Tilo Kummer: „Wir wollen Kürzungen bei der Ausgleichszulage abmildern“
Zwischen Artenschutz und finanziellen Engpässen: Naturschutzverbände in Thüringen werfen Landesumweltminister Tilo Kummer (BSW) Kürzungen von Naturschutzmitteln zugunsten der Landwirtschaft vor. Wir haben mit ihm über die brisante Lage und die Existenznöte der Grünlandbewirtschafter in den benachteiligten Gebieten gesprochen.
Bauernzeitung: Herr Minister, die Landesverbände von BUND, Nabu, Grüne Liga und AbL werfen Ihnen vor, Finanzmittel für den Naturschutz zu kürzen und in die Landwirtschaft umschichten zu wollen. Es sei fünf vor zwölf – man forderte Sie auf, Abstand von den Plänen zu nehmen. Was ist dran an den Vorhaltungen?
Tilo Kummer: Es ist in der Tat fünf vor zwölf in einigen Bereichen des Artenschutzes. Es läuft ein Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission gegen Deutschland wegen des schlechten Zustands unserer Bergwiesen.

© TMUENF
Der Bund unterstützt uns hier mit Naturschutzgroßprojekten, im Oktober dieses Jahres läuft ein neues in Thüringen an. Wertvolles Grünland, das Landwirte bewirtschaften und pflegen, finden wir in Thüringen vor allem in den benachteiligten Gebieten. Ohne die Pflege durch die Landwirtschaft gäbe es bestimmte Biotope gar nicht. Hier gab es die Absicht der Vorgängerregierung, die Ausgleichszulage von 20 Millionen Euro auf zwölf Millionen Euro ab dem Jahr 2026 abzusenken, was Grünlandbetriebe treffen würde. In Gesprächen mit Landwirten in der Rhön über die Ausweitung der Pflegezone im Biosphärenreservat bin ich ebenso um Hilfe gebeten worden. Hinzu kommt gleichzeitig die Aufgabe, in den beiden kommenden Haushaltsjahren Einsparungen zu erbringen.
Und die wollen Sie jetzt bei den Naturschutzverbänden erbringen?
Mit der Trennung des Landwirtschafts- und Umweltressorts im Jahr 2014 sind erhebliche Mittel aus dem Agrarbereich in den Naturschutz umgeschichtet worden. Wir planen, zwei Millionen Euro in den Agrarbereich zurückzuschichten. Es geht um die Existenz der Grünlandbewirtschafter, die etwa mit dem Wolf vor neue Herausforderungen und Kosten gestellt werden. Die Einnahmen gehen dort zurück, und da wollen wir helfen.
Naturschutz: Verbände protestieren
Bei einer Protestaktion am 16. Juni vor dem Thüringer Umweltministerium haben Naturschutzverbände einen Stopp geplanter Haushaltskürzungen im Naturschutzetat gefordert. Verbandsvertreter übergaben einen offenen Brief an Umweltminister Tilo Kummer (BSW).
Konkret wird u. a. die Weiterführung der Förderprogramme „Entwicklung von Natur und Landschaft (ENL)“ und des Naturlandschaftsprogramms (NALAP) angemahnt. Zudem soll das Umweltministerium die langfristige Finanzierung der Natura-2000-Stationen absichern.
In einer Mitteilung hieß es, dass das Argument einer Umverteilung der Mittel hin zu einer naturschutzgerechten Landnutzung unrealistisch sei: „Renaturierung, Biotoppflege oder artenreiche Kleinflächen lassen sich nicht im industriellen Agrarbetrieb umsetzen“, so die Verbände in ihrer gemeinsamen Erklärung. Mit Blick auf die EU-Wiederherstellungsverordnung erklärte der Chef des Landes-BUND, Dr. Burkhardt Vogel, dass Thüringen funktionierende Strukturen brauche. Michael Grolm (AbL) wurde mit den Worten zitiert, dass es ein Irrweg sei, die Landwirtschaft mit Mitteln des Naturschutzes zu unterstützen. Landwirtschaft und Naturschutz dürften nicht gegeneinander ausgespielt werden. red
Biotopgrünland-Förderung: Aufstockung auf 15 Mio. Euro
Heißt das, dass die Ausgleichszulage ab 2026 weniger stark zurückgefahren wird als geplant?
Das ist unsere Absicht, darüber beraten wir derzeit gemeinsam mit dem Agrarministerium, das ebenso noch Mittel in die Ausgleichszulage umzuschichten versucht. Wir hoffen darüber hinaus, die Mittel für die Biotop-Grünlandförderung von derzeit 13,5 Millionen Euro auf 15 Millionen Euro erhöhen zu können. Wir wollen und müssen diese Biotope erhalten, bei der etwa Landschaftspflegeverbände die Vorarbeit leisten und Landwirte hiernach die Pflege beziehungsweise Bewirtschaftung fortführen, was für mich den Idealfall darstellt.
Naturschutzförderung in Thüringen: Prioritäten und Effizienz im Fokus
Müssen dafür großflächig Naturschutzprojekte „bluten“?
Wir halten an den zentralen Aufgaben fest. So werden wir beispielsweise Pflegemaßnahmen in FFH-Gebieten, wie sie die Managementpläne vorsehen, weiter finanzieren. Auch wollen wir die Arbeit der Natura-2000-Stationen weiter unterstützen. Wir suchen hier nach einer Lösung, um die Projektförderung effizienter zu gestalten. Und ja: Es gab in der Vergangenheit auch einzelne Projektförderungen für Naturschutzverbände, die wir so nicht weiterführen wollen, weil sie aus unserer Sicht nicht zielgerichtet genug sind.

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