ja nichts.