BSZ für Agrarwirtschaft und Ernährung: Ein Ort für Siegertypen
Ein Ort für Siegertypen und alle, die es werden wollen. Auf zwei Standorte verteilt, unterbreitet das Berufliche Schulzentrum für Agrarwirtschaft und Ernährung Dresden Bildungsangebote in fünf Fachbereichen. In Altroßthal sind die Grüne Sparte und das Berufliche Gymnasium zu Hause. Ihr Slogan: „Wir sind bildend, wir sind grün, wir sind innovativ, wir sind Klimaschule.“
Von Jutta Heise
Die Stimmung ist verhalten. Am Regen kanns nicht liegen, der sollte Landwirte Ende März eher freuen, auch wenn sie erst am Anfang ihres Berufsweges stehen. Ah, gestern war Vorprüfung. Für manchen ein Grund zum Grübeln?
Oder missdeuten wir, was eigentlich volle Konzentration ist? – Unterricht im Garten der Nachhaltigkeit, einer 3.000 m2 Demonstrations- und Schulungsfläche, wo jeder, egal an welchem Standort er unterrichtet wird, mindestens einmal an einem Projekt teilnehmen soll.
Unsere Top-Themen
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• Sortenversuche Kartoffeln
• „Tractor of the Year“
• Märkte und Preise
BSZ für Agrarwirtschaft und Ernährung: Im dritten Ausbildungsjahr
Die Zweierteams, Schülerinnen und Schüler des dritten Ausbildungsjahres, sollen, so die Aufgabe, auf einer zugewiesenen Parzelle eine Bonitur der Ansaat von Wintergetreide vornehmen, den Bestockungsfaktor bestimmen.
Jan Gebauer, ihr Lehrer, will mit einer sanften Drohung Schwung in die Sache bringen. Das, liebe Leute, wird garantiert in der Abschlussprüfung zum Thema Getreide im Juni abgefragt. Also ran an den Speck. Hilfsmittel, etwa eine App, von Gebauer entwickelt, oder Pflanzenbestimmungsbücher sind zugelassen. Alexa Richter und Kenny Albrecht nutzen beides. Die jungen Leute strahlen
Selbstsicherheit aus, gehören sie doch zu den Jahrgangsbesten, wie wir später erfahren. Alexa und Kenny haben familiär einen landwirtschaftlichen Hintergrund. Kenny hat das Metier, seine Licht- und auch seine weniger hellen Seiten, auf dem Hof seines Opas kennengelernt. Ein anderer Beruf stand für ihn nie zur Debatte. Schnell kommen wir, das ist ihm ein Anliegen, auf aktuelle Diskussionen zu sprechen und reden etwa über die Vor- und Fehlurteile, mit denen sich die Branche heutzutage auseinandersetzen muss.
Aus der Deckung in die Offensive gehen, Transparenz zeigen und immer wieder aufklären, das müsse die Strategie sein, meint der angehende Landwirt. In seinem Ausbildungsbetrieb, der Agrargenossenschaft Wülknitz, bei Meißen, steht ein Generationswechsel bevor, da habe er gute Chancen auf einen Job. Wo er seinen Platz finden wird, in der Tierhaltung (die Landwirte-Ausbildung umfasst auch Unterricht zu zwei bis drei Tierarten), im Pflanzenbau, spiele keine Rolle. Jetzt will er erst mal zwei, drei Jahre pure Praxisluft schnuppern. Danach den Meister machen, also vielleicht …
Bildergalerie: Schülerinnen und Schüler der BSZ für Agrarwirtschaft und Ernährung
Plan für die Zukunft und Fakten hinterfragen
Alexa hat präzisere Ziele. In ihrem Ausbildungsbetrieb wird sie bereits eingesetzt wie ein Jung-Profi und habe seit Kurzem sogar „meine eigene Maschine“. Der Meisterkurs steht ganz oben auf ihrer Agenda, um später die Leitung im Pflanzenbau zu übernehmen, der ihr besonders liegt.
Von Motivation, Leistungsbereitschaft und ziemlich genauen Plänen fürs weitere Leben, gepaart mit kritischem Hinterfragen vermeintlich feststehender Fakten werden wir an diesem Tag noch öfter hören. Im Melkkabinett läuft die Prüfungsvorbereitung für die Tierwirte. Melkbecher, Zitzengummi, Pulsschlauch, Milchsammelstück, die Termini müssen sitzen. Lehrerin Kathrin Kretzschmar lässt kein Halbwissen gelten.
Paula Müller, sie stammt aus einem Familienbetrieb mit Mutterkuhhaltung, der vor einigen Jahren krankheitsbedingt leider habe aufgeben müssen, wie sie erzählt, hat bereits ihren Arbeitsvertrag mit der Landwirtschaftsgesellschaft Hermsdorf sicher. Ohne Probezeit! Das spricht für fachliches Vermögen, Zuverlässigkeit, Teamfähigkeit. Paula ist stolz. Sie fühlt sich wohl im Unternehmen mit seinen 560 melkenden Kühen und moderner Technik, drei Melkroboter inklusive. Auch hier: „Die Kälberfrau hört auf, da werde ich sicher verantwortlich nachrücken. Ich mag das selbstständige Arbeiten.“
Grüne Berufe: Zwischen Boom und Nachwuchssorgen
Zwischenbilanz durch Katja Meyer-Jungmichel, Fachleiterin für die Grünen Berufe. Von den fünf, die angeboten werden und wo der praktische Teil 25 % des Unterrichtsvolumens einnimmt, sei Ausbildung zum Gärtner besonders gefragt. „Jedes Jahr eröffnen wir vier Klassen mit bis zu 28 Schülern.“ Auch die Fachrichtung Floristik erlebe einen kleinen Boom. Ganz im Gegensatz zu den agrarischen Zweigen Land- und Tierwirt.
Die Branche fürchtet seit Längerem um ihren Nachwuchs. Dabei müssen bis 2030 geschätzte 20.000 Arbeitskräfte ersetzt werden. „Insbesondere bei den Tierwirten verzeichnen wir unterzählige Schülerzahlen“, so die Fachleiterin. Die Unternehmen umwerben jeden Interessenten (Schulabschlüsse sind Nebensache, erzählen uns Schüler und erwähnen auch, dass die einen versuchen, ihre Azubis fachlich möglichst breit aufzustellen, andere in ihnen nur zusätzliche Arbeitskräfte sehen). Das Berufliche Schulzentrum klinkt sich mit seinen Möglichkeiten ein.
Seit vier Jahren findet der Green Day statt. „Auf unserem Gelände werden Schülern der Dresdner Oberschulen alle Berufe, die wir vertreten, vorgestellt“, erläutert Meyer-Jungmichel. Und das plastisch, jugendgemäß, mit unterhaltsamen Demonstrationen. Das BSZ habe an diesem Tag großen Zulauf, ob er mittel- oder langfristig nachwirkt, ist abzuwarten. Für Heranwachsende, die, wenn auch nur ansatzweise, mit einem der Grünen Berufe liebäugeln, bietet man überdies Videosprechstunden und Schnupper-Unterricht an.
Mehr Erfolg hat man mit dem Grünen Abitur, das zu den Bildungsangeboten zählt. Das Agrarwissenschaftliche Gymnasium will anstelle des Biologie-Leistungskurses neben der allgemeinen Hochschulreife eine spezifische Berufsorientierung im grünen Bereich vermitteln und auf ein einschlägiges Studium vorbereiten. Die Klasse ist gut gefüllt. Vier der 18 Abiturienten wollen Landwirte werden. Zu ihnen gehört Johannes Meinig.
Ihn habe es schon immer fasziniert, wie Pflanzen wachsen, er gehe gern mit Tieren um und ist ziemlich Technik-affin. Gedanken macht er sich auch: Eigentlich plädiere er für den ökologischen Landbau. Aber könne der wirklich die Weltbevölkerung ernähren? Seine Freundin Ronja Lindemann ist sich nach Praktika und Projekten im Agrarbereich nun sicher, dass sie statt Tier- lieber Humanmedizin studieren möchte. Auch solcherart vertiefende Sinnsuche ist Zweck des Unterrichts.
BSZ für Agrarwirtschaft und Ernährung: Pferdewirt in Altroßthal
Altroßthal ist eine Institution und einer der traditionsreichsten Standorte Sachsens für die Ausbildung in der Agrarwirtschaft, der später noch die Ernährungswirtschaft zugesellt wurde. Das BSZ heutigen Zuschnitts gibt es seit 2008. Es ist 1950 als Berufsschule des Volksjugendgutes Pesterwitz gegründet und sechs Jahre später für die Lehrlinge des VEG eingerichtet worden. Man hat sich, immer wieder, auf die Erfordernisse der jeweiligen Zeit eingestellt, um der Schülerschaft eine Ausbildung auf neuestem Stand und hohem Niveau zu ermöglichen.
Voriges Jahr wurde das Bildungsangebot noch mal modernisiert und erweitert, etwa mit dem Fleischthekenführerschein. Ein Alleinstellungsmerkmal: In Altroßthal befindet sich die Landesfachklasse für die Ausbildung zum Pferdewirt. „Unser Pluspunkt sind die Fachlehrer – Pädagogen, Meister, Landwirte. Alle haben einen Abschluss in den Feldern der Agrar- und Ernährungswirtschaft beziehungsweise in Ökologie und waren etliche Jahre in der Praxis tätig“, sagt Anja Unger, die das Zentrum seit 2017 leitet.
Während Ausbildungseinrichtungen landauf, landab Defizite in der Ausstattung beklagen, ist hier Arbeit mit den neuen Medien schon Alltag. Alle Unterrichtsräume sind mit aktiven Tafeln oder Boards ausgerüstet, für die Ausbildung in den landwirtschaftlichen Berufen stehen Simulatoren zur Verfügung.
Das Außengelände ist weitläufig, die Bausubstanz heterogen. Da steht das Schloss (seit Kurzem nicht mehr vom BSZ genutzt) neben neueren Gebäuden und Containermodulen. „Die Standortsanierung ist beschlossene Sache, mit der Turnhalle beginnen wir“, so Schulleiterin Unger. Die Stadt Dresden tut das Ihre, damit die traditionsreiche Stätte auch weiterhin zu den führenden beruflichen Schulzentren Sachsens gehört und finanzierte etwa die Gewächshaussanierung mit.
Zum guten Schulklima gehört die finanzielle (und moralische) Unterstützung der Schülerschaft bei Leistungswettkämpfen. Man nimmt zu hundert Prozent an den Berufswettbewerben teil. Eine solche Atmosphäre trägt Früchte. Schon zum zweiten Mal holte 2022 ein Team den Deutschen Meistertitel bei den Landschaftsgärtnern. Neueste Nachricht von der Siegerstraße der Schüler des BSZ: Jonas Fehrmann, drittes Lehrjahr Landwirtschaft in Altroßthal, belegte beim Landesberufswettbewerb letzte Woche in Köllitsch den ersten Platz. Mehr dazu in der Bauernzeitung 18/2023 auf Seite 17.