(c) Thomas Uhlemann

O, Tannenbaum, o, Tannenbaum …

… in diesen Tagen wirst du wieder umgehaun – wie auf dem Werderaner Tannenhof in Brandenburg. Dort wachsen im integrierten Anbau mehrere Zehntausend Weihnachtsbäume. Besonders beliebt: den Tannenbaum selber schlagen.

Von Bärbel Arlt

Tannenhofchef Gerald Mai denkt gern an seine Kindheit: „Damals war der Weihnachtsbaum noch etwas sehr Heimliches“, erzählt er. „Am 24. Dezember nachmittags – ich konnte es kaum erwarten – wurde endlich die Wohnzimmertür geöffnet und da stand er dann – der hellerleuchtete Baum.“

Heute schaut das anders aus. Da erstrahlt in vielen Wohnungen der Baum durchaus schon Wochen vor Heiligabend. So auch bei einer jungen Familie aus Falkensee, die auf der Suche nach einem Weihnachtsbaum durch den Nadelwald pirscht – „bewaffnet“ mit Handsäge und Transportkarre. „Prächtig muss er sein und in unser neues Haus passen“, wünscht sich Ann-Kathrin Prescher und verrät, dass er auch schon bald aufgestellt und geschmückt wird: „Schließlich wollen wir lange etwas von ihm haben.“ Für Sohnemann wiederum ist wichtig, dass die Geschenke drunter passen. Und dann ist der Prachtbaum gefunden – eine Nordmanntanne. Sie kommt huckepack auf eine Karre und wird von den Mitarbeitern des Tannenhofes noch für den Ständer passend gemacht und den Transport ins Netz gehüllt.

„Die Selbstschlage gibt es auf unserem Hof seit 2002 und ist immer wieder ein Magnet vor allem für Familien“, weiß Hofchefin Karin Lorenz. Denn frischer geht es nicht und der Ausflug ist für Kinder durchaus ein kleines Abenteuer. Sie sehen mit eigenen Augen, wo ihr Weihnachtsbaum gewachsen ist und können auf einem Lehrpfad so einiges über die verschiedenen Bäume erfahren. Auch ihre Weihnachtswünsche können sie auf dem Tannenhof gleich noch an den Weihnachtsmann schicken.

Tannenbaum selber schlagen: Seit 30 Jahren ein Magnet für Familien

Seit rund 30 Jahren wachsen in Plessow bei Werder Weihnachtsbäume – eher ungewöhnlich für ein jahrhundertealtes Obstanbaugebiet. Gerald Mai muss schmunzeln und erzählt uns die Geschichte: „Natürlich waren auch meine Großeltern und Eltern Obstbauern. Doch nach der Wende kam der Obstbau zum Erliegen und die Großeltern bekamen ihre Flächen von der Genossenschaft zurück. Auch mit dem Anbau von Maiblumen, Tomaten, Blumenkohl in den Gewächshäusern meiner Eltern war nichts mehr zu verdienen. Was also tun?

So mancher Obstbauer hatte seine Flächen für mögliches Bauland vorgehalten, wir haben uns für Weihnachtsbäume entschieden.“ „Und das in der irrigen Annahme, sie zu pflanzen und irgendwann wie im Wald abzusägen“, schiebt seine Ehefrau Karin Lorenz lachend nach. „Doch so einfach war das dann doch nicht, wir haben viel Lehrgeld zahlen und lernen müssen.“ Denn die Weihnachtsbaumkultur stand auf keinem Studienplan der studierten Gartenbauingenieurin und Landschaftsplanerin. Auch für Gerald Mai, der Maschinenbau studiert hat, war die Kultur Neuland, wenngleich er nach der Wende mit Weihnachtsbäumen gehandelt hat und erste Erfahrungen sammeln konnte. „Unser Wissen ist mit ‚Learning by doing‘ gewachsen“, sagt Karin Lorenz, „und sehr hilfreich fürs Geschäft war auch die Flurneuordnung, also das Zusammenlegen von Flächen.“

GEschäft mit dem Tannenbaum wird zum Vollerwerg

Und der Mut zum Risiko wurde Stück für Stück belohnt, denn die Weihnachtsbäume aus der Region waren immer mehr gefragt. Immer mehr Menschen kamen vorbei, um ihren Tannenbaum selber zu schlagen. So wurde ums Jahr 2000 aus dem Nebenerwerb für Gerald Mai und Karin Lorenz Vollerwerb und aus den einst sieben Hektar sind 70 Hektar geworden, auf denen rund ein Dutzend verschiedene Sorten wachsen, schließlich sind die Vorlieben der Kunden verschieden. Der eine mag aus Tradition die Schwarzkiefer, der andere liebt die Coloradotanne. Doch die absolute Nummer eins ist seit Jahren die Nordmanntanne. Sie hat der Fichte, die vor allem in den 1960er/70er-Jahren die Zimmer schmückte, und der in den 1980er-Jahren folgenden Blaufichte den Rang abgelaufen.

Eigentlich stammt die Nordmanntanne aus Südosteuropa und wird seit den 1950/60er-Jahren vor allem in Dänemark gezüchtet. „Doch auch bei uns wächst sie gut und wir sind mit Farbe und Länge der Nadeln sehr zufrieden“, sagt Tannenexperte Mai. Auch die anderen Baumsorten machen eine gute Figur, haben Trockenheit und Hitze trotz einiger Abgänge gut überstanden. Dafür spielt ihnen zum einen der günstige Standort mit etwas lehmhaltigem Boden in die Karten, zum anderen vor allem die Bewässerung mit Brauchwasser aus dem Glindower See. Auch die Niederschläge im Herbst haben gutgetan. Und für eine gesicherte Produktion will der Familienbetrieb das Bewässerungsnetz weiter ausbauen.

Ökologischer Anbau soll forciert werden

Auch der ökologische Anbau soll forciert werden. „Wir wollen so umweltschonend wie möglich produzieren und so wenig wie möglich Herbizide einsetzen“, sagt Karin Lorenz. Dabei hilft der nagelneue Portaltraktor, von dem Gerald Mai völlig begeistert ist: „Der ist für uns wie eine kleine Revolution, erledigt er doch mehrreihig sehr präzise mehrere Arbeitsgänge wie Bodenbearbeitung, Düngen, Mulchen, Stumpfbeschneidung, Formschnitt, Schädlingsbekämpfung.“

Außerdem ist der Tannenhof Mitglied im „Verband der natürlichen Weihnachtsbäume“, der den Verkauf und die Vorteile eines natürlichen Baums fördern will. Denn er ist Sauerstofflieferant, hat eine positive Ökobilanz und die Plantagen sind auch wichtiger Lebensraum für Tiere. „In unserer Selbstschlagplantage haben wir zum Beispiel viele Sitzkrücken für Bussarde und Milane angebracht sowie Nistkästen für kleine Vögel, Falken und Fledermäuse“, so Karin Lorenz. „Wir sind auch ein zertifizierter Betrieb und lassen uns freiwillig prüfen“, sagt sie und verweist noch auf die Patenschaften mit dem SOS Kinderdorf in Brandenburg, der Fregatte Brandenburg, dem Kinderheim in Trebbin und auf das Fair Tree Projekt, an dem sich der Tannenhof seit 2016 beteiligt und das auf eine gerechtere Entlohnung und bessere Arbeitsbedingungen der Zapfenpflücker in Georgien, dem Herkunftsland der Nordmanntannensamen, zielt. 

Verkauf an rund 30 Standorten

Zu haben sind die Werderaner Weihnachtsbäume übrigens nicht nur auf dem Tannenhof in Plessow zum selber schlagen, sondern an 30 Standorten im Osten Deutschlands – so in der Stadt Brandenburg, in Berlin, Cottbus, Rostock, Frankfurt/Oder, Halle, Neubrandenburg und Schwerin. Sie stehen auch geschmückt in Einkaufszentren, Hotels und auf so prominenten Plätzen wie dem Ehrenhof vor Schloss Bellevue, der Berliner Kulturbrauerei und dem CityCube am hauptstädtischen Messegelände.



Und wie schaut es bei der Tannenhof-Familie mit dem Weihnachtsbaum aus? „Wir nehmen den, der noch übrig ist“, lacht Karin Lorenz und erzählt davon, dass Heiligabend Gänsebraten für die polnischen Mitarbeiter und – aus Tradition – Frikassee für Ehemann Gerald auf den Tisch kommen.

Nach Weihnachten geht es direkt weiter

Doch mit besinnlicher Weihnachtsstimmung ist ab dem ersten Feiertag schon wieder Schluss, denn die rund 30 Verkaufsstände müssen schnell wieder abgebaut und beräumt, eventuelle Restbäume abtransportiert werden. Ende Januar fährt Karin Lorenz dann zur Christmasworld nach Frankfurt/Main, um fürs nächste Weihnachtsfest Trends zu erhaschen und Deko auszusuchen, die es dann im Weihnachtsladen zu kaufen gibt.

Und im Frühjahr starten Pflanzung, Hege und Pflege der Bäume fürs Geschäft im kommenden Winter. Zugleich wird weiter an der Idee von einem ganzjährigen Weihnachtserlebnis auf dem Tannenhof gearbeitet ähnlich dem im finnischen Rovaniemi am Polarkreis, das sich Gerald Mai angeschaut hat. Geplant ist u. a. ein großer Hofladen mit Gastronomie, der in drei Jahren eröffnen soll.