Protest vor dem Landtag: Zum inzwischen sechsten Mal hatte LsV Sachsen zu einer Demonstration in Dresden mobilisiert. (c) Karsten Bär

LsV Sachsen Demo in Dresden: Landwirte wütend

Mit einer Demonstration vor dem Landtag machten Landwirte ihrem Ärger über das Agrarzahlungsdebakel Luft. Das Ministerium verspricht, an Übergangslösungen zu arbeiten.

Von Karsten Bär

Sachsens Landwirte müssen auf ihre Agrarzahlungen bis Ende Februar nächsten Jahres warten – die vorletzte Woche angekündigte Verzögerung der Auszahlung fest eingeplanter Gelder hat zu Verärgerung und Kritik am sächsischen Landwirtschaftsministerium geführt. Verbändeübergreifend wurde vor den Folgen dieser Verzögerung für die wirtschaftliche Situation der Betriebe gewarnt und das Ministerium zum Handeln aufgefordert. Für den Sächsischen Landesbauernverband (SLB) erklärte dessen Vizepräsident Hans-Uwe Heilmann, man werde die Verzögerung angesichts des Drucks, der bereits auf den Landwirten laste, nicht akzeptieren.

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LsV Sachsen Demo in Dresden: „Unzulänglichkeiten zügig beenden“

Hartwig Kübler, Vorsitzender des Verbandes der Familienbetriebe Land und Forst Sachsen und Thüringen, forderte, die Abwicklung der Zahlungen schnell vorzunehmen und unkompliziert Übergangslösungen zur Verfügung zu stellen. Mike Krause, Vorsitzender von Land schafft Verbindung Sachsen (LsV Sachsen), sprach von „Politikversagen“ und forderte, „diese Unzulänglichkeiten im sächsischen Landwirtschaftsministerium zügig zu beenden“. Damit seien auch personelle Konsequenzen gemeint. Auch die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), die eher der Partei von Agrarminister Wolfram Günther (Grüne) nahesteht, äußerte Kritik. Der Minister hätte die Hiobsbotschaft den Betrieben selbst überbringen müssen, so Josephine Moog, stellvertretenden Vorsitzende der AbL Mitteldeutschland. Das „Bürokratieversagen“ zeige zudem die enorme Abhängigkeit von IT-Systemen, die im Zweifel die Landwirte ausbaden müssten.

Parallel zu einer Sondersitzung des Agrarausschusses, auf der sich Minister Günther erklären musste, demonstrierten Mittwoch voriger Woche gut hundert Landwirte mit etlichen Traktoren vor dem Landtag in Dresden. Aufgerufen hatte LsV Sachsen, dessen Vertreter ihrem Ärger vor den Demonstranten Luft machten. Die Verspätung der Agrarzahlungen sei existenzbedrohend, beklagte Paul Kompe vom LsV-Vorstand. Die Betriebe bräuchten bis Jahresende das Geld auf dem Konto. „Mit Krediten lassen wir uns nicht abspeisen“, so der Landwirt.

Leistung bestellt, aber nicht bezahlt

„Sachsen hat eine bessere Landwirtschaftspolitik und einen besseren Landwirtschaftsminister verdient“, brachte LsV-Mitglied Olaf Kranen zum Ausdruck. Die Politik habe Leistungen bestellt, die von den Landwirten erbracht wurden, bezahle diese nun aber nicht fristgerecht. „Das ist ungeheuerlich!“, so der Landwirt aus der Lommatzscher Pflege. LsV-Vorstandsmitglied Hagen Stark kritisierte, dass von den Landwirten fristgerechte Anträge erwartet werden, der Staat aber seine eigenen Fristen überschreite. „Die Politik bindet uns mit ihrer Bürokratie die Schnürsenkel zusammen und erwartet dann große Sprünge“, brachte es Marko Birnstengel auf den Punkt. Marc Bernhardt vom Vorstand von LsV Deutschland kritisierte das personell aufgeblähte Agrarministerium. Das bisher gut funktionierende Antragsportal Diana.Web bereite seit einem Jahr nur noch Probleme. Alle Kritik könne man jedoch nicht beim sächsischen Agrarminister abladen, es gebe auch bundesweite Entwicklungen, die zu der Situation beigetragen haben.

Hoffen auf eine Zwischenlösung

Während der Agrarminister abgelehnt hatte, selbst vor den Landwirten zu reden, traten auch einige Abgeordnete aus dem Agrarausschuss vor die Landwirte. Georg-Ludwig von Breitenbuch (CDU) sagte, die Förderung sei komplex, teils widersprüchlich und das Antragsverfahren kompliziert. Das dafür nötige IT-System werde auch aufgrund des Mangels an geeigneten Programmierern nicht rechtzeitig bereitstehen, um die Auszahlung der Mittel im Dezember zu ermöglichen. Es sei ärgerlich, so von Breitenbuch, dass der Minister nicht eher informiert habe. Dies hätte den Betrieben mehr Zeit verschafft, sich besser darauf einzustellen. „Wir wollen unkomplizierte Zwischenlösungen“, so der Abgeordnete, der selbst Landwirt ist.

Begründungen überzeugen nicht

Der Fraktionsvorsitzende der AfD im Landtag, Jörg Urban, sagte, die Landwirtschaftspolitik in Sachsen funktioniere nicht. Er griff dabei auch die CDU an und kritisierte, dass diese den Grünen das Agrarressort überlassen habe. Während das Ministerium von erfolgreichen Programmen für Balkonkraftwerke rede, funktioniere die Förderung der Landwirtschaft nicht. Die Begründungen für die Verzögerungen seien aus seiner Sicht nicht überzeugend.

Als ein „9/11“ für die sächsische Landwirtschaft bezeichnete Andreas Heinz die Verzögerung der Auszahlungen. Nach Dafürhalten des agrarpolitischen Sprechers der CDU-Fraktion ist die Verzögerung auch durch besonders detaillierte Regelungen entstanden, die Sachsen in die Zweite Säule der Agrarförderung aufgenommen habe. Ein Beispiel dafür sei, wenn mehrere verschiedene Teilkulissen von teils nur 0,1 ha Größe auf einem Schlag liegen. In anderen Bundesländern sei dies einfacher gelöst. Die Frage nach der politischen Verantwortung für das Scheitern in der Agrarförderung werde man indes erst stellen, wenn man wisse, ob die anderen Bundesländer pünktlich zahlen.

Zwar nicht im Landtag vertreten, aber zu Landwirtschaftsthemen oft mit klarer Position vernehmbar, kritisierte auch die FDP-Landesvorsitzende Anita Maaß das sächsische Agrarförderungsdebakel. Das Ministerium könne sich nicht mit den Vorgaben der EU herausreden. Wenn digitale Lösungen nicht funktionieren, müsse man auf Stift und Papier zurückgreifen. Aus Sicht ihrer Partei sei der Minister nicht für sein Amt geeignet und man fordere daher seinen Rücktritt.

Günther selbst begründet die Verzögerung mit der erst spät vorliegenden Rechtsetzung für die neue Förderperiode, zugleich viel komplexeren Vorgaben und eingeschränkten Ressourcen mit Blick auf IT-Fachkräfte (S. 17).

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