Sachsen

Biotopverbund Leipzig-Nord: Gelebtes Miteinander

Gemeinsam mehr erreichen:
Im Biotopverbund arbeiten unter anderem Imker Richard Beer, Stefan Fenchel (BMW), Steffen Wagner (Nabu), Felix Körner (BMW), Axel Weinert (Naturschutzstation Plaußig), Benedikt Bierman (Saat-Gut Plaußig Voges KG) und Sean Duncan (Future Electronics) zusammen (v.  l.). (c) Karsten Bär
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Naturschützer, Institutionen und Unternehmen setzen sich für mehr Artenvielfalt im Norden von Leipzig ein. Auch dank der Mithilfe der Landwirtschaft hat der Biotopverbund kräftig Fahrt aufgenommen.

Von Karsten Bär

Ein grünes Band um Leipzig, das gefährdeten Arten ein Refugium bietet und ihren Fortbestand sichert – für Steffen Wagner wäre es ein verwirklichter Traum. Was derzeit im Norden der Metropole geschieht, ist immerhin ein Anfang. „Über Biodiversität wird viel diskutiert, aber oft zu wenig dafür gemacht“, meint der Vorsitzende des Nabu-Regionalverbandes Leipzig. „Das wollen wir hier vor Ort gemeinsam ändern.“ Im Biotopverbund Leipzig-Nord seien unterschiedliche Interessen vertreten, die gemeinsam etwas bewegen wollen. Seit einem knappen halben Jahr ist man zusammen. „Wir haben erste Erfolge erreicht, aber uns viel mehr vorgenommen“, so Wagner.

Biotopverbund: Gemeinsam trotz unterschiedlicher Interessen

Zu den Beteiligten zählt auch die Saat-Gut Plaußig Voges KG. Als Landwirt sei man an Umweltproblemen „ja eigentlich immer schuld“, meint – nur halb im Spaß – Geschäftsführer Benedikt Biermann. Doch der Betrieb, der rund 2.500  ha Fläche im Leipziger Nordosten bewirtschaftet, engagiert sich schon seit Längerem für Artenvielfalt und Insektenschutz, wurde im Vorjahr sogar als „Bienenfreundlicher Betrieb“ vom Sächsischen Landesbauernverband und Landesverband Sächsischer Imker ausgezeichnet. 

Saat-Gut Plaußig kooperiert eng mit der Leipziger Imkerei Richard Beer. Man stimmt die Feldarbeiten ab, um möglichst bienenschonend zu sein. „Blütenbehandlungen finden grundsätzlich nur nachts statt. Und gar nicht, wenn Bienenvölker in der Nähe stehen“, erklärt der Geschäftsführer des Agrarunternehmens. Zusätzlich zum obligatorischen Greening hat die Saat-Gut Plaußig Voges KG 49  ha Blühflächen angelegt. Für zwei davon wurde die Saatmischung über die Einkünfte aus einem gemeinsamen Insektenprojekt mit der Imkerei Beer finanziert, bei dem zehn Cent je verkauftem Honigglas für diesen Zweck bereitgestellt wurden. 

Bündelung der Maßnahmen im Verbund

Im Biotopverbund sieht Biermann ein Mittel, mehr für die Artenvielfalt zu erreichen. „Die Maßnahmen der verschiedenen Akteure werden gebündelt“, sagt er. „Das bringt fachlich etwas und räumt Vorurteile aus.“ So sei nicht jedem Außenstehenden klar, dass Landwirte Blühflächen nach bestimmter Zeit umbrechen müssen, um zu verhindern, dass die Fläche dauerhaft zu Grünland wird. Im Verbund könne man auf solche Sachverhalte hinweisen. 

„Wir können unseren Partnern auch schwarz auf weiß die wirtschaftlichen Folgen darlegen, wenn wir beispielsweise auf Pflanzenschutzbehandlungen bestimmter Flächen verzichten.“ So falle es leichter, Kompromisse zu finden. „Ohne sich zusammenzusetzen, wird es nichts“, bestätigt auch Imker Richard Beer die Notwendigkeit, gemeinsam nach Lösungen zu suchen.

„Insellösungen sind keine echten Lösungen“

Durch Austausch den Horizont zu erweitern und Naturschutz und ökonomische Interessen in ein ausgewogenes Verhältnis zu bringen, sind zwei der  Ziele, die der Biotopverbund verfolgt. An erster Stelle steht jedoch, den Zustand der Biodiversität in der Region zu erfassen und daraus sinnvolle Maßnahmen abzuleiten. Blühflächen und Blühstreifen sollen als Trittsteine für Arten dienen, ebenso Pflanzungen regional bedeutsamer Gehölzarten, wozu auch alte Obstgehölze zählen. In ihrer Gesamtheit sollen diese Maßnahmen den angestrebten Biotopverbund schaffen. „Denn Insellösungen sind keine echten Lösungen“, betont Nabu-Regionalchef Wagner. Man schaue, an welchen Stellen weitere Pflanzungen oder Begrünungen nötig sind, und stimme gemeinsam ab, wie beispielsweise die Mahd am besten erfolgen sollte.

Notwendig sei zudem, umfassende Aufklärungsarbeit zu leisten. Damit appelliert man jedoch nicht nur an die Landnutzer, die dafür sensibilisiert werden sollen, welche Maßnahmen der Artenvielfalt nützen. „Es gibt auch immer wieder aus der Bevölkerung Klagen darüber, dass Blühwiesen ‚nicht ordentlich‘ aussehen“, macht Wagner auf ein anderes Problem aufmerksam, dem man durch Aufklärung entgegentreten will, etwa durch Feldtafeln. 

Industrie als Partner im Verbund

Zu den Partnern im Verbund zählen auch große Industrieunternehmen. Das Leipziger BMW-Werk bringt sich ebenfalls ein. „Die Automobilindustrie steht ja auch oft am Pranger“, so Stefan Fenchel, Leiter des Projektes „Grünes Werk“ bei BMW. Jedoch habe man nachweisen können, dass auch ein Automobilhersteller im direkten Umfeld seiner Produktion hochwertige Biotope schaffen kann – „trotz 300.000 Fahrzeugen im Jahr und eines Werkszauns ringsherum“, wie es Fenchel auf den Punkt bringt. Die Biodiversität auf den Werksflächen hat sich dank konsequenter Umsetzung des Konzeptes „Grünes Werk“ und der damit verbundenen Anpflanzungen gegenüber dem Ausgangszustand sogar erhöht.



Auch andere ortsansässige Unternehmen, wie Future Electronics oder der Flughafen Halle-Leipzig bringen sich in den Biotopverbund ein, ebenso kommunale Partner. Die breite Mischung der Beteiligten ist ein Vorteil. Unterschiedliche Kompetenzen und Fähigkeiten treffen aufeinander und können zum Erreichen der Ziele eingesetzt werden. 

Dank der regelmäßigen Treffen ist auch Vertrauen zwischen den Partnern gewachsen. Einmal im Monat treffe man zusammen, im Bedarfsfall stimme man sich auch am Telefon ab, erklärt Benedikt Biermann. Man entwickle Verständnis für das Tun der Partner und verstehe besser, warum etwas getan werde, sagt Steffen Wagner. „Was wir hier tun, ist gelebtes Miteinander.“