Die Kühe in den sachsen-anhaltischen Milchviehbetrieben haben im zurückliegenden Prüfjahr erneut mehr als 9.800 Kilogramm Milch im Durchschnitt gegeben.
Trotz witterungsbedingter Probleme durch die Trockenheit haben die Milchviehbetriebe in Sachsen-Anhalt im Kontrolljahr 2018/2019 ihre Herdenleistungen auf einem konstanten Niveau halten können. Nach Angaben des Landeskontrollverbandes für Leistungs- und Qualitätsprüfung (LKV) gab es bei der Jahresleistung je Kuh im Vergleich zum Prüfjahr 2017/2018 nahezu eine Punktlandung: Mit 9.833 kg Milch wurde das Vorjahresergebnis um genau ein Kilo Milch übertroffen. Stärker zugelegt haben die Milchinhaltsstoffe: Fett (F) um 8 kg auf 389 kg (3,96 %, +0,09 %), Eiweiß (E) um 4 kg auf 339 kg (3,45 %, +0,04 %).
Das Prüfjahr wurde mit 105.602 Kühen in der A- und B-Prüfung, darunter 89.722 Herdbuchtiere (ø 9.903 kg Milch mit 734 kg F/E), in insgesamt 323 Betrieben durch den LKV abgeschlossen. Das entspricht einem Bestand von 327 Tieren je Betrieb und einer Prüfdichte von 92,1 %. Gegenüber dem Jahr zuvor verringerte sich der geprüfte Kuhbestand um 3.958 Kühe oder 3,6 % (HB-Kühe: -2.758 oder -3,0 %), die Anzahl der MLP-Betriebe ging um 16 zurück (-4,7 %).
Mit den erreichten Ergebnissen verteidigt der LKV Sachsen-Anhalt im Vergleich der ostdeutschen Kontrollverbände bei der durchschnittlichen Milchleistung die Spitze vor Sachsen (9.815 kg). red
Für ein Leben nach dem FestSie haben einen Weihnachtsbaum im Topf und der soll jetzt nach den Feiertagen in den Garten? Wir verraten Ihnen, worauf Sie achten müssen, damit er den Umzug übersteht und wie man den üblichen, abgeschlagenen Baum richtig entsorgt.
Stellen Sie den Weihnachtsbaum im Topf nicht direkt aus dem warmen Haus in die Kälte. Denn beim Auszug aus dem Haus in den Garten muss der Baum sich erst mal an die Witterungsbedingungen gewöhnen. Ratsam ist es daher, den Baum für ein paar Tage in den Flur, unbeheizten Wintergarten oder die Garage zu stellen. Das empfiehlt Niels Reinke, Mitglied im Bund deutscher Baumschulen.
Ist es draußen dann verhältnismäßig warm, ist das Einpflanzen des Weihnachtsbaums im Garten kein Problem. Bei Temperaturen im einstelligen Bereich sollte man hingegen abwarten. Auch der Boden muss beim Einsetzen frostfrei sein – mindestens so tief, wie der Topf groß ist, rät der Experte. Danach muss der Baum regelmäßig an frostfreien Tagen gegossen werden.
Kann man den eingepflanzten Weihnachtsbaum wieder als Weihnachtsbaum nutzen? Davon rät der Baumschulenexperte Reinke ab – es sei denn, man setzt ihn mitsamt dem Topf in den Gartenboden. „Die Wurzeln werden zwar aus dem Topf herauswachsen. Aber wenn man ihn rausholt, kann man ein wenig drehen, sodass diese Wurzeln abreißen.“
Die Weiternutzung als Weihnachtsbaum ist meist nur einmal möglich – denn zum Beispiel Nordmanntannen, der Deutschen liebster Baum, legen pro Jahr 30 bis 40 cm an Höhe zu.
Erst nach einiger Zeit wird sich zeigen, ob der Weihnachtsbaum zum Hausbaum im Garten wird. Gelingt dies nicht, kann das auch an der grünen Ware selbst liegen: Viele der Gehölze wachsen in ihrem Leben vor dem Dasein als Weihnachtsbaum nur an einem Standort. Ihre Wurzeln werden bei der Ernte teils abgestochen und in einen Topf gedrückt, erläutert Niels Reinke. Diese Bäume werden mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht weiterwachsen. Ein Baum, der eine größere Chance auf ein Anwachsen hat, wurde in seinem Vorleben mehrfach in der Gärtnerei und Baumschule umgesetzt. Das ist eine übliche Methode, um die Bildung von Feinwurzeln anzuregen. Starker Frost kann dazu führen, dass gepflanzte Gehölze aus der Erde gehoben werden. In einem solchen Fall raten die Baumschulexperten dazu, den Wurzelballen vorsichtig wieder nach unten zu treten – allerdings muss der Boden erst wieder aufgetaut sein
Doch auch für den Weihnachtsbaum ohne Topf gibt es ein Leben nach dem Weihnachtsfest. Denn auch er kann im Garten noch sehr nützlich sein. So rät der Bund deutscher Baumschulen: Schneiden Sie die Zweige vom Baum und nutzen Sie diese als Frostschutz für empfindliche Sträucher oder Blumenkäste. Indem Sie die Pflanzen mit den Zweigen abdecken, schützen Sie sie vor Austrocknung durch die Wintersonne. Verbraucherschützer raten auch dazu, den Baum zu schreddern und mit dem Material Beete zu mulchen oder die Zweige zu kompostieren. Auch können die Zweige als Sitzstangen für Vögel oder kletterfreudige Haustiere dienen. Und wer etwas künstlerisch begabt ist, kann aus dem Holz zum Beispiel kleine Figuren schnitzen. Auch Wildtiergehege, Wildparks oder Förster freuen sich eventuell auf den ausrangierten Weihnachtsbaum. Jedoch ist es besser, vorher zu fragen, ob er auch willkommen ist. Egal ob Garten oder Wildgehege – wichtig ist, dass die Bäume nicht chemisch behandelt sind. Und natürlich müssen sie auch komplett abgeschmückt sein.
Wer keine Weiterverwendung für den Baum auf dem eigenen Grundstück hat, kann ihn auch abholen lassen. Ob und wann das geschieht, steht meist im Abfallkalender oder man erkundigt sich bei der Gemeinde bzw. dem Entsorgungsunternehmen. Dort erfährt man auch, ob der Baum in die Biotonne oder daneben gestellt werden darf. Auf jeden Fall darf er nicht am Straßenrand oder auf dem Fußweg entsorgt werden. Das kann mit Bußgeld geahndet werden – in Mecklenburg sind es zum Beispiel 40 bis 100 €, in Sachsen 25 bis 50, in Thüringen 30 bis 50 €. Und ein Abladen im Wald ist absolut tabu. Das kann in Brandenburg zum Beispiel mit einer Geldbuße bis 20.000 € (!) teuer zu stehen kommen. ba/dpa
Sprengtechnik: Ein Knall und fertigAnstelle mit Bagger oder Säge zu arbeiten, ist das Anlegen von Feuchtbiotopen und das Abtrennen der Kronen geschädigter Bäume auch mit Sprengtechnik möglich.
Während das Sprengen noch vor 30 bis 40 Jahren keine Seltenheit in der Forstwirtschaft war, kommen Sprengungen im Wald mittlerweile kaum noch vor. Dabei bietet gerade die Sprengtechnik viele interessante Anwendungsmöglichkeiten in der Forstwirtschaft sowie im Natur- und Umweltschutz. Beispiele sind das Anlegen von Biotopen und das Sichern von Habitatbäumen. Auch ist das Sprengen von Sturmholz bzw. geschädigten Bäumen in Steilhängen durchaus als Alternative zu Arbeiten mit der Motorsäge zu sehen. Alle hier genannten Sprengverfahren können durch die Fachgruppen Sprengen des Technischen Hilfswerks sowohl im Rahmen von Ausbildungsmaßnahmen wie auch Einsätzen durchgeführt werden.
Zur Errichtung von Feuchtbiotopen ist so gut wie immer der Einsatz von Maschinen nötig. Erdreich muss abtransportiert und die Flächen, auf denen gearbeitet wurde, müssen renaturiert werden. Eine Sprengung ist hier eine kostengünstige und effektive Alternative.
Zum Erstellen von Biotopen werden Sprenglöcher in das Erdreich eingebracht, wenn notwen-dig gegen Zusammenbrechen gesichert und mit Sprengstoff geladen. Durch eine unterschiedlich tiefe Ladungsanbringung können in den zukünftigen Biotopen Tief- und Flachwasserzonen herausgearbeitet werden, je nach Bedarf der Lebewesen, die sich ansiedeln sollen. Ein gern gesehener Nebeneffekt ist die Bodenverdichtung unter dem Biotop, durch die häufig auf Abdichtmaßnahmen wie Lehmauflagen verzichtet werden kann.
Die Sprengtechnik wird von verschiedenen Forstbehörden und vom Naturschutzbund Deutschland auch gern genutzt, um Habitatbäume zu erhalten. Durch das hohe Gewicht der Baumkronen, gerade bei Laubbäumen, brechen die abgestorbenen Bäume am Boden ab und werden von Tieren nicht mehr im gewünschten Umfang als Lebensräume angenommen. Um das Abbrechen zu verhindern und somit die Standzeiten des Totholzes zu verlängern, wird die Baumkrone abgesprengt, sodass nur noch der Stammtorso stehen bleibt. Gerade dort, wo an Wanderwegen eine Verkehrssicherungspflicht besteht, ist das Verfahren gefragt. Auf der einen Seite werden die Gefahren für die Nutzer von Forstwegen und -straßen minimiert bzw. beseitigt und auf der anderen Seite werden Habitatbäume erhalten und Anschauungsobjekte für den Lebensraum Wald geschaffen.
Auch bei geschädigten Bäumen bieten sich Sprengungen an. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass bei Fällarbeiten Totholz abbricht und den Sägeführer gefährdet. Die Trockenheit im letzten Jahr und das damit verbundene Absterben gerade von Buchen hat zu vermehrten Anfragen zum Thema Sprengen von Bäumen geführt. Der große Vorteil hierbei ist, dass zum Zeitpunkt der Zündung und somit zum Zeitpunkt, an dem ein Baum in Bewegung gerät, keine Personen im Gefahrenbereich sind, welche durch herabstürzendes Totholz gefährdet werden.
Sinkende Nitratwerte in sächsischen TrinkwassertalsperrenGute Partnerschaft zwischen Landwirtschaft und Wasserwirtschaft trägt Früchte: Die Nitratbelastung in Sachsens Trinkwassertalsperren hat in den letzten Jahrzehnten deutlich abgenommen.
Die Nitratbelastung in Sachsens Trinkwassertalsperren hat in den letzten Jahrzehnten deutlich abgenommen. Darüber informiert die Landestalsperrenverwaltung Sachsen mit Verweis auf die Auswertung von Daten seit 1970. Talsperren, die aus Oberflächenwasser gespeist werden, wiesen demnach einen gegenteiligen Trend zu den steigenden Nitratkonzentrationen in einzelnen Grundwasserbereichen auf.
In den Einzugsbereichen der Trinkwassertalsperren liegen die Nitratgehalte weit unter dem Grenzwert von 50 Milligramm pro Liter (mg/l). Dort, wo landwirtschaftliche Nutzung überwiege, liege die mittlere Nitratkonzentration im Rohwasser derzeit deutlich unter 20 mg/l, in den Einzugsgebieten mit überwiegend forstwirtschaftlicher Nutzung sogar unter 10 mg/l.
Die Verbesserung der Nitratwerte in den Talsperren ist aus Sicht der Talsperrenverwaltung auf mehrere Gründe zurückzuführen: auf den Rückgang der Tierbestände seit der Wende und die Sanierung der Einzugsgebiete in den Neunzigerjahren ebenso wie auf langjährige feste Partnerschaften mit der Landwirtschaft.
In Kooperationsverträgen zwischen Landwirtschaft und Wasserwirtschaft werde vor allem auf die ganzjährige Begrünung des Ackerlandes mit Zwischenfrüchten geachtet. Auch gebe es eine hohe Akzeptanz von gewässerschonenden Düngemethoden und konservierender Bodenbearbeitung. RED/KB
Allererste SahneZuckerartistik heißt der neueste Trend in der Szene. Doch ehe man da mithalten kann, heißt es üben. Was sie bereits im ersten Lehrjahr draufhaben, führten uns angehende Kuchen- und Tortenkünstler in Torgelow vor. Seit 2015 befindet sich dort die Landesfachklasse Mecklenburg-Vorpommern für Konditoren.
Von Jutta Heise
Keely träumt. Vom eigenen Café, individuell gestaltet nach ihren künstlerischen Ambitionen, sie mag Malerei und Fotografie, mit einem Sortiment aus jener Konditorentradition, die man zwischen Rügen und dem Bodensee pflegt: fachlich solide, ohne langweilig zu sein, mit einem Riesenschuss Kreativität. Verortet sein soll das Café in England, gern auch in Irland, wo sie als Tochter einer deutschen Mutter aufgewachsen ist. Dort, auf den Inseln, sei heimische Konditorware immer süß und oft so schwer, dass sie eine Mahlzeit ersetze. Zwar habe sich dies inzwischen dank diesem oder jenem zugewanderten Tortenzauberer geändert, aber Platz für eine mit so großer Backleidenschaft wie sie gebe es garantiert noch.
Den Start in den künftigen Beruf knapp hinter sich – und schon träumen? Gerade dann, ohne Ziel ist es ein Leichtes, sich zu verzetteln! Seit Juni lebt Keely Davidson in Deutschland, bei den Großeltern in Binz, hat dort in einer kleinen Bäckerei eine Konditorlehre aufgenommen. Zugleich besucht sie im Rahmen der dualen Ausbildung in regelmäßigem Turnus das Regionale Berufliche Bildungszentrum des Landkreises Vorpommern-Greifswald in Torgelow: einzige Ausbildungsschule in ganz Mecklenburg-Vorpommern mit einer Fachklasse für Konditoren. ...
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Die Landwirtschaft ist ständigen Veränderungen ausgesetzt. Wie diese in den kommenden 15 Jahren aussehen könnte, diskutiert die Ackerbaustrategie 2035 des Bundeslandwirtschaftsministeriums. Wir haben uns vier der zwölf Handlungsfelder näher angesehen.
Von David Benzin
Die Vision des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) klingt idealistisch. Doch kommen wir zurück ins Hier und Jetzt und fragen: Ist sie auch erreichbar? Das Diskussionspapier zur Ackerbaustrategie gibt Anhaltspunkte, wie die beschriebenen Ziele verwirklicht werden könnten, und wo Interessenkonflikte entstehen. Dabei haben wir uns die Bereiche Boden, Fruchtfolge, Düngung und Pflanzenschutz genauer angesehen.
Als Produktionsgrundlage der Landwirtschaft ist der Boden besonders schützenswert. Die Ackerbaustrategie beschreibt die Probleme hierbei vor allem mit der Knappheit des Bodens und der Gefährdung durch Erosion. Ausgelöst werde letztere laut dem Diskussionspapier vor allem durch die groß strukturierten landwirtschaftlichen Flächen, den oftmals fehlenden Erosionsschutz und durch Extremwetter. Auch Bodenverdichtungen stellen ein Risiko dar. Deshalb hat man als Ziele des Bodenschutzes eine verbesserte Bodenfruchtbarkeit und -biodiversität, den Schutz vor Bodenerosion und Bodenschadverdichtung, den Erhalt eines stabilen Humusgehaltes und einen reduzierten außerlandwirtschaftlichen Flächenverbrauch gesetzt.
Die benannten Ziele sollen durch neuartige Produktionsverfahren des integrierten Pflanzenschutzes (Bodenbearbeitung, erweiterte Fruchtfolgen, effizientere Düngung, weniger chemischer und mehr mechanischer und biologischer Pflanzenschutz) erreicht werden. Die Aussaat sollte noch mehr in Mulch- und Direktsaat erfolgen, auch vor dem Hintergrund des Glyphosatwegfalls ab 2023. Zudem ist zur Zielerreichung eine ganzjährige Bodenbearbeitung durch Zwischenfrüchte, Untersaaten oder den Anbau mehrjähriger Kulturen für das Bundesministe-rium unerlässlich. Bodenschadverdichtungen sollen durch anpassbare Fahrzeugparameter wie einen verstellbaren Reifenluftdruck verhindert werden. Und auch auf Agrarstrukturebene gibt es Handlungsbedarf. Flurbereinigungsverfahren sollen stärker an Erosionsminderung ausgerichtet werden.
Doch die reduzierte Bodenbearbeitung bringt neben ihren Vorteilen wie der Erhöhung des Humusgehaltes im Oberboden und eine bessere Inflitrationskapazität auch Nachteile mit sich. Ein wichtiger ist der Pflanzenschutz, denn solche Produktionsverfahren setzen oft den Einsatz von Breitbandherbiziden (z. B. Glyphosat) voraus. Hier müssen andere Wege gefunden werden, um Unkräuter effektiv zu bekämpfen.
Auf fast sieben von zehn Hektar Ackerfläche stehen die Kulturen Winterweizen, Silomais, Winterraps und Wintergerste. Diese eher einseitige Entwicklung von Fruchtfolgen hat sich innerhalb der vergangenen Jahrzehnte herausgebildet. Gründe für diese Entwicklung sind vor allem der Züchtungsfortschritt und ökonomische Gegebenheiten. Auf den Plätzen fünf bis elf stehen Roggen, Körnermais, Zuckerrüben, Triticale, Sommergerste, Kartoffeln und Hülsenfrüchte bzw. Eiweißpflanzen.
Zu enge Anbauspektren führen vor allem im Pflanzenschutz zu Problemen. So haben es bestimmte Unkräuter oder Schädlinge leichter, sich anzupassen und verfügbare Mittel sind in ihrer Wirkung eingeschränkt, denn es gibt Resistenzen. Der Ackerfuchsschwanz als eines der bedeutendsten Problemungräser sei hier nur als ein Beispiel genannt.
Die Lösung liegt hier auf der Hand, könnte man meinen: einfach mehr Kulturarten anbauen. Doch so einfach ist es natürlich nicht, und auch im Papier zur Ackerbaustrategie 2035 wurde dies erkannt. Vor allem die fehlenden Absatzmöglichkeiten und unattraktive Vermarktungspreise sowie hohe Investitionskosten in Produktionstechnik für bestimmte Alternativkulturen erschweren das Verbreitern der Fruchtfolgen. Auch die Verfügbarkeit von Pflanzenschutzmitteln und Sorten mit guten Anbaueigenschaften wirken hier entgegen.
Die Fruchtfolgen sollten idealerweise aus einem guten Mix von Blatt- und Halmfrüchten bestehen. Dadurch können ausreichende Anbaupausen eingehalten und der Druck aus dem Pflanzenschutz genommen werden. Erklärtes Ziel des BMEL ist es, „das Kulturpflanzenspektrum bis 2030 auf mindestens fünf verschiedene Kulturpflanzen je Ackerbaubetrieb zu erhöhen“, wie es in dem Diskussionspapier zur Ackerbaustrategie heißt. Als Beispiele seien hier Triticale, Dinkel, Emmer, Soja, Erbsen oder Bohnen genannt. Zudem sollen Zwischenfrüchte, Untersaaten und der
Mischanbau in Fruchtfolgen integriert werden.
Beim Anbau nachwachsender Rohstoffe ist gefordert, neben den bekannten Energiepflanzen auch auf Alternativen wie die Durchwachsene Silphie anstatt Mais zu setzen. Schrittweise können auch mehrjährige Kulturen angebaut werden, deren Besonderheit ein geringer Ressourceneinsatz ist (sogenannte Low-Input-Pflanzen).
Um breitere Fruchtfolgen zu realisieren, muss auf Anbauversuche sowie Modell- und Demons-trationsvorhaben zurückgegriffen werden. Die Kulturen müssen sich in der Praxis bewähren und mit Entscheidungshilfen zur Bestandsführung den Betrieben nähergebracht werden. Hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit sind Absatzmärkte für neue und wenig genutzte Kulturen unabdingbar, denn ohne eine attraktive Vermarktungsmöglichkeit besteht keine Zukunft für Alternativkulturen. Ein gutes Beispiel ist hierbei der Sojaanbau. Das Leuchtturmprojekt „Modellhaftes Demonstrationsnetzwerk zur Ausweitung und Verbesserung des Anbaus und der Verwertung von Sojabohnen in Deutschland“, das von 2013 bis 2018 gefördert wurde, hat zu einer mehr als verdreifachten Sojaanbaufläche im Projektzeitraum geführt. Das Netzwerk bestand aus 120 konventionell und ökologisch wirtschaftenden Betrieben.
Eine bedarfsgerechte und präzise Nährstoffversorgung ist eine wichtige Voraussetzung im Pflanzenbau. Ein ausgewogenes Verhältnis der Haupt- und Spurennährstoffe zueinander ist mit dem Einsatz von Mineraldüngern vergleichsweise einfach zu erreichen. Bei Wirtschaftsdüngern hingegen ist eine bedarfsgerechte Applikation weitaus schwieriger.
Probleme beim Thema Düngung gibt es vor allem durch die Datenerhebung der Grundwassermessstellen in Deutschland. 28 % der Messeinrichtungen der Länder melden höhere Nitratgehalte im Grundwasser, als es der Grenzwert von 50 mg Nitrat/l zulässt. Das BMEL benennt in seinem Diskussionspapier vor allem die regionale Konzentration von Tierhaltung und Biogasanlagen als Grund an. Flüssige Wirtschaftsdünger haben oft zu geringe Nährstoffanteile, als dass ihr Transport auf weiter entfernte Äcker wirtschaftlich wäre.
Bis 2030 müssten die Ammoniakemissionen um 200.000 t sinken, um sie gegenüber dem Basisjahr 2005 um 29 % wie nach der NEC-Richtlinie gefordert, zu senken. Da 95 % der Ammoniakemissionen aus der Landwirtschaft stammen, besteht hier also besonderer Handlungsbedarf. Ein Zielkonflikt besteht darin, dass eine bedarfsgerechte Versorgung der Kulturpflanzen entgegen der Reduktion von Nährstoffausträgen in die Umwelt steht. Deshalb sind die beschriebenen Ziele unter anderem eine deutlich verbesserte Nährstoffeffizienz. Außerdem müssen Nährstoffüberschüsse reduziert werden. Bei mineralischem Stickstoff sind durch Sensortechnik und Applikationskarten bereits wichtige Schritte in die richtige Richtung getan worden. Im Feld der organischen Düngung besteht allerdings noch viel Handlungsbedarf. Hier könnte die Ermittlung der Nährstoffgehalte durch beispielsweise die Nahinfrarotspektroskopie helfen. Zusätzlich müsse Appliaktionstechnik emissionsärmer werden.
Im Bundesprogramm Nährstoffmanagement werden als Maßnahmen der Bau von Güllebehältern für eine Lagerkapazität von zehn Monaten, deren Abdecken und die bodennahe Aufbringung von Gülle genannt. Auch das Separieren, Ansäuern und teilflächenspezifische Ausbringen von Gülle gehören dazu.
Im Pflanzenschutz bestehen die Probleme vor allem in unerwünschten Umweltwirkungen bestimmter Wirkstoffe einiger chemischer Pflanzenschutzmittel und deren Rückständen im Erntegut.
Vor allem durch die Zulassungssituation im Pflanzenschutz ist ein weiterer Rückgang der verfügbaren Mittel für das BMEL vorhersehbar. Die Bekämpfung von pilzlichen Erkrankungen ist hierbei besonders gefährdet. Ein weiterer bedenklicher Faktor ist die Resistenzbildung, wie schon im Bereich der Herbizide angesprochen. Ein Konflikt besteht in der Ertrags- und Qualitätssicherung der Ernte und dem verbesserten Klima- und Bodenschutz durch reduzierte Bodenbearbeitung.
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Deshalb hat das BMEL als Ziele im Bereich Pflanzenschutz auch eine deutliche Reduzierung der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln bis 2030 und den Ausstieg aus der Anwendung glyphosathaltiger Pflanzenschutzmittel bis 2023 formuliert. Der Pflanzenschutz solle daher künftig als Gesamtsystem aus Sortenwahl, Bodenbearbeitung, Fruchtfolge, Düngung und direkten Pflanzenschutzmaßnahmen gesehen werden. Entscheidungshilfen für die Praxis seien dabei notwenig, genauso wie eine erfolgreiche Resistenzzüchtungsforschung, um die Resistenzen brechen zu können.
Dafür sollten biologische Pflanzenschutzverfahren intensiver gefördert werden. Dazu zählen die Ansiedlung von Nützlingen, sowie thermische und mechanische Unkrautbekämpfung. Die Nutzung von Prognose- und Schadschwellenmodellen zählt ebenso dazu wie der Einsatz robusterer Kulturpflanzen. Nur so könne ein Systemwechsel im Pflanzenschutzbereich erfolgen, schreibt das BMEL.
Sie kam wie versprochen noch im Jahr 2019: die Ackerbaustrategie aus dem Hause Julia Klöckner. Immerhin: Mit „heißer Nadel“ wurde das Diskussionspapier nicht gestrickt – doch reicht das schon aus, um zielführend zu sein?
Von David Benzin
Machen wir eine kleine Zeitreise. Ein Gedankenexperiment, das zeigen soll, wie sie aussehen kann – die Landwirtschaft in Deutschland im Jahr 2035. Geht es nach der Vision von Agrarministerin Julia Klöckner, wird 2035 ein Fünftel der Agrarflächen ökologisch bewirtschaftet. Insekten gibt es in Hülle und Fülle und alle bestäuben fleißig. Die Verbraucher sind bereit, angemessene Preise für heimische Lebensmittel zu bezahlen und kaufen ganz bewusst regional erzeugte Produkte passend zur jeweiligen Saison ein. Auch der konventionelle Anbau hat 2035 vom Wachstum des Ökolandbaus profitiert und ist ackerbaulich an ihn herangerückt. Es wird viel gehackt und gestriegelt, Pflanzenschutz und Düngung erfolgen nur nach punktuellem Bedarf. Auf der anderen Seite hat der Ökolandbau einen Produktivitätsschub bekommen und schloss bei den Erträgen auf. So steht es jedenfalls im Diskussionspapier zur Ackerbaustrategie des Agrarministeriums, das kurz vor Weihnachten präsentiert wurde. Aber reisen wir weiter.
Auch Artenvielfalt und Biodiversität haben im Jahr 2035 enorm zugelegt. Umweltbelastungen sind noch weniger geworden. An jedem Acker gibt es schnelles Internet und viele Sensoren sind miteinander verknüpft. Trotzdem bestehen weiterhin große und kleinere Betriebe nebeneinander, die ihre Produkte im Hofladen, auf dem Wochenmarkt und online vermarkten. Und auch der Weltmarkt wird weiterhin bedient. Landwirte auf dem Schlepper werden durch autonome Traktoren unterstützt. Außerdem drehen kleine Roboter ihre Runden auf den Feldern und nehmen Proben, nur bei Bedarf behandeln sie die Pflanzen. Fruchtfolgen sind breiter denn je, und Leguminosen machen unabhängig von Importeiweiß. Die Böden sind humusreich und der chemische Pflanzenschutz ist um die Hälfte reduziert, verglichen mit 2019. Ganzjährige Bodenbedeckung schützt vor Erosion durch Wind und Wasser.
Doch Zeitreisen sind utopisch. Marty McFly aus der Film-Trilogie „Zurück in die Zukunft“ können wir es mangels seiner Hilfsmittel nicht gleichtun. Sehen wir uns also an, wie die nächsten 15 Jahre gestaltet werden sollen. Ackerbaustrategien gibt es, gerade jüngst, in großer Zahl – egal ob vom Bauernverband, dem Umweltbundesamt oder NGOs. Wenn nur halb so viele Lösungen umgesetzt werden, wie in ihnen vorgeschlagen, wäre für jeden etwas dabei. Was ist also das Besondere an Klöckners neuem Papier?
Nicht nur Lösungen werden gepredigt, sondern auch kritisch hinterfragt und Anbausysteme ganzheitlich betrachtet. So beleuchtet die Ackerbaustrategie des BMEL Leitlinien, an deren vorderer Front die sichere Lebensmittelversorgung steht. Auch die zwölf ausgefilterten Handlungsfelder betrachten neben Zielen und Maßnahmenvorschlägen auch Konflikte, die auf dem Weg zum Ziel im Wege stehen. Als Kirsche obendrauf garnieren die Verfasser die Diskussionspunkte, indem sie die Wirtschaftlichkeit ansprechen und konkrete Beispiele aus der Praxis, etwa Demonstrationsvorhaben und Förderprojekte, erwähnen.
Und das ist ein großer Unterschied zu bestehenden Strategiepapieren. Durch dieses Systemdenken werden Schnellschüsse, die zu sehr in eine vorgefasste Richtung gehen, vermieden. Dadurch sind die Maßnahmenvorschläge gleich viel praxisbezogener und weniger abschreckend. Sie nehmen eher an die Hand als dass sie die Pistole auf die Brust setzen. Bleibt nur zu hoffen, dass die dafür nötigen Projekte weiter gefördert werden oder neue Programme mit starkem Praxisbezug entstehen. Nach dem Motto: „Was lange währt, wird endlich gut“, bin ich aber ziemlich optimistisch. Sie auch?
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Noch zu DDR-Zeiten gründete sich im thüringischen Großkundorf eine Bürgerinitiative. Wir sprachen mit Lutz Hemmann über gefährliche Abfälle, die Sensibilisierung für ein heikles Thema und den aufrechten Gang.
Vor genau 30 Jahren erschien in der Bauernzeitung ein Gespräch mit dem Thüringer Handwerker Lutz Hemmann. Dieser hatte noch vor dem Fall der Mauer Kontakt zur Bürgerbewegung Neues Forum aufgenommen und mit Gleichgesinnten eine Bürgerinitiative gegründet. Deren Ziel war es vor allem, die am Rande von Großkundorf im Kreis Greiz gelegene Mülldeponie ordnungsgemäß zu sichern. Im Anschluss sollten Fachleute gründlich die Halde untersuchen, auf der radioaktives Material gelagert wurde. Seinerzeit hatte die SDAG (Sowjetisch-Deutsche Aktiengesellschaft) Wismut in der Region großflächig Uranerz abgebaut, Ausgangspunkt für die Produktion von Nuklearwaffen sowie den Betrieb von Atomreaktoren.
Zutiefst besorgt wegen möglicher Gefahren, die von der Deponie mit den Rückständen der Erzwäsche für Mensch und Umwelt ausgingen, forderte die Bürgerinitiative, dieses heikle Thema nicht weiter zu verharmlosen. „Brav abwarten? Nicht mit uns!“ lautete die Überschrift über dem Beitrag. Kurz nach Veröffentlichung ging in der Chefredaktion der Bauernzeitung ein Schreiben des damaligen stellvertretenden Ministers für Umweltschutz und Wasserwirtschaft der DDR ein, der mit scharfen Worten den Beitrag kritisierte. Er monierte vor allem, dass der Redakteur vorher nicht die „staatlichen Stellen“ informiert hatte. Zweifellos eine Unterlassungssünde, die jedoch bewusst begangen wurde. Denn sonst wäre nach unseren damaligen Erfahrungen der Beitrag gar nicht erschienen.
Welche Reaktionen haben Sie damals auf unser Gespräch erfahren?
Durchweg positive. Zu dieser Zeit wenige Wochen nach dem Fall der Mauer war doch längst klar, dass es so nicht mehr weitergehen konnte. Die sogenannte Staatsmacht verfiel immer mehr in Ohnmacht. Doch die Situation war trotz aller Euphorie nicht einfach. Keiner wusste, was kommt. Und ich hatte ja auch schon so meine Erfahrungen …
Erzählen Sie!
Im Februar 1989 bekam ich unerwartet „hohen Besuch“. Der saß unangemeldet bei uns auf der Couch. Der Erste Sekretär der SED-Kreisleitung Greiz gehörte ebenso dazu wie ein auffällig unauffälliger Mensch, der sich nicht einmal vorgestellt hatte. Man forderte mich ohne Umschweife auf, sofort die Finger vom Thema Großkundorfer Deponie zu lassen. Sonst könnte es zu meinem Schaden sein, hieß es. Das sei aber keine Drohung, sondern nur ein Hinweis darauf, was passieren könnte!
Kriegt man es da nicht mit der Angst zu tun?
Natürlich, vor allem wenn man an die eigene Tochter denkt, die zu dieser Zeit gerade mal fünf Jahre alt war. Doch mir und meinen Mitstreitern ging es ja gerade um die Gesundheit und die Zukunft unserer Kinder. Die können doch nur in einer möglichst intakten Umwelt gedeihen, zu der auch der aufrechte Gang gehört, wie ich finde. Ich habe dann jedoch bewusst meine Tochter von unseren Aktionen ferngehalten, um sie nicht zu gefährden.
Haben Sie und Ihre Mitstreiter sich damals als klassische Opposition verstanden?
Jein. Wir nahmen uns schon das Recht heraus, nicht mit allem einverstanden zu sein, was „von oben“ kam. Dazu gehörte eben auch, Fragen zu stellen und Zweifel anzumelden, aber nicht als abseits Stehende, sondern als Mitstreiter. Wir wollten die DDR nicht abschaffen, sondern sie verändern! Was konkret bedeutete, im Gemeindeparlament mitzuarbeiten, was ich viele Jahre dann ja auch getan habe, von meinem Einsatz bei der Feuerwehr ganz abgesehen.
Wie ging es Anfang 1990 mit der Bürgerinitiative weiter?
Unsere größten „Bauchschmerzen“ hatten wir damit, dass nach den Plänen der Behörden die Lagerstätte mit einer besonderen Schutzschicht aus Haus- und Industrieabfällen abgedeckt werden sollte. Das muss man sich mal vorstellen: Zu dem, was da schon vor sich hin tickte, sollte noch einmal ein undefinierbarer Cocktail aus Unrat kommen. Einfach unverantwortlich! Wir haben deshalb alles unternommen, um dieses Vorhaben zu unterbinden. Schon 1987 und 1988 hatten wir Unterschriften gesammelt und festgestellt, dass wir die große Mehrheit der Einwohner auf unserer Seite hatten. Nun ging es uns darum, mehr Informationen über die Art und Weise der Lagerung zu bekommen. Wir organisierten eine Tagung, auf der namhafte Professoren über die Niedrigstrahlung in Gebieten mit Uranerzbergbau referierten. Sie bestätigten unsere Befürchtungen. Der Tagungssaal in Berga war an beiden Tagen proppenvoll. Wichtig war uns aber auch der Einsatz im nur wenige Kilometer entfernten Seelingstädt. Dort gab es damals die „Erzwäsche“, wie das von der Wismut betriebene Unternehmen hieß. In den ersten Monaten 1990 hatten wir Zugang zum dortigen Archiv.
Wir durften zwar nichts kopieren, mal abgesehen davon, dass das zu der Zeit schon rein technisch schwer genug war. Immerhin konnten wir eine Reihe Fotos und uns ein Bild davon machen, wie mit den Rückständen der Erzwäsche umgegangen wurde. Das war schon beklemmend genug. Aber der schwerste Schlag für unsere Bürgerinitiative erfolgte dann nach einem halben Jahr, als die zuständige Bundesbehörde die Einrichtung übernahm und uns den Zugang untersagte. Da haben wir die Welt nicht mehr verstanden!
Ihre Mitstreiter kamen, wie Sie uns seinerzeit berichteten, aus den verschiedensten Berufsgruppen.
Wir waren damals mehr als ein Dutzend Frauen und Männer, zumeist in meinem Alter. Es waren Handwerker, Arbeiter und Lehrer darunter, ebenso eine Krippenerzieherin und ein Landwirt. Natürlich hatten wir nicht das Fachwissen für die komplizierte Materie, was uns ja immer wieder vorgeworfen wurde. Aber darum ging es ja nicht. Wir wollten einfach über die Öffentlichkeit eine Sensibilisierung für das Thema erreichen und dann den Einsatz von kompetenten Leuten, die übernehmen. Dass die dann wiederum so konspirativ vorgingen und unsere Mitarbeit ablehnten, war mehr als ernüchternd.
Es gab dann aber doch ein Gesamtsanierungskonzept …
Ja, aber unter den nun bundesdeutschen Bedingungen wurde die Umsetzung zu einem bürokratischen Monster mit unzähligen Genehmigungsverfahren. Wir haben anfangs versucht, die zu begleiten, doch das war unmöglich. Wir sind den Dingen nur noch hinterhergelaufen, ohne wirklich Einsicht nehmen geschweige denn etwas bewirken zu können. Dazu muss man wissen, dass wir das alles ehrenamtlich, also in unserer Freizeit, gemacht haben. Das forderte Kraft und Zeit. Zu DDR-Zeiten wäre das nicht so problematisch gewesen. Doch jetzt ging es ja auch darum, seinen Job zu behalten, um die Familie ernähren zu können. Das hat an uns allen genagt und schließlich dazu geführt, dass wir Ende 1996 die Bürgerinitiative auflösten.
Vermutlich kam es auch zu Anfeindungen …
Logisch. Wer damals bei der Wismut in Lohn und Brot stand, sah uns als große Bedrohung. Es gab eine ganze Reihe von Gesprächen, in denen wir klarzumachen versuchten, dass nicht wir es sind, die Arbeitsplätze im Bergbau infrage stellen. Die Erzvorkommen wären ohnehin in spätestens zehn Jahren erschöpft gewesen. Dafür bot die von uns geforderte gründliche Sanierung weiterhin reichlich Arbeit. Noch heute sind in diesem Bereich in unserer Region rund viertausend Leute beschäftigt. Das wollte damals aber keiner hören.
Hat sich Ihr Einsatz dennoch gelohnt?
Unbedingt. 1991 wurde endlich festgelegt, auf der Deponie weder Haus- noch Industriemüll zu lagern. Es gab inzwischen umfangreiche Sanierungsarbeiten, Becken wurden abgepumpt und abgedichtet, Erdmassen wurden aufgeschichtet und Dränagen angelegt. Doch wir können nicht bewerten, wie nachhaltig das alles war. Denn es lief ab wie eine geheime Verschlusssache. Immerhin ist die Lagerstätte jetzt ordentlich gesichert. Vorbei die Zeiten, als das Tor offen stand. Und selbst wenn es mal zugeschlossen war, konnte dennoch jeder reinmarschieren. Denn es war bekannt, dass der Schlüssel auf dem Baum hing …
In den Wendewochen habe ich mal in Berlin einen denkwürdigen Spruch gelesen: „Das Chaos ist aufgebraucht. Es war eine schöne Zeit …“
Nun ja, die wird wohl jeder auf seine Weise erlebt haben und entsprechend reflektieren. Fest steht, dass zu dieser Zeit die alte Ordnung, die uns reichlich geärgert hatte, nicht mehr existierte.
Die neue war noch nicht in Kraft. Doch es gab schon so eine Vermutung, dass sich nicht alles so verändern würde wie erhofft. Zu DDR-Zeiten konnten wir über bestimmte Dinge nicht reden, weil die Gefahr bestand, weggesperrt zu werden. Heute können wir über alles reden. Aber es hört kaum einer noch hin!
Wie ging es bei Ihnen beruflich weiter?
Nach einem Autounfall, der einen Bänderriss zur Folge hatte, konnte ich nicht mehr als Handwerker arbeiten. Ich habe eine Umschulung zum Industriekaufmann gemacht, dann im Großhandel in Sachen Heizung und Sanitär gearbeitet. Seit 2002 bin ich voll erwerbsunfähig und nach mehreren Bandscheibenvorfällen auf Medikamente angewiesen. Ich helfe aber noch stundenweise in der Firma meiner Frau aus. Ich kann doch nicht einfach herumsitzen.
Wenn Sie die Chance hätten, die Zeit zurückzudrehen …
… würde ich wieder tun, was ich getan habe. Dass die Mauer vor 30 Jahren fiel, sehe ich als großen Glücksfall an. Sicherlich hat man in der Zeit so manche Illusion verloren.
Welche zum Beispiel?
Dass Parteien, welcher Farbe auch immer, ernsthaft zu ihren Wahlversprechen stehen. Es geht doch nur darum, wiedergewählt zu werden. Ich habe damals Joschka Fischer, zu der Zeit hessischer Umweltminister, auf einer Veranstaltung bei uns erlebt. Der versprach uns alle Hilfe, die wir brauchten. Doch das war nur Rhetorik. Ich bin mir sicher, dass er uns schon bei der Rückfahrt hinter dem Hermsdorfer Kreuz vergessen hat. Aber damit will ich nicht unsere Demokratie infrage stellen. Die ist ein kostbares Geschenk und muss behütet werden.
Sie wohnen nach wie vor in Großkundorf. Wie lebt es sich hier?
Wir sind hier zu Hause, und so fühlen wir uns auch. Übrigens hatten wir wenige Wochen vor der Wende eine Einladung zu einer Familienfeier in Baden-Württemberg, die uns überraschenderweise auch genehmigt wurde. Vielleicht ging man ja davon aus, dass der Störenfried Hemmann im Westen bleiben würde. Das Angebot gab es durchaus, aber es kam schon wegen unserer Tochter, die in Großkundorf auf uns wartete, nicht infrage. Bedauerlich finde ich nur, dass im Laufe der Jahre der Gemeinschaftssinn im Dorf abhandengekommen ist. Es geht fast nur noch ums Geld, Missgunst macht sich breit. Das ist keine gute Entwicklung!
Was halten Sie von der Bewegung „Fridays for Future“?
Ich ziehe den Hut vor Greta Thunberg. Die ist so klein und doch so groß, denn sie hat recht. Wenn wir nicht jetzt etwas für den Klimaschutz tun, kann es in ein paar Jahren schon zu spät sein! Aufzustehen ist immer der erste Schritt, um etwas in Gang zu bringen!
Die Fragen stellte: Wolfgang Herklotz
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Im Video-Interview mit Farm & Food 4.0 spricht Michael Horsch über den fundamentalen Wandel in der Landwirtschaft. Der Gründer der Horsch Maschinen GmbH sieht dabei vier große Herausforderungen – aber jede Menge Chancen.
Wie kaum ein Zweiter hat Michael Horsch der Landwirtschaft in den letzten 40 Jahren begleitet. Er beratend für Betriebe tätig und hat die Herausforderungen der digitalen Transformation in der gesamten Wertschöpfungskette frühzeitig erkannt. Selbstverständlich wird auch er dabei sein, wenn am 20. Januar in Berlin Landwirte sowie Vertreter aus Industrie, Politik, Wissenschaft und Unternehmen auf dem Kongress Food & Farm über die Zukunft der Branche sprechen.
Der amerikanischen Denkfabrik RethinkX zufolge sind künstlich hergestellte Lebensmittel schon bald so günstig und gut, dass sie Erzeugnisse aus tierischer Produktion schon bald weitgehend ersetzen werden. Die Folgen sind gravierend.
Laut einer Studie der kalifonischen Denkfabrik RethinkX steht die amerikanische Agrar- und Lebensmittelbranche (und damit auch irgendwann unsere) an der Schwelle zur größten Umwälzung seit der ersten Domestizierung von Pflanzen und Tieren vor zehntausend Jahren. In erster Linie führen ökonomische Gründe zu einer neuen Form der Eiweißproduktion. Mehrere parallele, sich gegenseitig überlappende und beschleunigende Faktoren führen zu dieser Entwicklung. Am wichtigsten sind dabei laut RethinkX zwei technologische Innovationen:
Die Präzisionsfermentation (PF) ist ein Prozess, der es programmierten Mikroorganismen ermöglicht, fast jedes komplexe organische Molekül in großem Maßstab herzustellen. Die Kosten sinken exponentiell, da sich die zugrunde liegenden Bio- und Informationstechnologien schnell verbessern. Die Kosten für die Herstellung eines einzelnen Moleküls mit PF sind von 1 Mio. US-$/kg im Jahr 2000 auf heute etwa 100 US-$ gesunken. Unter der Annahme bestehender Technologien und unter Verwendung etablierter Kostenkurven geht der Bericht davon aus, dass diese Kosten bis 2025 unter 10 US-$/kg sinken werden und dass diese Proteine bis 2030 fünfmal billiger sein werden als herkömmliche tierische Proteine und bis 2035 zehn Mal billiger.
Anschließend wählen die Lebensmittelhersteller mithilfe eines innovativen Produktionsmodells namens Food as Software aus einer „Datenbank“ genau die Moleküle aus, die sie für ihre Produkte brauchen. Dies wird zu einem weitaus dezentraleren, lokalisierten Nahrungsmittelproduktionssystem führen, das stabiler und widerstandsfähiger ist als das, das es ersetzt.
Die Studie von RethinkX sagt voraus, dass bis 2030 moderne Lebensmittel eine höhere Qualität aufweisen und weniger als die Hälfte kosten werden: Die fermentierten Eiweißprodukte werden in jedem Schlüsselmerkmal dem tierischen Pendant überlegen sein: nahrhafter, gesünder, geschmackvoller und für die Industrie bequemer, mit einer fast unvorstellbaren Vielfalt.
Die Auswirkungen auf die konventionelle Lebensmittelbranche in den USA sind schwerwiegend. Bis 2030 wird die Nachfrage nach Kuhprodukten um 70 % zurückgegangen sein. Vorher wird die US-Rinderindustrie praktisch bankrott sein. Bis 2035 wird die Nachfrage nach Kuhprodukten sogar um 80 bis 90 % zurückgegangen sein. Andere Fleischmärkte (Huhn, Schwein und Fisch) werden einen ähnlichen Weg einschlagen. Die Milchindustrie steht vor den gleichen Problemen.
„3,3 % der Milch (funktioneller Proteinanteil) reichen aus, um den Zusammenbruch der gesamten Kuhmilchindustrie herbeizuführen. Dies ist keine einfache Eins-zu-Eins-Substitution von Endprodukten und hängt auch nicht von der Veränderung des menschlichen Verhaltens ab“, sagt Tony Seba, Mitbegründer und Mitautor von RethinkX. „Die industrielle Viehzucht wird zusammenbrechen, lange bevor wir sehen, dass moderne Technologien das perfekte Zellsteak zu einem wettbewerbsfähigen Preis produzieren.“ In den an der Tierhaltung und -verarbeitung beteiligten Branchen sowie für alle Industrien, die den Sektor unterstützen und beliefern (Düngemittel, Maschinen, Veterinärbranche et cetera), wird es eine enorme Wertvernichtung geben. Die Autoren gehen von mehr als 100 Mrd. US-$ aus.
Die Produktionsmengen der US-amerikanischen Rindfleisch- und Milchindustrie sowie ihrer Zulieferer werden bis 2030 um mehr als 50 % und bis 2035 um fast 90 % zurückgehen. Der Bedarf an Soja, Mais und Luzerne wird um mehr als 50 % sinken. Bis 2035 werden etwa 60 % der derzeit für die Vieh- und Futtermittelproduktion genutzten Flächen für andere Nutzungen zur Verfügung stehen.
Neben sinkenden Lebensmittelkosten für die Verbraucher wird die Umwelt von diesen Entwicklungen profitieren, da die Netto-Treibhausgasemissionen des Sektors bis 2030 um 45 % sinken werden. Andere Themen wie internationale Entwaldung, Artensterben, Wasserknappheit und Wasserverschmutzung durch tierische Abfälle, Hormone und Antibiotika werden ebenfalls verbessert. Bis 2035 könnten die Flächen, die früher für die Herstellung von Tiernahrung in den USA genutzt wurden, zu einer bedeutenden Kohlenstoffsenke werden.
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Laut einer Studie der Unternehmensberatung A.T. Kearney verdrängen in Zukunft neuartige vegane Fleischalternativen und künstlich hergestelltes Fleisch Produkte aus der Tierproduktion.
Von Dr. Carsten Gerhardt, A.T. Kearney
Fleisch ist ein globaler Milliardenmarkt. Fast die Hälfte der weltweiten Ackerproduktion, ein Wert von etwa 600 Mrd. US-$, wird verfüttert. Daraus entsteht Fleisch im Wert von ungefähr 1.000 Mrd. US-$, das weiterverarbeitet schließlich einen Wert auf Ebene des Verbrauchers von circa 1.900 Mrd. US-$ global darstellt, knapp ein Viertel des gesamten globalen Lebensmittelmarktes (Abb. 1). Für die Landwirtschaft stellen Futtermittel für die Fleischproduktion mithin einen wichtigen Absatzbereich dar.
Das Nachfragewachstum im Agrarbereich in den vergangenen Jahrzehnten wurde neben der Bevölkerungszunahme auch ganz wesentlich durch eine stark wachsende Fleischnachfrage getrieben, hier vor allem natürlich in den Kulturen Mais und Soja. Nur rund ein Drittel der globalen Ackerproduktion wird unmittelbar für die menschliche Ernährung verwendet – der Rest ist Tierfutter, wird zu Biokraftstoff weiterverarbeitet oder dient industriellen Zwecken.
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In Anbetracht der hohen Bedeutung der Fleischproduktion als Absatzmarkt für Futtermittel hätte eine Änderung des Konsumentenverhaltens in Bezug auf Fleisch weitreichende Auswirkungen auf die Landwirtschaft. Allerorten mehrt sich derzeit das Angebot an Fleischalternativen in den Regalen, der Börsengang von Beyond Meat und die Bewertung des Unternehmens mit teilweise mehr als 13 Mrd. US-$ machten weltweit Schlagzeilen. Der Kurs ist zwar von über 200 US-$ pro Aktie im Sommer mittlerweile auf etwa ein Drittel gefallen, dennoch bleibt die berechtigte Frage, ob es sich bei Fleischalternativen um eine kurzfristige Modeerscheinung oder einen langfristigen Trend handelt.
A.T. Kearney hat sich mit einen globalen Expertenteam mit dieser Frage beschäftigt und in diesem Kontext mit Industrieexperten auf allen Kontinenten gesprochen. Um es vorwegzunehmen, wir sind zu dem Schluss gelangt, dass Fleischalternativen ein langfristig hohes wirtschaftliches Potenzial besitzen und eine wirkliche Disruption für den Fleischmarkt darstellen werden. Von den Auswirkungen her kann sie mit der Elektromobilität im Automobilbereich verglichen werden.
Nun mag man einwenden, dass es pflanzliche Alternativen zu Fleisch ja durchaus schon seit vielen Jahren gibt, sie sich bislang aber nicht aus einer überschaubaren Marktnische herausbewegt haben. Klassische vegetarische oder vegane Angebot wie der Tofu-Burger oder der Grünkernbratling konnten vielleicht in Bezug auf ihre Nährwerte überzeugen, aber nicht in Bezug auf Geschmack. Das ändert sich nun drastisch mit Neueinsteigern wie Beyond Meat, Impossible, Like Meat oder Ojah und ihren Pflanzenburgern, wir nennen sie die „neuen veganen“ Alternativen. Sie alle setzen auf eine maximale Ähnlichkeit zum tierischen Fleisch in Produktmerkmalen wie Geschmack, Geruch, Aussehen, Textur et cetera. Zudem legen diese Hersteller großen Wert darauf, dass ihre Produkte nicht als „vegane Alternative“, sondern „das bessere Fleisch“ präsentiert werden und im Verkaufsregal bei den Fleischprodukten liegen und nicht gesondert.
Die künftigen Hersteller von Kulturfleisch, alternativ auch als In-vitro-Fleisch oder Laborfleisch bezeichnet, gehen noch einen Schritt weiter und kultivieren tierische Zellen in einem Nährmedium. Hier sind noch zahlreiche Herausforderungen in Bezug auf einen hinreichend schnellen, dreidimensionalen Aufbau von Fleischstrukturen zu meistern. Aleph Farms (Israel), mosa meat (Niederlande) oder Memphis Meats (USA) gehen aber davon aus, schon in den kommenden fünf bis zehn Jahren konkurrenzfähige Produkte auf den Markt bringen zu können. Diesen wird langfristig das größte kommerzielle Potenzial zugeschrieben, da sie naturgemäß die größte Nähe zu konventionellem Fleisch aufweisen. Unsere Untersuchungen legen den Schluss nahe, dass die Ähnlichkeit zu konventionellem Fleisch letztlich das Marktpotenzial bestimmen wird (Abb. 2).
In den vergangenen Jahrzehnten sind hohe Entwicklungsaufwendungen in klassische vegane oder vegetarische Fleischalternativen geflossen. Das Finanzierung verschiebt sich aktuell in Richtung auf das neue vegane und das Kulturfleisch. Bis 2018 flossen rund 900 Mio. US-$ in neue vegane Alternativen und 50 Mio. US-$ in das Kulturfleisch. Es zeichnet sich aber ab, dass insbesondere die Investitionen in Kulturfleisch in den kommenden Jahren stark zunehmen werden.
Sowohl „neues veganes“ wie auch „Kulturfleisch“ hat ein hohes disruptives Potenzial für dieFleischindustrie. Bewertet man sie entlang der in Abbildung 3 dargestellten acht wesentlichen Kriterien, so fällt auf, dass insbesondere Kulturfleisch langfristig konventionellem Fleisch durchweg überlegen sein wird.
Die Umwandlungsrate von Pflanzenkalorien in Fleischkalorien ist bei beiden deutlich höher als bei konventionellem Fleisch. Hat konventionelles Fleisch im Schnitt Umwandlungsverluste von Pflanzenkalorien in Fleischkalorien von etwa 85 %, sinken diese bei den neuen Alternativen auf weniger als 25 %.
Von den Produkteigenschaften sind sie konventionellem Fleisch überlegen, da wesentliche Eigenschaften besser an die Konsumentenbedürfnisse angepasst werden können, so zum Beispiel das Muskel-Fett-Verhältnis oder die Zugabe von Omega3-Fettsäuren, längere Haltbarkeiten, Verzicht auf Medikamente.
Neues veganes Fleisch hat seine Skalierbarkeit (Fähigkeit des Systems zum Wachstum) bereits erfolgreich unter Beweis gestellt. Seine Hersteller produzieren in größeren Mengen schon jetzt für Supermärkte und Fast-Food-Ketten. Kulturfleisch muss den Nachweis der Massenproduktion zu für den Konsumenten vertretbaren Preisen erst noch erbringen. Aber sowohl Expertenaussagen im Markt wie auch unsere eigenen Berechnungen lassen uns davon ausgehen, dass dies bis etwa 2030 gelingen wird.
Die Akzeptanz von Fleischalternativen nimmt bei jeder neuen Konsumentengeneration zu. Es sind mannigfache, häufig sehr individuelle Erwägungen, wie etwa Tierwohl, Klimaschutz, Wasserverbrauch der Tierhaltung, aber auch traditionelle Kaufkriterien wie Geschmack. Umfragen unter westlichen Konsumenten belegen schon heute die grundsätzliche Bereitschaft, auch Kulturfleisch zu probieren und zu kaufen. Regulatorische Hürden für neues veganes Fleisch existieren kaum, und für Kulturfleisch haben das Landwirtschaftsministerium der USA (US-$A) und die Lebensmittelüberwachung (FDA) schon 2018 den Freigabeprozess gestartet.
Insofern stehen für neues veganes und Kulturfleisch alle Ampeln auf Grün, und ihr zukünftiges Veränderungspotenzial ist gewaltig, hier vor allem die Auswirkung auf die konventionelle Tierhaltung, die ohnehin von einer wachsenden Zahl an Konsumenten kritisch hinterfragt wird. Und die Verbraucher, die sie nicht kritisch hinterfragen, werden zu einem wesentlichen Anteil den Umstieg auf Fleischalternativen auch nicht hinterfragen, da es ihnen ohnehin primär auf das Geschmackserlebnis und nicht den Weg dahin ankommt. Wenn es den Herstellern gelingt, Fleischalternativen herzustellen, die durch ihre Formulierung von konventionellem Fleisch nicht unterscheidbar sind, werden sie ihren Markt finden und konventionelle Produktion verdrängen.
Wir gehen davon aus, dass nach den jetzigen Anfangserfolgen beim Markteintritt neues veganes Fleisch bis etwa 2025 einen substanziellen Marktanteil in Nordamerika, Europa und Asien haben wird (Abb. 4). Hersteller von Kulturfleisch werden sich in dieser Zeit auf den Markteintritt vorbereiten und Produktionsverfahren optimieren. Ab 2030 werden sich das Tempo der Marktanteilsgewinnung und die Industrialisierung der Erzeugung von Fleischalternativen noch beschleunigen. Preislich wird neues veganes Fleisch unter konventionellem Fleisch liegen, und Kulturfleisch wird sich von oben langsam preislich annähern. Ab 2035 wird das Wachstum von Kulturfleisch das von neuem veganen klar übersteigen, weil es hochwertiges konventionelles Fleisch zu günstigeren Preisen nachzubilden vermag.
Unsere Analysen legen nahe, dass der globale Fleischmarkt mit einem jährlichen Wachstum von etwa 3 % weiterwachsen wird. Als Grund hierfür ist insbesondere das Nachfragewachstum in Indien und Asien zu nennen, wo der Fleischkonsum mit steigendem Wohlstand zunimmt. Trotz dieser positiven Wachstumsaussichten für Fleisch insgesamt ist davon auszugehen, dass davon 2030 nur noch weniger als die Hälfte aus konventioneller tierischer Produktion stammen wird. Wie in Abbildung 5 dargestellt, wird insgesamt die Nachfrage nach konventionell produziertem Fleisch von 2025 bis 2040 um rund 3 % pro Jahr zurückgehen, was ausgehend von einem Anfangswert in Höhe von knapp 1.100 Mrd. US-$ einen absoluten Rückgang von etwa 400 Mrd. US-$ bedeutet.
Nach unserer Einschätzung wird dies unmittelbar insbesondere in der konventionellen Tierhaltung und geringeren Fleischqualitäten zu spüren sein und nur in geringerem Maße bei Fleisch aus ökologischer Weidehaltung. Der wesentliche mittelbare Effekt einer reduzierten Nachfrage nach konventionellem Fleisch wird eine zurückgehende Nachfrage nach den wesentlichen Futterkulturen Mais und Soja sein. Beim Mais wird sich zusätzlich noch das Auslaufen von Förderprogrammen für die Herstellung von Biokraftstoffen und Biogas bemerkbar machen, das mit einem generellen Nachfragerückgang nach Biokraftstoffen der ersten Generation einhergeht.
Nachfragen an die landwirtschaftliche Produktion werden sich innerhalb der Kulturen mittel- bis langfristig verschieben. Für die Produktion von neuem veganen Fleisch benötigte Leguminosen werden stärker nachgefragt werden, klassische Futtermittel zurückgehen.
Die Landwirtschaft erwarten neue, hochrelevante Wachstumsfelder. In dem Maße, wie in Übereinstimmung mit den Klimazielen der Vereinten Nationen die Nutzung von fossilem Kohlenstoff aus Kohle, Öl und Erdgas zurückgefahren wird, kann die Landwirtschaft als Kohlenstoffproduzent für alle Industriezweige auftreten, die diesen benötigen. Die generelle Fähigkeit von Pflanzen, in großem Maße atmosphärisches Kohlendioxid und damit Kohlenstoff zu binden, wird perspektivisch immer wichtiger werden. In Kombination mit regenerativ erzeugtem Strom können aus diesem pflanzlich gebundenen Kohlenstoff Vorstufen zahlreicher (petro-)chemischer Produkte hergestellt werden. So wird der Acker langfristig Quelle für Plastik und Flugbenzin sein können.
Laut Studie der internationalen Unternehmensberatung A.T. Kearney verdrängen trotz eines global insgesamt weiterhin wachsenden Fleischmarktes neue Fleischalternativen und kultiviertes Fleisch zunehmend gewöhnliches Fleisch aus der Tierhaltung. Die innovativen Fleischalternativen könnten durch ihre Eigenschaften einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz und Ressourcenschutz beitragen. Ihre Konvertierungsrate von Pflanzenkalorien in Fleischkalorien ist rund viermal besser als die bei traditionellem Fleisch. Die Flächen- und Düngeproblematik wird reduziert, und der Einsatz von Antibiotika und anderen Stoffe zu Aufzucht und Schutz von Tieren entfällt.
„Ich wünsche mir eine fachlichere Agrarpolitik“Erntebilanz bei der M&F-Rhinluch Agrargesellschaft: Pflanzenbauleiter Henning Christ ist trotz der Trockenheit des Sommers zufrieden – nur der Silomais macht ihm Sorgen. Von der Politik erwartet er klare und vor allem umsetzbare Entscheidungen.
Von David Benzin
Zur Stoppelbearbeitung und Grunddüngung haben wir der M&F-Rhinluch Agrargesellschaft im Landkreis Ostprignitz Ruppin für den Schwerpunkt Herbstbestellung Wintergetreide in der Ausgabe 33 einen Besuch abgestattet. Hier standen die Mähdrescher aufgrund des Wetters für ein paar Tage still und es ging an die Stoppelbearbeitung. Außerdem begannen Pflanzenbauleiter Henning Christ und seine Mitarbeiter mit der Düngung von Grundnährstoffen.
Die später fortgesetzte Getreideernte war für ihn und sein Team trotz der Trockenheit im Frühjahr und der Hitzewellen im Sommer zufriedenstellend. Im Raps haben sie sogar das beste Ernteergebnis der vergangenen drei Jahre erzielen können.
Die Ernte des Silomaises hatte Henning Christ schon größere Sorgen bereitet. Hier ist es zu starken Ertragsschwankungen gekommen, die er in verschiedenen Ursachen begründet sieht. Unter anderem die Trockenheit, aber auch die Frostschäden in der ersten Maidekade auf 40 ha Fläche und Pickschäden durch Kraniche. Wegen letzterer mussten 70 ha Mais nochmals gelegt werden. Der Futtervorrat an Silomais für die Milchkühe konnte aber noch knapp gesichert werden, wie er aus den vergangenen Monaten berichtet.
Im Herbst lief die Getreideaussaat für Christ gut ab und der Auflauf war in Ordnung. Auch die bisherige Vorwinterentwicklung lässt für ihn wenig zu wünschen übrig.
Das Auflaufen der Rapsbestände hingegen ist bei der M&F-Rhinluch je nach Standort unterschiedlich gut gewesen. Gründe dafür waren, dass 80 ha Raps erst in der zweiten Septemberdekade gedrillt werden konnten. Von den 150 ha Raps, die termin- gerecht in den Boden kamen, mussten aber 15 ha wieder umgebrochen werden. Bei den Zwischenfrüchten, die auf 300 ha der Ackerfläche stehen, sind etwa 30 % schlecht aufgelaufen.
Ansonsten sehen die Bestände der M&F-Rhinluch Christs Einschätzung nach durch die Niederschläge Anfang Oktober sehr gut aus. Die Niederschlagsmenge kam damit wieder in etwa auf den jährlichen Mittelwert, aber die klimatische Wasserbilanz passt für das Jahr 2019 weiterhin ganz und gar nicht für einen erfolgreichen Ackerbau.
Für 2020 wünscht auch er sich ein „normales“ Jahr mit ausreichend Niederschlägen, damit auch die Situation im Futterbau entspannter wird. Durch die immer stärkeren Restriktionen bei Düngung und Pflanzenschutz geht Christ aber mit angespannten Gefühlen ins neue Jahr. Vor allem, dass auf politischer Ebene Entschlüsse gefasst werden, die auch fachlich sinnvoll und vor allem umsetzbar sind, wünscht er sich. Die Entscheidungen sollten Ökologie und Ökonomie gut aufeinander abstimmen.
„Ansonsten bin ich darauf gespannt, was das neue Jahr persönlich für mich bereit hält“, sagt er.
Lesen Sie hier die ganze Reportage in der Ausgabe 33 mit dem Schwerpunkt Herbstbestellung Wintergetreide