Landwirte müssen in den roten Gebieten erhebliche Einschränkungen bei der Düngung hinnehmen. (c) Sabine Rübensaat

Mit roten Gebieten wird es ernst

Das Bundesagrarministerium hat den Entwurf für die Ausweisung der Nitrat- und Phosphor-Kulissen vorgelegt. Unklar bleibt, ob jetzt schon Zwischenfrüchte für Sommerungen gedrillt werden müssen.

Von Frank Hartmann

In den ostdeutschen Ländern liegen aktuell rund 650.000ha Ackerland in den Kulissen für besonders mit Nitrat belasteten Gebieten (rote Gebiete). Nicht weil ihnen der Grundwasserschutz egal wäre, hoffen viele Landwirte, die mit ihren Flächen jetzt noch drin sind, dass sich die Kulissen deutlich verkleinern.

Kosten und Nutzen

Sie – und mit ihnen viele Fachleute – befürchten, dass die neuen restriktiven Maßnahmen, die die Düngeverordnung in roten Gebieten ab 2021 regelt, einzelbetrieblich viel kosten werden, ohne dass sich an der Nitratsituation des Grundwassers Wesentliches ändert. Und dies nicht zuletzt aufgrund des geringen Viehbesatzes (keines der fünf Länder weist mehr als 0,5 GV/ha auf; ganze zwölf Landkreise liegen zwischen 0,6 und 1,0 GV/ha), der Bodengeologie, dem geringen Niederschlag oder einem Düngeregime, das sich nahezu flächendeckend seiner N-Bilanzüberschüsse nicht schämen muss, obwohl vielerorts Qualitätsweizen angebaut wird.

Ende voriger Woche ging den Ländern und Verbänden der Entwurf der „Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Ausweisung von mit Nitrat belasteten und eutrophierten Gebieten“ (AVV) zu. Bis spätestens 13. Juli bleibt ihnen nun Zeit, dazu Stellung zu nehmen. Nach Bundeskabinetts- und Bundesratsbefassung soll die AVV Ende September in Kraft treten.

Mit dieser Verwaltungsvorschrift will das Bundesagrarministerium die bundeseinheitliche Ausweisung von Nitrat- und Phosphorüberschussgebieten sicherstellen. Allein in Ostdeutschland kamen für die aktuellen Kulissen der roten Gebiete drei verschiedene Modelle zur Binnendifferenzierung und zweimal die Pauschalausweisung belasteter Grundwasserkörper zur Anwendung.

In einer Bund-Länder-Gruppe einigte man sich nun darauf, nach dem System Agrum-Deutschland zu verfahren. Das wurde vor mehr als zehn Jahren vom Thünen-Institut mit mehreren Partnern vor dem Hintergrund der EU-Wasserrahmenrichtlinie entwickelt. Mehrere Programme werden dabei gekoppelt, darunter Raumis (landwirtschaftliche Bilanzüberschüsse), Growa (diffuse Einträge in Grund- und Oberflächenwasser) sowie Moneris (punktförmige Einträge).

Die Landesbehörden senden dafür ihre Daten an das Thünen-Institut, wo sie mit den Modellen verarbeitet werden. Auf dieser Grundlage soll es möglich sein, bei belastet eingestuften Grundwasserkörpern (mind. 20 % des Grundwasserkörpers mit Nitrat belastet oder mind. eine Messstelle über 50 mg/l N bzw. 37,5 mg/l N mit steigender Tendenz) die tatsächlichen „Problemflächen“ zu ermitteln (Binnendifferenzierung).

Laut AVV-Entwurf muss auf 5.000 ha mindestens eine Grundwassermessstelle (Nitrat) vorhanden sein. Alle verfügbaren Messstellen sollen einem einheitlichen technischen Standard unterliegen.

Regeln in der Nitrat-Kulisse
Mit der im Mai 2020 in Kraft getretenen Düngeverordnung wurden neben ihrer bundeseinheitlichen Ausweisung auch bundesweit verbindliche Regelungen für nitratbelastete Gebiete (rote Gebiete) festgelegt, die ab 1. Januar 2021 gelten. Daneben muss jedes Bundesland in seiner nächsten Landesdüngeverordnung zwei weitere Maßnahmen bestimmen.

Wesentlicher Punkt der Regelungen ist die N-Düngung 20 % unter dem errechneten Düngebedarf im Durchschnitt der gesamten Betriebsfläche (Ausnahme: weniger als 160 kg Gesamt-N/ha, davon nicht mehr als 80 kg mineralisch). Eine N-Herbstdüngung ist nur noch in Ausnahmefällen gestattet (verfügbare Stickstoffmenge im Boden unter 45 kg/ha bei Winterraps). Begrenzt wird die Aufbringung organischer Düngemittel auf Dauergrünland.

Kulturen, die nach dem 1. Februar gedrillt/gelegt werden, dürfen nur noch mit Stickstoff gedüngt werden, wenn im Herbst des Vorjahres eine Zwischenfrucht angebaut wurde. Zudem gilt in roten Gebieten eine Sperrfrist für Festmist von Huf- oder Klauentieren und Kompost vom 1.November bis 31. Januar. Auf Grünland gilt eine Sperrfrist für die Ausbringung von Düngemitteln mit wesentlichem Gehalt an Stickstoff vom 1. Oktober bis 31. Januar.

Bis zum 31. Dezember 2020 gelten die Regelungen der aktuellen Landesdüngeverordnungen fort.  fh

Neben diesen immissionsbasierten Daten fließen künftig Standortfaktoren wie die Bodenart und die Grundwasserneubildung mit ein, um einen „maximal tolerierbaren Stickstoffsaldo zur Sicherstellung einer maximalen Nitratkonzentration im Sickerwasser“ zu ermitteln. Wo Messstellen Nitratbelastungen anzeigen, müssen die Stickstoffsalden errechnet werden. Sobald der „maximal tolerierbare Stickstoffsaldo“ überschritten wird, „sind die für die Ermittlung herangezogenen landwirtschaftlichen Flächen als Flächen mit hohem Emissionsrisiko einzustufen“ und als rotes Gebiet auszuweisen.

Mit Phosphat belastete Gebiete werden dem AVV-Entwurf zufolge ausgewiesen, „wenn der Anteil der Phosphoreinträge aus landwirtschaftlichen Quellen am Gesamtphosphoreintrag größer als 20 % ist“. Daneben werden Standardwerte für flächenspezifische, landwirtschaftlich bedingte Frachten einberechnet.

Technik und Recht

Dies sind die technischen Fragen, die ein „wichtiger Schritt für mehr Fairness, Verursachergerechtigkeit und Nachvollziehbarkeit“ bei der Ausweisung der roten Gebiete sein sollen, so Bundesagrarministerin Julia Klöckner.

Daneben gibt es allerdings noch offene rechtliche Fragen, auf die sich die ostdeutschen Agrarministerien Antwort erhofft hatten. Von zentraler Bedeutung dabei ist der verpflichtende Anbau von Zwischenfrüchten in roten Gebieten vor einer Sommerkultur, wenn der Landwirt diese düngen will. Die Rechtslage in der Düngeverordnung ist eindeutig. Gilt sie wie vorgesehen ab dem 1. Januar 2021, könnte der Landwirt im roten Gebiet zu Sommergerste, Zuckerrüben, Mais oder Kartoffeln im nächsten Frühjahr nur düngen, wenn auf der Fläche seit diesem Herbst eine Zwischenfrucht herangewachsen ist. Da der Landwirt weder jetzt noch im August oder September rechtsverbindlich wissen kann, ob er im roten Gebiet wirtschaftet, gibt es ein Dilemma.

Aus den Agrarministerien in Schwerin und Potsdam hieß es auf Anfrage der Bauernzeitung, dass in diesem Herbst wohl keine Zwischenfrüchte angebaut werden müssten. Magdeburg hat sich schon dahingehend positioniert, „dass im Jahr 2020 kein Zwischenfruchtanbau in den aktuell ausgewiesenen nitratgefährdeten Gebieten erforderlich ist“.

In Dresden hatte man bereits Anfang Juni das Bundesministerium „auf die Problematik unterschiedlicher Auffassungen der Länder zur Umsetzung dieser Regelung hingewiesen“ und für einen „bundeseinheitlichen Vollzug dringend um Klarstellungen gebeten“.

Thüringen bemühte sich wie Sachsen – bisher vergebens – um die „Einführung angemessener Übergangszeiten für die erforderlichen betrieblichen Anpassungen“. Bezüglich der Zwischenfrüchte, hieß es in Erfurt, könne insofern „nur der Verordnungsgeber, das BMEL, eine abschließende Aussage treffen“.

Sache der Länder

Das Bundesagrarministerium erklärte auf unsere Anfrage, dass für die Umsetzung der Düngeverordnung die Länder zuständig seien. „Bei einer geplanten Neuausweisung der belasteten Gebiete durch die Länder sollten die Betriebe im Vorfeld wissen, in welchem Umfang und auf welchen Flächen sie betroffen sind.“ Da die Landwirte zum „maßgeblichen Zeitpunkt“ der Zwischenfruchtaussaat aber noch nicht wissen könnten, ob sie im neu ausgewiesenen roten Gebiet wirtschaften, sollten sie „mit den zuständigen Länderbehörden vor Ort abstimmen, ob sie unter diesen Umständen erst im Jahr 2021 eine Zwischenfrucht anbauen müssen“.


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Da alle fünf Landesagrarministerien gegenüber der Bauernzeitung erklärten, die Neuausweisung der roten Gebiete bis Ende des Jahres vorzunehmen, entfällt die Vorgabe der Düngeverordnung, wonach anderenfalls der „betroffene Betrieb in den bislang ausgewiesenen Gebieten bereits 2020 eine Zwischenfrucht anbauen“ muss, stellt das Bundesministerium klar.

Obwohl sich die ostdeutschen Landesbauernverbände in der AVV eine Präzisierung der Ausnahmeregelung für den verpflichtenden Anbau von Zwischenfrüchten erhofft hatten, findet sich darin nichts. Betroffen sind Flächen in roten Gebieten, die im Mittel der Jahre weniger als 550 mm Niederschlag verzeichnen.

Die fünf ostdeutschen Agrarministerien haben sich längst auf ein gemeinsames Vorgehen abgestimmt. In Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen wollen die Fachbehörden bereits im Juli erste Karten dazu veröffentlichen.