Axel Gericke betreibt in Lübars einen Pferdehof, wirtschaftet auf knapp 50 Hektar. (c) Sabine Rübensaat

Pferdehof in Lübars: Landwirtschaft in Berlin

Er betreibt in Lübars einen Pferdehof, wirtschaftet auf knapp 50 Hektar, ist Vorsitzender des Landesverbandes Landwirtschaft und Pferdehaltung Berlin. Axel Gericke über Hofnachfolge, Hunde, fehlende Lobby.

Von Jutta Heise

Wer die Frage nach der Zukunft stellt, muss sich ein Bild vom Jetzt machen. Seinen Pferdehof, sagt Axel Gericke, wird es wohl in zehn Jahren nicht mehr geben. Kein Nachfolger! Leider, sagt der Landwirt, es klingt wie ein Vorwurf an sich selbst, habe er seinen beiden Kindern nicht vermitteln können, was für eine tolle Branche das sei, in der man mit der Natur, mit Tieren arbeite, darin Erfolg und Befriedigung finde.

Und das selbst in Berlin, wo die Böden mit weniger als 20 Bodenpunkten schlecht sind. Sohn wie Tochter, sie begeisterte Reiterin, sind in anderen Berufen glücklich geworden. Wie ihm, sagt Gericke, gehe es etlichen Kollegen. Und überhaupt, mit diesem Problem lebt die Branche landauf, landab.

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Pferdehof in Lübars: Gute Nachbarschaft und Berufskollegen

In Gerickes Fall ist die Sache, gottlob, noch nicht komplett entschieden. Immerhin würde er an seinem Zweitstandort in Nauen auf 100 ha weiter wirtschaften können: Den väterlichen Hof hat er 1990 zurückkaufen können. Und er lobt die gute Nachbarschaft zu den dortigen Berufskollegen.

Gericke sitzt seit Anfang 2000, also seit dessen Gründung, dem Landesverband Landwirtschaft und Pferdehaltung Berlin vor. Der hat aktuell gut 40 Mitglieder, 22 davon betreiben aktive Landwirtschaft. Ein Betrieb hat gerade sein Milchvieh abgeschafft – nun sind es nur noch zwei mit diesem Produktionszweig; Schweinehaltung gibt es überhaupt nicht mehr.

Mindestens 80 Prozent, so Gericke, bieten Freizeit- und Sportreiten an, im Neben- oder Haupterwerb wie er. Sein Pferdehof verfügt über 44 Hektar Pachtland. Auf 18 Hektar Acker baut er Roggen, Weizen, Hafer und Raps an. Ein Teil des Getreides geht in den Verkauf nach Berlin, anderes dient wie das Heu von seinen Wiesen als Futter für seine Gastpferde.


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Reithalle und Pferdeboxen

Gericke stellt 30 Boxen zur Miete zur Verfügung, eine helle, verspiegelte Reithalle 20 m x 40 m, ein beleuchtetes Außenviereck, Weiden von Mai bis Oktober. Das sei Standard. Die Nase weiter vorn hat, wer noch über eine moderne überdachte Longieranlage oder, derzeit gefragt, Außenboxen mit einem Paddock davor anbietet. Das kann er aus Platzgründen nicht leisten. Könnte er die Zahl der Boxen auf 50 erweitern, würde er effizienter wirtschaften. Doch der Bau der Reithalle war mit der seinerzeit genehmigten, geringeren Boxen-Anzahl verknüpft. Daran lässt sich nicht rütteln, obwohl der Bedarf vorhanden ist.

Gericke, Jahrgang 1958, hat hautnah erlebt, wie schnell eine Branche wie die Landwirtschaft, stadtnah zumal, immer wieder Umbrüchen unterworfen ist, es jedoch als Anstoß gesehen, neue Ufer zu erschließen. Sein Vater betrieb einen Andreas-Hermes-Hof der Deutschen Bauernsiedlung, seinerzeit nach den neuesten Erkenntnissen errichtet und bewirtschaftet, als Demonstrationsobjekt moderner Landwirtschaft. Doch der kleine Hof ernährt nur seine beiden Brüder.

Er sucht eine Alternative, findet 1986 diese leerstehende Gärtnerei auf 1,7 ha, auf der der studierte Gartenbauingenieur bis heute wirtschaftet, baut Kräuter für den Berliner Markt an, Salate, Spinat: Frischer geht’s nicht. Es lief. Gericke will mit der Zeit gehen, startet mit einem kleinen Ab-Hof-Verkauf – Pionierarbeit. Die noch nicht greift.

Wirtschaften in geschützten Gebieten

Zur Wende werden ausländische Saisonarbeiter, die er auf seinen Gemüsefeldern braucht, nicht mehr zugelassen. Einheimische Fachkräfte für den üblichen Stundenlohn einzustellen, kann er sich nicht leisten. Seinen Liefervertrag für Frischgras und Luzerne mit dem Berliner Zoo wird er an günstigere Anbieter los. Es gilt, völlig neu zu denken. Seine Frau Gitta ist eine erfolgreiche Reiterin, Impuls, den Pferdehof aufzubauen.

Zumal in der näheren Region traditionelle Tierhaltung kaum weiter geduldet wird, „nur das Pferd wird noch akzeptiert“, so Gericke. Dass das Wirtschaften in geschützten Gebieten seine eigenen Gesetze hat, damit geht Gericke seit Jahren um. „Meine 6 ha Weiden liegen im Landschaftsschutzgebiet, es darf weder gedüngt noch gespritzt werden. Auf solchen Flächen können die Tiere nur vier Stunden täglich Weidegang haben, wenn Sie die Narbe nicht beschädigen wollen.“ Ein Wettbewerbsnachteil.

Keine Verbindung mehr zur Landwirtschaft

Fast in Steinwurfnähe – Berlins älteste Wohnhaussiedlung, das Märkische Viertel, Satellitenstadt für 50.000 Bewohner. Wer die Natur vor der Haustür hat, erholt sich gern in Wald und Wiese und – auf Gerickes Feldern. Problematisch sei das immer gewesen, doch zu Coronazeiten wächst das Ungemach in gigantische Dimensionen.

„Die Leute sind in ihrer Mobilität eingeschränkt, weichen auf die unmittelbare Umgebung aus, wir erleben einen Massenansturm.“ Man lässt Drohnen fliegen und Paraglider, Spaziergänger zertrampeln die Äcker, machen sie zum Müllabladeplatz, zum Hundeauslaufgebiet. „Die Berliner Bevölkerung hat keine Verbindung mehr zur Landwirtschaft, tritt unsere Arbeit mit Füßen, ohne jedes Schuldbewusstsein, uneinsichtig, konfrontativ.“ Das Ordnungsamt agiert wenig effizient.

„Wir alle sind Landwirte mit Leidenschaft. Anderenfalls wären wir nicht mehr da“, tritt Gericke nicht nur für die Mitglieder des Landesverbandes ein. „Zugleich erwarten wir mehr Unterstützung von der Politik.“ Administrativ sei man zwar im Brandenburger Landwirtschaftsministerium angesiedelt und dort auch willkommen, doch seien die Interessen, das liege in der Natur der Sache, sehr unterschiedlich akzentuiert.

Viele Verordnungen seien auf das Flächenland ausgelegt. „Sie müssten auf unsere Berliner Strukturen heruntergebrochen werden.“ Hin und wieder lasse sich zwar ein Politiker vor Ort sehen, und einmal im Jahr könne man sich bei der Staatssekretärin für Verbraucherschutz und Antidiskriminierung des Senats Luft machen, der die grüne Berliner Branche zugeordnet ist. Die Atmosphäre sei freundlich, doch in Sachfragen komme man nicht zueinander, spreche keine gemeinsame Sprache. „Wir haben das Gefühl, jeder sitzt auf einem anderen Stern.“

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