Im Wildgatter kommt es immer wieder durch Wölfe zu tödlichen Angriffen. Symbolbild (c) IMAGO / Reiner Bernhardt

Wolfsattacken im Wildgatter Krappe hören nicht auf

Immer wieder ist das Wildgatter Krappe von Wölfen heimgesucht worden. Eine erteilte Entnahmegenehmigung wurde widerrufen. Halter Ralf Nahrstedt erwägt nun aufzugeben.

Von Karsten Bär

An einer Stelle war der Zaun nur ein paar Zentimeter niedriger als die Vorgaben es verlangen. Doch das reichte, um die Entnahme eines der Wölfe, die wiederholt ein Wildgatter in Krappe bei Löbau heimgesucht hatten, scheitern zu lassen (Bauernzeitung 9/2021, S. 10). All jene, die die Weidehaltung in Sachsen durch einen viel zu nachsichtigen behördlichen Umgang mit problematischen Wölfen gefährdet sehen, fanden ihre Befürchtungen bestätigt.

Man suche förmlich nach einem Fehler des Tierhalters, um eine Entnahme von Wölfen zu verhindern, machte Gunther Zschommler, Vizepräsident des Sächsischen Landesbauernverbandes (SLB), seinem Unmut Luft. Und auch beim Sächsischen Schaf- und Ziegenzuchtverband zeigte man sich empört: Die Verantwortlichen im Freistaat opferten die „sächsische Weidetierhaltung zugunsten einer bereits fest etablierten Wolfspopulation in Sachsen“, so Vorstandsmitglied Regina Walther.

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Wölfe überwinden Festzaun

Seit Anfang November sind Wölfe immer wieder in das Wildgatter von Ralf Nahrstedt aus Krappe eingedrungen und haben das dort gehaltene Damwild gerissen. 31 Tiere habe er inzwischen verloren, erzählte er Anfang voriger Woche. „Anfangs haben wir nicht gewusst, wie sie reinkommen“, berichtet er. Mit dem Rissbegutachter von der Fachstelle Wolf habe man den Zaun abgesucht und keine Zutrittsstelle gefunden.

Unter dem Zaun hatte sich der Wolf durchgraben wollen, die Spuren habe man gefunden, so der Wildhalter. Doch der vorschriftsmäßige Untergrabschutz verhinderte dies. Dass die Raubtiere über den stabilen Festzaun ins Gatter gelangten, bewiesen schließlich sogar Aufnahmen von Wildkameras, die die Fachstelle installiert habe. „Die nutzen den Zaun wie eine Leiter“, gibt Ralf Nahrstedt zu verstehen.

Er ist sich sicher: Auch wenn der Zaun 1,80 m hoch oder noch höher ist, hindert dies die Wölfe nicht mehr daran, ins Gehege einzudringen. „Die haben das einmal gelernt und machen das immer wieder.“ Erst Ende Februar gab es wieder einen Übergriff. Dass der insgesamt zwei Kilometer lange Zaun, wie von der Fachstelle festgestellt, durch leichte Neigung nach außen zehn bis 20 cm niedriger ist, als die geforderten 1,80 m, sei dafür nicht mehr maßgeblich.

Ursprünglich habe der Festzaun eine Höhe von 1,90 m gehabt. Doch das Gelände sei bucklig, Wind und Wetter wirkten auf das Material ein, die Spannung der Drähte müsse immer wieder erneuert werden. Wer eine Stelle finden will, der finde sie auch, macht Nahrstedt deutlich.

Hohe Ansprüche an den Wolfssicheren Zaun

In Sachsen erfüllt eine Festzaunhöhe von 1,20 m mit festem, bodengleichem Abschluss die Mindestanforderung an den Herdenschutz. Um jedoch nach Sächsischer Wolfsmanagement-Verordnung die Voraussetzungen für eine Entnahme eines Wolfes zu erfüllen, muss dieser den sogenannten „zumutbaren Schutz“ überwunden haben.

Bei Festzäunen sind dies eine Höhe von mindestens 1,80 m und Untergrabschutz, der mit Erdankern befestigt oder 50 cm tief in den Boden eingelassen sein muss. Durch den von der Fachstelle festgestellten Schwachpunkt, an dem über etwa fünf Meter Zaunlänge die Höhe nicht erreicht wird, entfällt diese Voraussetzung. Behoben war sie schnell – das Verfahren, wieder eine Entnahmegenehmigung zu erwirken, beginnt indes von vorn.

Das dauere vermutlich bis zum Frühjahr, wenn ein Abschuss nicht mehr möglich ist, weil die Wölfe Welpen haben, befürchtet Ralf Nahrstedt. Selbst wenn es schneller ginge – bis dahin kommen die Raubtiere wieder und wieder.

Wölfe haben ein offenkundig problematisches Verhalten erlernt, können aber nicht entnommen werden – beim betroffenen Tierhalter löst das Resignation aus. „Ich fühle mich hilflos, ich kann nichts machen“, gibt er zu verstehen. Flatterband am Zaun wirke maximal ein paar Tage abschreckend. Strom an den Zaun anzulegen, sei wirtschaftlich nicht vertretbar.

Und dies auch im Fall einer Förderung, so Ralf Nahrstedt, „denn es sind auch Steuergelder in Größenordnungen von mehreren Zehntausend Euro, die versenkt werden würden.“ Mit den Folgekosten müsse er anschließend allein zurechtkommen.

Zudem befürchtet er unklare Haftungsfragen bei einem stromführenden Wildzaun – schließlich kommen häufig Kinder ans Gatter, um das Damwild zu füttern. Eine stromführende Litze am oberen Ende des Zaun würde indes Probleme beim Ersetzen von Pfählen nach sich ziehen. „Eigentlich kann ich nur noch aufgeben“, zeigt sich der Wildhalter entmutigt.

BUND will Abschuss juristisch verhindern

Währenddessen hat der sächsische Landesverband des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) deutlich gemacht, wo er seine Prioritäten sieht. Die Organisation teilte mit, dass sie Mitte Februar einen gerichtlichen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz eingereicht habe, „um die Tötung des Wolfes einstweilen auszusetzen, bis die Sach- und Rechtslage abschließend geprüft ist.“

Zugleich beklagte sich der BUND, dass ihm vom Landratsamt Görlitz, das die Ausnahmegenehmigung für die Entnahme erteilte, Einsicht in die Akten verweigert wurde. Ohne mehr Transparenz lasse „sich der gesellschaftliche Konflikt zwischen dem Artenschutz für den Wolf und der ebenfalls nötigen Freiland Tierhaltung nicht befrieden.“

Es habe sich gezeigt, „dass der Landkreis Görlitz die Tötung eines Wolfes nicht genehmigen darf und stattdessen der Herdenschutz zu verstärken ist“, so der Landesvorsitzende Felix Ekardt. Fast wortgleich wird in einer Pressemitteilung der den BUND vertretenden Anwaltskanzlei die Fachanwältin für Verwaltungsrecht Franziska Heß zitiert, die zugleich stellvertretende Vorsitzende des BUND-Landesverbandes ist.

Die Argumentation des BUND dürfte Ralf Nahrstedt bekannt vorkommen. Von anderen Organisationen, die den Schutz des Wolfes zu ihren Zielen zählen, habe er gehört: Wenn Landwirte ihre Weidetiere nicht schützen können, müssten sie eben aufhören. Der Wildhalter meint: „Im Prinzip bleibt mir nichts anderes mehr übrig.“

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