Leindotter entwickelt sich relativ schnell, sodass unter optimalen Bedingungen keine Unkrautbekämpfungsmaßnahmen erforderlich sind. (c) Andrea Biertümpfel

Leindotter: Vom Unkraut zur Ölpflanze

Vor Jahrhunderten als Begleitpflanze eingeschleppt, dient er heute als Mischungspartner in Blüh- und Zwischenfruchtmischungen. Inzwischen ist der Leindotter eine echte Nutzpflanze.

Von Andrea Biertümpfel & Torsten Graf, TLLLR

Leindotter stammt ursprünglich aus Südwestasien. Er wurde aber bereits vor Jahrhunderten als Beiflora in Europa eingeschleppt und später als Ölpflanze genutzt. Hier zeichnet sich aufgrund seiner Fettsäurezusammensetzung aus überwiegend ungesättigten Fettsäuren und hohen Anteilen an Alpha-Linolensäure in den letzten Jahren ein steigender Bedarf, vor allem aus dem Ökosektor, ab. Auch in Saatgutmischungen, z. B. für den Zwischenfruchtanbau oder in Blühmischungen, ist der Leindotter zu finden.

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Leindotter: Toleranz gegenüber Klima und Boden

Anders als der Name vermuten lässt, ist Leindotter nicht mit dem Lein verwandt, sondern gehört zur Familie der Kreuzblütengewächse. Es gibt sommer- und winterannuelle Formen, wobei Letztgenannte hauptsächlich in wärmeren Regionen wie Spanien oder England zum Anbau kommen. Die nachfolgenden Ausführungen beziehen sich ausschließlich auf Sommerleindotter.

Leindotter ist sehr gut an die klimatischen Bedingungen Mitteleuropas angepasst, und seine Jungpflanzen weisen eine gute Spätfrostverträglichkeit auf. Auch bezüglich des Bodens ist die Pflanze anspruchslos, wobei humose Böden mit guter Nährstoffversorgung besonders günstig sind. Leindotter toleriert aber auch schlechtere Standorte, z. B. Vorgebirgslagen und trockene Bedingungen. Probleme bereitet Staunässe, die auch in extrem feuchten Jahren zum Problem werden kann. Wie die meisten Kreuzblütler ist Leindotter hinsichtlich der Fruchtfolge bzw. der Vorfruchtwahl eher anspruchslos. Unkraut unterdrückende Eigenschaften der Vorfrucht sollten aufgrund der Zulassungssituation im Herbizidbereich Berücksichtigung finden. Die Pflanze ist nicht selbstverträglich, und auch zu anderen Kruziferen sind Anbaupausen von vier Jahren einzuhalten.

Als Nachfrucht bietet sich Getreide an, um eventuellen Durchwuchs bekämpfen zu können. Da Ausfallsamen nach der Ernte aber schnell keimen und Leindotter über Winter in der Regel auch abfriert, ist die Durchwuchsgefahr relativ gering.

Leindotter
© Andrea Biertümpfel

Am Markt sind Sorten verfügbar

Vom Leindotter ist eine Reihe von Sorten erhältlich. Zu nennen wären hier beispielsweise Ligena, Dolly und Calena. Über einen aktuellen Sortenschutz verfügen gegenwärtig die Sorten Eica und Sonny. Ein weiterer Stamm ist im letzten Jahr zur Prüfung beim Bundessortenamt angemeldet worden. Im Jahr 2022 beginnen an zwei Standorten des TLLLR Sortenversuche, um die der am Markt verfügbaren Sorten hinsichtlich ihrer Anbaueignung für Thüringen zu prüfen.

Praxisversuch Leindotteranbau
Wir wollen 2022 einen Betrieb durch die Saison begleiten und regelmäßig vom Versuch berichten. Dabei soll es nicht nur um Aussaat und Ernte, sondern auch um Absatzwege und Verwendungsmöglichkeiten gehen. ep

Beim Bezug von Saatgut ist zu beachten, dass die Art nicht dem Saatgutverkehrsgesetz unterliegt. Deshalb wird Leindottersaat nicht mit amtlichen Etiketten versehen bzw. kategorisiert. Ist Leindotter jedoch Bestandteil einer Saatgutmischung, z. B. für den Zwischenfruchtanbau, so ist diese Saatgutmischung mit einem grünen Etikett und einer Mischungsnummer gekennzeichnet (ausgenommen hiervon sind Kleinpackungen).

Feines Bett, frühe Saat: Schlüssel zum Erfolg

Bei der Bodenbearbeitung muss berücksichtigt werden, dass der Leindotter mit einem Tausendkorngewicht von 0,8 bis 1,6 g sehr feine Samen hat. Das Saatbett muss feinkrümelig und rückverfestigt sein, Verdichtungen sind zu vermeiden und die Bodenfeuchtigkeit zu erhalten.

Entscheidend für einen erfolgreichen Anbau ist eine möglichst frühe Aussaat von Mitte März bis Anfang April. Leindotter gehört zu den Langtagspflanzen und benötigt zur Erzielung hoher Kornerträge einen gut ausgebildeten Blattapparat. Spätfröste bis -5 °C tolerieren die Jungpflanzen problemlos. Die Saatstärke beträgt 5 bis 7 kg/ha, was bei dem bereits erwähnten Tausendkorngewicht etwa 400 bis 600 Samen/m² entspricht. Gesät wird möglichst flach, ca. 0,5 bis 2 cm tief mit üblichen Drillmaschinen für Feinsämereien.

Der Reihenabstand richtet sich vorrangig nach der geplanten Pflege und kann von 13,5 bis 30 cm variieren. Wichtig ist auch das Walzen nach der Saat, um einen guten Bodenschluss und damit eine Wassernachlieferung aus tieferen Bodenschichten für die Keimung zu gewährleisten. Leindotter entwickelt sich relativ schnell, sodass unter optimalen Bedingungen keine Unkrautbekämpfungsmaßnahmen erforderlich sind. Aktuell ist die einmalige Anwendung von Butisan im Nachauflaufverfahren mit einer Aufwandmenge von 1,5 l/ha erlaubt. Auch eine Bekämpfung von Ungräsern bzw. Ausfallgetreide mit Graminiziden ist möglich.

Wegen des aufrechten Wuchses der Jungpflanzen und des dichten Saatbandes lässt sich Leindotter sehr gut maschinell hacken. Diese Pflegemöglichkeit sollte unbedingt in Betracht gezogen werden. Erdflöhe können, insbesondere bei trockenen Bedingungen während des Auflaufens, Probleme verursachen.

Das Problem Rapsglanzkäfer

Die Blüte fällt in der Regel mit der zweiten Welle des Rapsglanzkäfers zusammen, der durch den Knospenfraß erhebliche Schäden hervorrufen kann. Zugelassene Insektizide stehen zur Verfügung. Pilzliche Schaderreger treten weniger häufig auf, lediglich Falscher Mehltau kann bei feuchter Witterung bzw. in humiden Gebieten ertragsrelevant werden. Über den aktuellen Zulassungsstand bzw. die Möglichkeit der Erteilung von Genehmigungen nach § 22 (2) informieren auch die zuständigen Pflanzenschutzstellen.

Ganz ohne Nährstoff geht es nicht

Die Vorgaben der aktuellen Düngeverordnung sind bei der Düngebedarfsermittlung zwingend zu beachten. Bei ausreichender Versorgung des Bodens – Versorgungsstufe C – besteht kein Grunddüngungsbedarf und die Nährstoffentzüge können im Rahmen der Fruchtfolgedüngung ersetzt werden. Bei einem Ertragsniveau von 20 dt/ha entzieht der Leindotter 15 bis 20 kg/ha Phosphor, 60 bis 70 kg/ha Kalium und 5 bis 7 kg/ha Magnesium.

Zur Bemessung der mineralischen Stickstoffgabe sind die Nmin-Werte des Bodens im Frühjahr bis 60 cm Tiefe einzubeziehen. Der N-Bedarfswert beträgt 110 kg/ha. Bei durchschnittlichen Nmin-Gehalten von 30 bis 50 kg/ha beträgt die Düngung in der Regel 80 bis 60 kg N/ha. Da der Leindotter eine relativ kurze Vegetationszeit aufweist, empfiehlt sich die Applikation in einer Gabe zur Aussaat. Eine organische Düngung ist im Rahmen der Fruchtfolge möglich, sollte aber wegen der unkontrollierten N-Freisetzung nicht direkt vor der Kultur erfolgten.

Nach einer Vegetationszeit von 100 bis 115 Tagen ist der Leindotter Ende Juli bis Mitte August erntereif. Die Pflanze reift weitgehend gleichmäßig ab und die Schoten sind relativ platzfest, sodass auf die Mähdruschreife gewartet werden kann. Eine zügige Fahrgeschwindigkeit, ein schwacher Haspeleingriff und eine moderate Windeinstellung halten die Druschverluste gering und gewährleisten ein sauberes Erntegut. Die optimale Feuchte des Erntegutes beträgt maximal neun Prozent. Sind die Werte höher, muss nachgetrocknet werden. Die Erträge schwanken zwischen 12 und 20 dt/ha. In den Versuchen des TLLLR an den Standorten Dornburg und Kirchengel wurden im Mittel der Jahre 12,0 bzw. 15,6 dt/ha geerntet (Abb. 1).

Mal ein anderes leckeres Öl

Leindottersaat enthält ca. 40 % Öl, das aufgrund des hohen Anteils an mehrfach ungesättigten Fettsäuren sowie Omega-3-Fettsäuren ernährungsphysiologisch wertvoll ist. Durch die enthaltenen Senföle hat das Öl einen spezifischen Geschmack. Im Gegensatz zu Leinöl, das leicht nussig schmeckt, erinnert Leindotter eher an Erbse oder Rucola. Im chemisch-technischen Bereich wäre eine Nutzung zur Herstellung von Farben und Lacken möglich. Ein durchschnittliches Fettsäuremuster der in den Versuchen erzeugten Leindottersaat gibt Abb. 2 wider.

Warum sich der Leindotteranbau lohnt

Leindotter lässt sich problemlos mit herkömmlicher Technik anbauen und ernten. Er ist relativ anspruchslos, schnellwüchsig und wird während der Blüte von zahlreichen Insekten besucht. Aufgrund dieser Eigenschaften eignet er sich sowohl als Brachebegrünung, Bestandteil in Blühmischungen, als Zwischenfrucht als auch als Druschfrucht zur Gewinnung eines hochwertigen Nahrungsöls. Eine Erzeugung zur letztgenannten Verwendung ist mit der höchsten Wertschöpfung verbunden, sollte aber wegen des relativ begrenzten Marktes und des Absatzrisikos im Vertragsanbau vorgenommen werden.