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Modellprojekt „Kooperativer Naturschutz“: Freiwillig und ergebnisorientiert

25 Betriebe setzen in dem Modellprojekt „Kooperativer Naturschutz“ in der Magdeburger Börde Agrarumweltmaßnahmen in Abstimmung mit den Behörden um. Das Beispiel soll Schule machen.


Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen auf besten Lößböden? Freiwillig umgesetzt von Landwirten, die dabei kooperieren? Und das von zentraler Stelle koordiniert und mit den Naturschutzbehörden vor Ort abgestimmt? In der Magdeburger Börde wird das derzeit praktiziert.

Dort setzen 25 Betriebe unterschiedlicher Größe und Ausrichtung in einem bundesweit einzigartigen Modellprojekt „Kooperativer Naturschutz in der Landwirtschaft“ auf ihren Ackerflächen AUK-Maßnahmen gemeinsam um. Das Projektgebiet umfasst den südlichen Teil des Landkreises Börde (Sachsen-Anhalt). Mit dem Pilotprojekt soll erprobt werden, ob das sogenannte Niederländische Modell auch in Deutschland Anwendung finden kann und ob es eine Option für die neue EU-Förderperiode sein könnte. Der Nachbarstaat baut bei den AUK-Maßnahmen auf einen kooperativen Ansatz. Die Umsetzung erfolgt dort in regionalen Zusammenschlüssen von Landbewirtschaftern, den Kollektiven.

Ein Ansprechpartner für das Modellprojekt

Als Kollektiv fungiert in der Börde die Stiftung Kulturlandschaft Sachsen-Anhalt. Sie ist Träger des Modellprojektes und erster Ansprechpartner für alle Beteiligten aufseiten der Landwirtschaft und des Naturschutzes. Die Stiftung koordiniert und kontrolliert das Anlegen und Umsetzen der AUK-Maßnahmen, reicht die Ausgleichszahlungen hierfür an die Landwirte aus und steht für die Bilanz der Maßnahmenflächen in der Verantwortung.

Basis des Modellprojektes „Kooperativer Naturschutz“ ist ein von der Stiftung erarbeiteter und mit der zuständigen unteren Naturschutzbehörde (UNB) abgestimmter Naturschutzplan. Für die Erprobungsphase werden drei ausgewählte Maßnahmen angeboten: Erbsenfenster, extensive Wintergetreidestreifen und extensives Sommergetreide.

Diese wurden unter fachlicher Begleitung der Stiftung bereits im bundesweiten Dialog- und Demonstrationsprojekt „F.R.A.N.Z.“ (Für Ressourcen, Agrarwirtschaft & Naturschutz mit Zukunft) umgesetzt sowie wissenschaftlich begleitet und sind für die Börderegion sehr positiv bewertet worden.

Die Stiftung
Die Stiftung Kulturlandschaft Sachsen-Anhalt wurde von acht Kreisbauernverbänden und dem Landesbauernverband gegründet. Sie arbeitet unter dem Dach der Deutschen Stiftung Kulturlandschaft. Stiftungszweck sind die Förderung des Natur- und Landschaftsschutzes im Land und der Erhalt der bäuerlich geprägten Kulturlandschaft.
Kontakt: Tel. (039209) 202076, (0173) 9737069 (GF Dr. Jens Birger), info@stiftung-kultur-landschaft-sachsen-anhalt.de

Drei Zielarten

Hinweistafel
Eine Hinweistafel erläutert die Ziele des Projekts. (c) Detlef Finger

Im dortigen Modellprojekt sollen zuvorderst die gefährdeten Populationen von Feldhamster und Rotmilan sowie der Insektenschutz gestärkt werden. Auswahl und Platzierung der Maßnahmen erfolgen betriebsübergreifend nach naturschutzfachlichen Gesichtspunkten. In die Abstimmung einbezogen sind weitere regionale Umweltakteure, etwa das Rotmilan-Zentrum in Halberstadt, das Projekt „Feldhamsterland“ der Deutschen Wildtier Stiftung oder der Landschaftspflegeverband „Grüne Umwelt“ in Schwaneberg. Weitere Kooperationspartner im Projekt sind die Fachreferate des Magdeburger Umwelt-und Agrarministeriums sowie das Amt für Landwirtschaft, Flurneuordnung und Forsten (ALFF) Mitte.

Das Land Sachsen-Anhalt finanziert das am 1. Januar 2020 gestartete und bis Ende 2022 laufende Modellprojekt aus eigenen Mitteln und stellt über das Umwelt- und Landwirtschaftsressort insgesamt 600.000 Euro dafür zur Verfügung.

Vor Ort informiert

Mitte voriger Woche informierte sich Fachministerin Claudia Dalbert (Grüne) bei einem Vor-Ort-Termin in der Gemarkung Uhrsleben über erste Ergebnisse des Projekts und bisherige Erfahrungen der Akteure. Auskunft gaben Dr. Jens Birger, Geschäftsführer der Stiftung Kulturlandschaft, Urban Jülich, Vorsitzender des Bauernverbandes Börde, Anne Hochbach von der UNB des Landkreises Börde sowie Andreas von Graeve, Landwirt in Groppendorf, als einer der beteiligten Betriebe.

Nach Angaben von Birger stellten die beteiligten Landwirte im vergangenen Herbst 17 ha extensive Wintergetreidestreifen in die Feldflur. In diesem Frühjahr legten sie 156 Erbsenfenster mit einer Gesamtgröße von 25 ha in ihren Ackerkulturen an. Zudem bewirtschaften sie 115 ha Sommergetreide extensiv. „Davon profitieren letztlich weitere Arten wie Feldlerche und Feldhase oder Ackerwildkräuter“, betonte Jens Birger. Letztere sorgen zusammen mit Blühstreifen als „reguläre“ AUK-Maßnahmen, deren Anlage in den Betrieben die Stiftung ebenfalls fachlich betreut, für einen verstärkten und verlängerten Blühaspekt, der insbesondere für die Insekten förderlich ist.

Ministerin Dalbert zeigte sich vom Projekt angetan: „Naturschutz und Landwirtschaft gehen Hand in Hand, Biotopverbünde entstehen oder werden gestärkt.“ Für sie liegt es auf der Hand, dass die Betriebe Naturschutzmaßnahmen wirkungsvoller umsetzen, wenn sie sich diese zu eigen machen.

Auch Kreisbauernverbandschef Jülich ist überzeugt, dass mit einer gezielten Förderung der Biodiversität mit dem Fokus auf bestimmte Arten mehr für die Natur erreicht wird. Verbote bewirkten hingegen oft das Gegenteil: Sie behindern eine gute fachliche Praxis in der Landwirtschaft und engen die wirtschaftlichen Handlungsspielräume der Betriebe für gezielten Artenschutz ein. „Das Modellprojekt beweist, dass der Staat nicht alles regeln muss, sondern einen rechtlichen Rahmen und finanzielle Anreize setzen kann, in dem Landwirtschaft und Naturschutz vor Ort Artenvielfalt gezielt fördern“, betonte der Landwirt.

Besprechung
Auf einem Zuckerrübenschlag mit Erbsenfenstern bei Uhrsleben informiert Dr. Jens Birger, Geschäftsführer der Stiftung Kulturlandschaft (2. v. r.), Umweltministerin Claudia Dalbert (3. v. r.) über bisherige Erfahrungen und erste Ergebnisse des Modellprojektes. (c) Detlef Finger

Das Niederländische Modell
In den Niederlanden können Agrarumwelt- und Klimaschutzmaßnahmen (AUKM) seit dem Jahr 2016 nur noch über gemeinsame Anträge in Anspruch genommen werden. Einzelanträge von Landwirten sind dort nicht mehr möglich. Hintergrund für den Systemwechsel war, dass einzelne AUK-Maßnahmen kaum positive Effekte für die Biodiversität zeigten und außerdem mit einem hohen bürokratischen Aufwand verbunden waren.

Anträge werden bei unseren Nachbarn daher nun von regionalen Zusammenschlüssen von Landbewirtschaftern, sogenannten Kollektiven, gestellt. Die kooperierenden Landwirte stimmen untereinander und mit dem regionalen Naturschutz sowie der Verwaltung die Förderung gebietsspezifischer Zielarten ab. Dann setzen sie flexible und angepasste Maßnahmen gemeinsam um. Die Maßnahmenplanung erfolgt stets für ein zusammenhängendes Gebiet. So können zusätzlich Biotopverbundmaßnahmen in der Fläche umgesetzt werden. Das Ziel: Die Wirksamkeit soll bei den Maßnahmen wieder in den Vordergrund rücken, formale förder- und kontrolltechnische Regelungen dagegen eher in den Hintergrund treten.

Rund 40 Kollektive verwalten und koordinieren inzwischen flächendeckend den regionalen Agrarumweltschutz in den Niederlanden. Dabei gilt das „Vordertür-Hintertür-Prinzip“: Die Verwaltung vereinbart Ziele und Maßnahmen mit den Kollektiven; diese organisieren die Maßnahmenumsetzung in Eigenregie über privatrechtliche Vereinbarungen mit den Landwirten. Das soll Akzeptanz und Umsetzbarkeit in den Betrieben erhöhen.

Modellprojekt „Kooperativer Naturschutz“: Ausgleich muss passen

Jülich mahnte zugleich aber an, dass der finanzielle Ausgleich nicht nur Kostenersatz sein dürfe. „Sonst wird es von den Praktikern nicht angenommen.“ Vielmehr müsse der Anreiz so interessant sein, „dass es sich für die Landwirte lohnt, die besten Maßnahmen umzusetzen“. Dabei müsse auch die Güte des jeweiligen Standorts berücksichtigt werden.

Andreas von Graeve erfasst die personellen und finanziellen Aufwendungen für seine AUK-Maßnahmen, um sie mit den Prämien abgleichen zu können. „Der bürokratische Aufwand dafür beim Agrarantrag muss noch geringer werden“, forderte der Landwirt, der auf 750 ha Ackerland Marktfruchtbau betreibt. „Freiwillig machen wir das lieber als zwangsweise“, schob von Graeve nach. Er pflanzt über die Projektmaßnahmen hinaus Bäume an Feldwegen, legte 4,5 ha Blühstreifen entlang von Gewässern an und sorgt mit dem Anbau von 40 ha Phacelia und rund 18 ha Durchwachsener Silphie für reichlich Blühflächen.

Drei Maßnahmen für die Erprobungsphase
KN 10 – Anlegen von Erbsenfenstern von je 1.600 m2 Größe (36 m Mindestseitenlänge) in Feldkulturen (nicht in Brach- bzw. Blühflächen). Die Fenster bleiben bis 15. August unbewirtschaftet, zudem ohne Pflanzenschutz und Stickstoffdüngung (Startgabe bis 20 kg/ha erlaubt). Mehrere Fenster pro Schlag sind möglich. Auch für Ökobetriebe zugelassen. Finanzieller Ausgleich: 286 Euro pro Fenster.

KN 11 – Streifen von extensiv angebautem Wintergetreide in Reinsaat mit doppeltem Reihenabstand (d. h. halbe Saatstärke) und 12–36 m Breite. Insektizide, Herbizide und Rodentizide sind verboten, Fungizide zulässig. Düngen ist erlaubt. Stoppelbrache über Winter oder Umbruch nach 15. Oktober. Nicht für Ökobetriebe. Nachteilsausgleich für Getreidestreifen: 560–665 €/ha.

KN 12 – Anbau von Sommergetreide in Reinsaat (ausgeschlossen sind Hirse und Mais). Keine Ganzpflanzenernte. Herbizide, Insektizide und Rodentizide sind verboten, Fungizide zulässig. Düngung ist erlaubt. Ernte und nachfolgende Stoppelbearbeitung sind möglich. Nicht für Ökobetriebe. Finanzieller Nachteilsausgleich für Sommergetreide: 450 €/ha.

Für jede dieser Maßnahmen gilt: keine Kombination mit den beiden anderen auf derselben Fläche.

Ansatz für neue GAP?

„Ziel ist es, das Modellprojekt, wenn es erfolgreich funktioniert, in der neuen EU-Förderperiode in die Praxis zu überführen“, kündigte Ministerin Dalbert an. Durch den kooperativen Ansatz sei der Aufwand sowohl für den einzelnen Betrieb als auch die Verwaltung geringer. Gleichzeitig vernetzten sich Landwirtschaft und Naturschutz und tauschten ihr Know-how aus. „Der Dialog ermöglicht eine neue, gemeinsam getragene Landbewirtschaftung. Denn wir alle haben das gleiche Ziel: Das Artensterben stoppen, um unsere Lebensgrundlagen zu erhalten“, sagte die Ministerin.